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Event Reports

Vorbereitet sein auf das Unvorhergesehene

by Elmar Sulk

Dr. Theo Waigel und Dr. Robert Zoellick diskutieren in Washington die Ereignisse der Wiedervereinigung vor 25 Jahren

In zwei eindrucksvollen Vorträgen skizzierten nun in Washington mit Dr. Theo Waigel und Dr. Robert Zoellick zwei der wichtigsten Akteure die Ereignisse der Jahre 1989 und 1990, die dann zur Wiedervereinigung Deutschlands führten.

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Man müsse den Mantelsaum der Geschichte ergreifen, so wird Otto von Bismarck oft zitiert. Diesen Mantelsaum der Geschichte ergriff der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl in den Schicksalsjahren Deutschlands vor 25 Jahren. Nur knapp ein Jahr nach dem Fall der Mauer, der durch die friedliche Revolution in der DDR verursacht wurde, wurde Deutschland am 3. Oktober 1990 wiedervereinigt. Theo Waigel, als Bundesfinanzminister von 1989 bis 1998 an allen wichtigen innenpolitischen Fragen des Einigungsprozesses beteiligt, und Robert Zoellick, späterer Weltbankpräsident und seinerzeit als einer der engsten Berater des US-Aussenministers James Baker einer der Verhandlungsführer in den Verhandlungen des 2+4-Vertrages, sprachen auf Einladung der Hanns-Seidel-Stifung und der Konrad-Adenauer-Stiftung an der Georgetown University in Washington vor einem grossen Publikum von Zeitzeugen, Beobachtern und jetzigen Studenten. Sie berichteten über die damaligen Entwicklungen und die gesammelten Erfahrungen. Dean Joel Hellman begrüsste die Anwesenden, darunter auch der Gesandte der Deutschen Botschaft Dr. Philipp Ackermann, und erinnerte an den grossen Erfolg der damaligen diplomatischen Anstrengungen, die ohne den besonderen Willen der Bevölkerung in der DDR, in Freiheit wiedervereinigt zu werden, kaum zu diesem umfassenden Erfolg geführt hätten. Theo Waigel, eingeführt von der Vorsitzenden der Hanns-Seidel-Stiftung Prof. Ursula Männle, verwies gleich zu Beginn seiner Rede darauf, dass ohne eine feste transatlantische Partnerschaft die Verhandlungen zur Einheit wohl kaum hätten so schnell und erfolgreich abgeschlossen werden können. Er erinnerte daran, dass beispielsweise der US-amerikanische Botschafter Vernon Walters fest an die deutsche Einheit „zu seinen Lebzeiten“ geglaubt habe, und dankte der damaligen US-Regierung sehr für die Unterstützung Deutschlands in diesem komplexen Prozess. Er betonte nochmals auf Nachfrage ausdrücklich, dass die deutsche Einheit entgegen mancher Meinungen unabhängig von der Einführung des Euro zu sehen sei – so sei der Delors-Plan, der ein wesentlicher Baustein für den Euro war, bereits 1988 verabschiedet worden, als noch nicht abzusehen war, dass die Einheit kommen würde. Zwar seien einige der Ereignisse zur Einführung des Euro und Vollendung der Einheit, parallel verlaufen, aber trotzdem unabhängig voneinander, hob Waigel hervor.

In teilweise sehr persönlichen Worten berichtete der langjährige Finanzminister und CSU-Vorsitzende über die Verhandlungen, gerade mit den Vertretern der DDR-Regierung, und die vielen unter hohem Zeitdruck zu treffenden Entscheidungen. Er sei sich als Finanzminister immer über die großen finanziellen Herausforderungen bewusst gewesen, so Waigel, hätte sich aber ebenso stets auch für die Einheit entschieden, manchmal gegen dann nachrangige finanzpolitische Ziele. Schon 1988 sei in einem internen Bericht des ZdK-Mitglieds der DDR Gerhard Schürer von dem bald zu erwartenden Staatsbankrott der DDR gesprochen worden, was deutlich machte, wie gross allein die finanzielle Aufgabe gewesen sei, die DDR zu sanieren.

