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Event Reports

Eine Freundschaft auf dem Prüfstand

by Sabine Murphy

Sieben Tage für einen Perspektivwechsel: Nachwuchsjournalisten diskutieren transatlantische Herausforderungen in den USA

In einem einwöchigen Seminar haben sich 20 Stipendiaten der Journalistischen Nachwuchsförderung (JONA) dem Thema transatlantischen Beziehungen angenähert. Die JONA gehört zur Konrad-Adenauer-Stiftung und bildet seit 1979 Studierende aller Fachrichtungen zu Journalisten aus. Die Seminarreihe unter dem Titel “Transatlantic Understanding: A critical review of our partnership“ fand vom 26. Oktober bis 1. November 2015 in Washington und Boston statt.

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Das Büro der KAS in Washington organisierte gemeinsam mit der JONA ein dreitägiges Programm in der US-Hauptstadt zu aktuellen politischen Fragen und journalistischen Herausforderungen in der digitalen Ära. Die JONA Gruppe besuchte politische Think-Tanks, das US-Außenministerium, die deutsche Botschaft und verschiedene Medienhäuser.

Vor dem Hintergrund der Polizeigewalt gegen Minoritäten und Rassenunruhen, die in den vergangenen Monaten zahlreiche Städte Amerikas im Griff hatten, besuchten die Studenten das Center for American Progress (CAP), einen renommierten Think-Tank. Die Experten Sam Fulwood und Daniella Gibbs-Leger erzählten von eigenen Erfahrungen und ihrer Arbeit im Kampf für die Gleichberechtigung aller Amerikaner. Der langjährige Journalist Sam Fulwood, der für seine Berichterstattung mit der LA Times über die Rassenkonflikte in Los Angeles 1992 einen Pulitzer Preis gewann, nannte im Gespräch das Erbe, das Obama hinterlassen wird, einen kulturellen Wendepunkt. Es gäbe jetzt eine neue Generation, für die es völlig normal sei, dass eine schwarze Familie im Weißen Haus lebt. Bis 2050 werde die weiße Bevölkerung nicht mehr die größte ethnische Gruppe in den USA darstellen – das werde Raum für Minderheiten eröffnen, sagte Fulwood. Daniella Gibbs-Leger arbeitete als Beraterin im Weißen Haus und gilt als eine der einflussreichsten, schwarzen Frauen in Washington. Auf die Frage, wie sie das Verhältnis von schwarzen Amerikanern mit der Polizei sehe, antwortete sie, dass sie persönlich noch nie schlechte Erfahrungen gemacht habe und auch nicht nervös sei, wenn sie von Polizisten im Straßenverkehr angehalten würde. Doch hob sie die Arbeit von ihrem Think-Tank hervor. Eine der Aufgaben von CAP sei in Diskriminierungsfällen vor Ort mit rechtlichem und praktischem Rat zu helfen. Soziale Medien spielten eine wichtige Rolle um das Bewusstsein der Öffentlichkeit zum Thema Rassismus zu sensibilisieren. Ohne Smart Phone Kameras, wäre keiner der polizeilichen Übergriffe dokumentiert worden. Nur durch starke Bilder, erreichten Fälle der Diskriminierung Aufmerksamkeit und brachten Menschen zu Protesten auf die Straße, so die Experten. Den JONA Studenten gab das Gespräch bei CAP einen Eindruck aus erster Hand wie das Thema Rassismus in den USA aktiv behandelt wird.

Ein weiterer Termin fand im US-Außenministerium statt, wo die JONA Stipendiaten mit der Diplomatin Robin Quinville über die Herausforderungen der transatlantischen Freundschaft diskutierten. Ms. Quinville war bis vor wenigen Monaten in Berlin stationiert und erzählte von Ihren Erfahrungen als Diplomatin in der deutschen Hauptstadt und ihren Anfängen im State Department während Glasnost. Die JONA Studenten stellten Fragen zur Sicherheitspolitik, der NSA Abhöraffäre, zur transatlantischen Wirtschaft und zu unseren gemeinsamen Werten. Das Gespräch war „off the record“ und Robin Quinville bewies ihre rhetorischen Fähigkeiten und ihr diplomatisches Geschick im Gespräch mit den Jungjournalisten. Die Studenten schätzten das Gespräch im US-Aussenministerium im Rahmen der KAS JONA-Reise als einmalige Gelegenheit, die Privatpersonen nicht offen stehe.

