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Notas de acontecimientos

Erinnerung an Vertreibung als ein Zukunftsprojekt

Deutsch-polnische Diskussion über Vertreibung im historischen Kontext

Auf der Veranstaltung der KAS in Potsdam „Erinnerung ist das Geheimnis der Versöhnung – Weltkrieg, Flucht, Vertreibung und Versöhnung in der öffentlichen Wahrnehmung in Deutschland und Polen“ diskutierten die Präsidentin des Bundes der Vertriebenen Erika Steinbach MdB (CDU), der polnische Historiker Kazimierz Wóycicki und der Direktor der Stiftung "Flucht, Vertreibung, Versöhnung" Manfred Kittel über die öffentliche Erinnerung an Weltkrieg und Vertreibungen in Deutschland und Polen.

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Lange war das Erinnerungsprojekt hochumstritten. Vor allem in Polen befürchtete man eine Verfälschung der Geschichte, dass sich "die Deutschen" nun vor allem als Opfer darstellen wollten, wie es von höchster politischer Seite hieß. Ein erbitterter geschichtspolitischer Streit war die Folge, der zeitweise zu deutlichen Irritationen im deutsch-polnischen Verhältnis führte und den Dialog blockierte. Am 11. Juni 2013 wurde jetzt der Baubeginn des "Dokumentationszentrums Flucht, Vertreibung, Versöhnung" mit Bundeskanzlerin Merkel in Berlin begangen. Die Konrad-Adenauer-Stiftung diskutierte das Projekt drei Tage später am 14. Juni in einem deutsch-polnischen Gespräch in Potsdam. Dabei zeigte sich, dass vorhandene Befürchtungen mittlerweile besänftigt worden sind und die kritische Debatte sachlich und konstruktiv geführt werden kann.

 

Erika Steinbach, CDU Bundestagsabgeordnete, als Präsidentin des Bundes der Vertriebenen eine maßgebliche Initiatorin des Gedenkprojektes und in Polen in der Vergangenheit bei nicht wenigen geradezu ein Feindbild par excellens, zitierte zunächst die Kanzlerin, die beim Baubeginn des neuen Museums auf den starken Gegenwind und die hohen Wellen hingewiesen habe, die das Projekt verursacht habe, dann aber festgestellt habe, dass Erinnerung Raum brauche und die Erinnerung an die katastrophalen Vertreibungen jetzt auch in Berlin Raum bekämen. Steinbach betonte die Bedeutung des nun im Bau befindlichen Zentrums "Flucht, Vertreibung, Versöhnung". „Jeder Mensch braucht einen Ort, an dem er sich erinnern kann“, sagte Steinbach in Potsdam. Gedenkstätten seien Balsam für die Seele der Betroffenen. „Die Katastrophe um Flucht und Vertreibung erhält nun einen dauerhaften Raum in Berlin“, so Steinbach. Die Heimatvertriebenen könnten sich in dem Dokumentationszentrum bald an prominenter Stelle in der neuen Heimat an die alte Heimat erinnern.

 

In der Dauerausstellung im ehemaligen Deutschlandhaus am Anhalter Bahnhof in Berlin soll die Vertreibung der Deutschen und anderer europäischer Völker - auch der von Deutschland und Sowjetrussland vertriebenen Polen - im Kontext der Geschichte des 20. Jahrhunderts gezeigt werden. An dem Konzept des Zentrums arbeiten mit Piotr Madajczyk aus Warschau und Krzystof Ruchniewicz aus Warschau auch zwei polnische Historiker mit.

 

Steinbach erklärte, zunächst galt und gelte die Erinnerung den vielen Opfern des von Deutschland ausgegangenen Zweiten Weltkrieges. Dann gelte die Erinnung aber auch den Menschen, die in der Folge dieses Krieges ihre Heimat verloren haben und damit in einer besonderen Weise an den Folgen des Krieges zu leiden hatten. Ein Schlussstrich unter die vielfältig leidvolle Geschichte des Weltkriegs und seiner Konsequenzen zu ziehen, sei weder möglich noch sinnvoll. Vielmehr sei die Erinnerung an alle Facetten dieser Geschichte notwendig, sagte Steinbach.

 

Bezüglich der deutschen Vertriebenen und ihrer oft nicht freundlichen Aufnahme in der neuen "kalten Heimat" erinnerte sie an das Bundesvertriebenengesetz, das vor 60 Jahren verabschiedet wurde. Dieses habe nicht nur zum Ziel gehabt, ein gemeinsames friedliches Miteinander und die Integration zu fördern, sondern auch das kulturelle Erbe zu schützen. Denn die Vertriebenen hätten ihre Identität als unsichtbares Fluchtgepäck mit in die neue Heimat getragen. „Das Gesetz macht deutlich, dass das Kulturgut ein unverzichtbares Zeichen der Identität ist“, sagte Steinbach. Sie begrüßte den vom Bundestag verabschiedeten Antrag, dass sich die Bundesregierung dafür einsetzen solle, den 20. Juni als Weltflüchtlingstag um das Gedenken an Heimatvertriebene zu ergänzen. Mit Blick auf Polen regte Steinbach an: „Polen und Deutsche haben mehr gemeinsame kulturelle Wurzeln als wir denken, und auch daran sollten wir uns erinnern."