Er skizzierte die Schritte zur Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion, die am 1. Juli 1990 in Kraft trat, und erinnerte an die vielfältigen Aufgaben der Treuhand-Anstalt, die mit ihrem Privatisierungs- und Sanierungsauftrag in den Zehntausenden DDR-Betrieben im Jahr 1990 tätig wurde. Er zitierte aus heutigen Studien, die die ostdeutsche Wirtschaft auf einem guten Weg sehen.

„Es gab Gewinner und Verlierer im Prozess der Einheit, aber jeder gewann mehr Freiheit“, so Waigel unter lautem Beifall der Anwesenden.

Bob Zoellick skizzierte in fesselnder Weise die damaligen Herausforderungen, unter denen sich die diplomatischen Anstrengungen vollzogen. Er wurde vom Leiter des Washingtoner Büros der Konrad-Adenauer-Stiftung Dr. Lars Hänsel vorgestellt, der, aufgewachsen in Sachsen und als Student einer der Demonstranten in Leipzig, seinerseits über seine Erfahrungen aus der Wendezeit in einem persönlichen statement erinnerte. Er hob hervor, dass Zoellick in einer Senatsanhörung im September 1990 auf Konrad Adenauer anspielte, der im Bundestag 1954 gesagt hatte: „Wir werden nicht ruhen und rasten, bis es das deutsche Volk seine Einheit wiedergefunden hat in Frieden und in Freiheit.“

Zoellick hob hervor, wie wesentlich es für die US-Diplomatie gewesen sei, Ereignisse vorauszuahnen und vor welcher Herausforderung George H.W. Bush („Bush 41“) in Europa stand, den Einfluss der USA zu stärken zu einer Zeit, wo der sowjetische Generalsekretär Michail Gorbatschow als Reformer und Erneuerer grosse positive Resonanz auch in westlichen Ländern Europas erfuhr.

Er unterstrich, dass man 1989/1990 die Fehler manch vergangener diplomatischer Anstrengungen vermeiden wollte und deshalb Wert darauf legte, die 2+4 Verhandlungen als öffnendes Kapitel für die Zukunft, als Einladung zur Mitgestaltung ehemaliger Gegner zu betrachten, und nicht als Schlusskapitel an eine Zeit, die von der Potsdamer Erklärung bis zum Fall der Mauer reichte.

Der langjährige Diplomat verwies darauf, dass die Diplomatie nicht abstrakt blieb, sondern stets angebunden war an die Ereignisse und Vorstellungen in der Bevölkerung. Sie forderte eine schnelle Einheit. So sei noch vor den ersten freien Wahlen in der DDR am 18. März 1990 mit der Ausrufung des baldigen Beginns von Verhandlungen im Februar in Ottawa ein Signal ausgesandt worden, um der Bevölkerung zu verdeutlichen, wie wichtig diese Wahlen waren.

Als weiteres hob Zoellick hervor, dass es im diplomatischen Prozess wichtig gewesen sei, zu verstehen, was der anderen Seite wichtig sei, und gerade auch die unterschiedlichen Interessen zu definieren, um miteinander erfolgreich zu verhandeln.

Auf die Nachfrage aus dem Publikum, was sie am besten auf diesen Prozess vorbereitet hätte, gaben Theo Waigel und Bob Zoellick sehr interessante Antworten. Waigel hob die Menschenkenntns von Helmut Kohl hervor, die es ermöglichte zu erkennen, welche Schritte im Einheitsprozess wann möglich seien, und dies auch stets zu kommunizieren. Zoellick benannte historisches Verständnis und eine genaue Kenntnis davon, wie politische Prozesse funktionieren, als besonders wichtig.

Die Veranstaltung bot den Anwesenden eine sehr interessante Möglichkeit, mit zentralen Akteuren der Deutschen Einheit an die Ereignisse vor 25 Jahren zu erinnern und welche Lehren sich aus dieser Erfahrung für heute ergeben.

„You have to take calculated risks in politics“, meinte Bob Zoellick am Ende seines Vortrags, und in diesem Bewusstsein hätte der Einheitsprozess erfolgreich abgeschlossen werden können.

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