Der Besuch in den Redaktionen der legendären US-Zeitungen New York Times und Washington Post eröffnete für die deutschen Journalisten neue Perspektiven für die Zukunft der Branche und öffnete die Augen für technologische Kapazitäten, die schon heute möglich sind.

Die New York Times hat vor wenigen Monaten die Ein-Millionen-Marke zahlender, digitaler Abonnenten überschritten. Trotzdem deckt die Printausgabe noch drei Viertel der Kosten. Elisabeth Bumiller, die Büroleiterin des NYT Büros in Washington, schätzt, dass sich die Zahl der digitalen Abonnenten in den nächsten fünf Jahren verdoppeln muss, um für das langsame Wegbröckeln der Printausgabe zu kompensieren. Die JONA-Gruppe bekam beim Besuch des Hauptstadtbüros der Times einen Einblick wie sich das Traditionsblatt erfolgreich positioniert, um auch in der Zukunft Qualitätsjournalismus bieten zu können. „Wir kennen unsere Zielgruppe: den gebildeten, intellektuellen Leser“, so Frau Bumiller. Sie betonte wie wichtig der internationale Markt für die Times sei und als eine der wenigen Zeitungen mit Auslandsbüros in der ganzen Welt sei sie für eine internationale Expansion gut gerüstet. Es werde darüber nachgedacht, die Webseite in mehreren Sprachen verfügbar zu machen, beispielsweise auf Chinesisch. Die journalistische Arbeit werde jeden Tag von den neuen Technologien beeinflusst. Man müsse heute bedenken, dass viele Leser die Artikel auf dem Smartphone lesen würden, nicht mehr auf Papier. Dies beeinflusse den Schreibstil, z.B. dürften die Absätze nicht länger sein als das, was auf dem Handyschirm zu sehen ist.

Der NYT White House Korrespondent Peter Baker erzählte von den logistischen Schwierigkeiten dem US-Präsidenten auf allen Reiseterminen zu begleiten. Aus Kostengründen könne die amerikanische Presse kein eigenes Flugzeug mehr chartern und die Journalisten seien auf Linienflüge angewiesen. Es sei oft unmöglich Airforce One kreuz und quer durchs Land zu folgen und über alle Stops des Präsidenten zu berichten. Doch die New York Times fühle sich verpflichtet, überall da zu sein, wo der Präsident sich aufhalte. Bumiller erinnerte daran, dass schließlich niemand am 11. September 2001 erwartet hätte, als Präsident Bush in Florida eine Schule besuchte, dass die USA von Terroristen angegriffen würde. Man könne solche Dinge nie vorhersehen. Der Einfluss vom Internet und 24/7 Nachrichten mache sich, so Baker, auch in der Beziehung der White House Korrespondenten zum Präsidenten deutlich. Es sei heute viel distanzierter als in vergangenen Jahrzehnten. Der Präsident komme nicht mehr einfach, wie früher, zum spontanen Gespräch vorbei. Das Risiko sei heute zu groß, dass seine Worte sofort ohne Filter veröffentlicht würden.

Zu der Zukunft von Zeitungen und digitalem Journalismus erfuhren die Jungjournalisten im Anschluss beim Termin bei der Washington Post von Emilio Garcia Ruiz, Managing Editor für digitale Initiativen, wie Smartphones, Drohnen oder Microsoft HoloLens die Möglichkeiten Geschichten zu erzählen, revolutionieren. HoloLens ist eine Brille, mit der man interaktive 3D-Projektionen in der direkten Umgebung darstellen kann – über Gesten, Sprache, Kopf- und Augenbewegungen. Garcia Ruiz gab den Studenten eine Demonstration mit einem „Spaziergang“ durch das virtuelle Oval Office. Er gab Denkanstöße, wie die neue Technologie sinnvoll journalistisch eingesetzt werden könne. Man könne z.B. mit 3D-Graphiken Tatorte oder Kriegsschauplätze rekonstruieren und Reportagen viel anschaulicher machen. Garcia Ruiz zeigte ein kurzes Video von der BBC eines Fluges über ein Konzentrationslager, das mit einer Drone gefilmt wurde. Laut Garcia Ruiz hat dieser kurze Film geschafft, was kein traditioneller Artikel zum Jahrestags des Holocausts erreichte: er wurde tausendfach auf Social Media Plattformen geteilt. Die Washington Post investiert mit Hilfe ihres neuen Eigentümers, Amazon-Milliardär Jeff Bezos, stark in neue Technologien. Bis zu 80 Millionen Leser würden pro Monat die Washington Post Webseite besuchen, so Graphik Chefin Kat Downs Mulder. Man sei nicht mehr nur mit klassischen Zeitungen in Konkurrenz, sondern mit Online Seiten wie Huffington Post und Buzz Feed im Kampf um Leserschaft und online Abonnenten. Die JONA-Journalisten waren sich einig, dass deutsche Medienhäuser noch ein bis zwei Jahre hinter der digitalen Revolution hinterherhinken. „This is the most exciting time in the history of journalism“, so Garcia Ruiz. Er riet den Studenten, die neuen Technologien so schnell wie möglich zu lernen und zu nutzen um konkurrenzfähig zu sein.

