Politische Ausgangsituation bis zum Wahltag
Boliviens Wahlkampf wurde nicht nur vom Coronavirus und der anziehenden Wirtschaftskrise überschattet, sondern war vor allem durch die Spaltung des Landes im Zuge der manipulierten Wahlen von 2019 geprägt. Der Interimsregierung unter Senatorin Jeanine Áñez (MDS) gelang es während fast eines Jahres nicht, die aufgeheizte Stimmung einzuhegen oder gar zu bändigen. Mehrere ihrer Minister beteiligten sich an der Aufstachelung politischer und regionaler Ressentiments, anstatt zu deeskalieren. Häufige Ministerwechsel und Korruptionsfälle hinterließen keinen guten Eindruck. Erschwert wurde die Übergangsphase zudem durch die Coronavirus-Pandemie, welche in Bolivien, dem ärmsten Land Südamerikas, gravierende wirtschaftliche und soziale Konsequenzen nach sich zog und die multifaktorielle Krise weiter verschärfte. Vor diesem Hintergrund sahen viele Beobachter die am 18. Oktober abgehaltenen Neuwahlen als einen Scheideweg für die Zukunft Boliviens.
Um einer erneuten Wahlmanipulation vorzubeugen, war die Neuorganisation des Obersten Wahlgerichtes (TSE) eine der zentralen Aufgaben für den Kongress. Aufgrund der überparteilich erfolgten Neuzusammensetzung des TSE unter seinem Präsidenten Salvador Romero sowie einer Bereinigung des verfälschten Wahlregisters konnte das Vertrauen der Bevölkerung in die Wahlorgane gestärkt werden und auch die Präsidentschaftskandidaten erkannten deren Legitimität an.[i] Zusätzliches Vertrauen in den korrekten Ablauf der Wahl wurde dadurch generiert, dass internationale Organisationen, darunter die EU und die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS), Wahlbeobachtermissionen entsandten. Bereits am Abend der Wahl attestierte die OAS Bolivien einen friedlichen Wahlgang und Romero bezeichnete die Wahlen als „vollen Erfolg“ und „Fest der Demokratie“.
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[i] Siehe hierzu unser Länderbericht „Politischer Neustart oder Rückfall in Gewalt? Bolivien eine Woche vor den Neuwahlen“, online unter: https://www.kas.de/de/web/bolivien/laenderberichte/detail/-/content/politischer-neustart-oder-rueckfall-in-gewalt-bolivien-eine-woche-vor-den-neuwahlen