ZDF-Korrespondent Daniel Pontzen gab Einblicke in seine Arbeit als Auslandskorrespondent. Als großen Stressfaktor benannte er die sechsstündige Zeitverschiebung zwischen Berlin und Washington. Wenn sich die Mitarbeiter um 9 Uhr zur Redaktionskonferenz treffen, bleiben gerade zwei Stunden bis zur 17 Uhr heute-Sendung – nicht viel Zeit, um einen tagesaktuellen Beitrag zu produzieren. Pontzen gab der JONA-Gruppe eine Führung durch das ZDF-Studio im Stadtteil Georgetown, in dem drei Korrespondenten aus Mainz gemeinsam mit Producern, technischen Mitarbeitern und Verwaltungsangestellten für die USA-Berichterstattung verantwortlich sind. Viele der Mitarbeiter sind langjährige Ortskräfte mit Erfahrung im komplexen amerikanischen Politik-Betrieb. Geregelte Arbeitszeiten sind selten für den ZDF-Journalisten. Dokumentationen, bunte Themen und vor allem tagesaktuelle Nachrichten verlangen die Bereitschaft zu Überstunden und Wochenendarbeit. Viel Zeit zum Privatleben bleibt nicht, erzählt Pontzen.

Beim Besuch der deutschen Botschaft trafen die Studenten auf Pressesprecher Markus Knauf. Knauf kümmert sich als Leiter der Presseabteilung um Anfragen von deutschen Journalisten und US-Medien. Die Jungjournalisten fragten nach Unterschieden in der Arbeitsweise der deutschen und amerikanischen Presse. Nach Knaufs Erfahrung gingen amerikanische Journalisten ganz anders mit ihm um als deutsche Journalisten. Sie ließen sich, zum Beispiel, keine Zitate freigeben – sondern druckten ohne Rückfrage ab, was gesagt wurde. Für einen Großteil deutscher Journalisten sei es hingegen Gewohnheit, sich die Zitate bestätigen zu lassen. Die Studenten erfuhren, dass oft für die US-Medien andere Deutschland-Themen von Interesse sind, als für die Heimatpresse. Das Deutschlandbild in den USA sei oft noch von historischen Ereignissen und Klischees geprägt, wie dem Holocaust aber auch dem Oktoberfest und Handwerkskunst. Jedoch werde bei aktuellen Themen wie NSA-Affäre, VW-Skandal und Flüchtlingskrise die deutsche Perspektive mehr gefragt. Deutschland werde dementsprechend in der amerikanischen Öffentlichkeit stärker wahrgenommen. Insgesamt sei das Deutschlandbild der Amerikaner durchaus positiv, berichtete Knauf.

Im zweiten Seminarteil sind die Stipendiaten nach Boston gereist, um die German American Conference an der Harvard Universität journalistisch zu begleiten. Das Produkt war eine Website, die alle Social-Media-Interaktionen von der Konferenz verarbeitete und um kurze Biographien und Informationsblöcke erweiterte. Auf der Konferenz diskutierten mehr als dreißig Journalisten, Politiker, Unternehmer und Wissenschaftler drängende Fragen der deutsch-amerikanischen Beziehung, unter anderem auf den Panels “Industry 4.0”, “Who deserves to join the club? – the EU and the migration crisis”, “Energy Policies” oder “Privacy and Security in a Post-Snowden World”. Über diese und andere Themen sprach die JONA mit Rednern wie Entertainer Thomas Gottschalk, der ehemalige NSA-Direktor Michael V. Hayden oder Bild-Chef Kai Diekmann.

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