 

Dr. Kazimierz Woycicki, Historiker der Universität Warschau und jahrzehntelanger Partner im polnisch-deutschen Dialog erklärte, dass Erinnerung nicht allein eine rückwärtsgewandte Funktion habe, sondern immer auch ein Projekt der Zukunft sein müsse. Gerade dann, wenn Erfahrungen und Erzählungen im Konflikt miteinander stünden, gelte es, die eigenen Erzählungen zu überdenken und die anderen kennen zu lernen. Er plädierte dafür, dass „Versöhnung“ einhergehen müsse mit der Bereitschaft, die andere Seite besser kennenzulernen. „Wenn Erinnerung mit den anderen zusammen geschieht, kann daraus ein Zukunftsprojekt werden“, so Woycicki.

 

Er erläuterte, dass der Begriff der Vertreibung, der im Deutschen für einen klar umrissenen Vorgang nach dem Zweiten Weltkrieg stünde, in Polen in dieser Weise nicht Verwendung finde, weil es sich hier um ein vielfältiges Vertreibungsgeschehen handele: zunächst um die Vertreibung von Polen durch Deutschland und Sowjetrussland im Weltkrieg in den von beiden totalitären Systemen annektierten polnischen Gebieten, dann um das Wegholen der Zwangsarbeiter nach Deutschland und dann um die Vertreibung der Polen aus den ehemaligen polnischen Ostgebieten durch Sowjetrussland nach dem Krieg. Die Vertriebenen aus dem Osten seien beschönigend "Repatrianten" (Heimkehrer) genannt worden in kommunistischer Zeit, wie überhaupt in dieser Zeit eine Auseinandersetzung mit der jeweiligen Vertreibung von Polen und Deutschen nach Westen nicht möglich gewesen sei. Man habe dieses ganze Geschehen damals leider kaum verarbeiten können in Polen. Dies habe sich aber nach 1989 schrittweise gewandelt, so dass man heute immer besser darüber historisch informiert sei. Allerdings werde die Vertreibung der Deutschen in Polen weiter mit einem gewissen Zwiespalt betrachtet in dem Sinn, dass hier zwar Deutsche Opfer geworden seien, aber vorher nicht wenige der Deutschen eben auch Täter gewesen seien. Zudem nehme man in Polen deutliche Defizite bei den Deutschen bezüglich der Kenntnis der polnischen Geschichte und des polnischen Schicksals im Zweiten Weltkrieg und danach wahr, auch was die Entscheidung und politische Verantwortung für die Vertreibungen nach dem Kriege angehe.

 

Die Redebeiträge von Erika Steinbach und Kazimierz Wóycicki, der Träger sowohl des Bundesverdienstkreuzes wie eines hohen polnischen Ordens ist, gaben Anlass zu regen Nachfragen und Anmerkungen der rund 70 Teilnehmer, die gerade auch aus dem Bereich der Vertriebenen kamen. Eigene Erfahrungen und Erinnerungen wurden beigetragen, aber im Sinne eines Miteinanders und nicht eines Gegeneinanders der Erinnerung. Eine erstaunlich positive Entwicklung, zumal wenn man die harten Konfrontationen und Friktionen im geschichtspolitischen Bereich vor Augen hat, die vor nicht allzulanger Zeit noch den Ton vorgaben in diesen Fragen. So verwies Stiftungsdirektor Prof. Manfred Kittel auf die bemerkenswerte Schlagzeile in der linksalternativen Zeitung taz: Die geschichtspolitische Front weiche auf. Der - mit Max Frisch sogenannte - "ungeheure Gewinn" im Westen für Polen, der für Deutschland zugleich einen "ungeheuren Verlust" darstellte, könne jetzt als bedeutende Spur deutscher und auch polnischer Geschichte wissenschaftlich museal verfolgt werden. Erinnerungshistorisch sei damit ein großer Schritt getan, der bis vor kurzen noch als eine Quadratur des Kreises oder als Operation am offenen Herzen gegolten habe.

 

Das Konzept des neuen Zentrums nehme das 20. Jahrhundert insgesamt in den Blick beginnend mit der Urkatastrophe des Ersten Weltkriegs. Die Dauerausstellung solle durch regelmäßige Wechselausstellungen, die aktuelle Entwicklungen behandeln, aber auch einzelne historische Aspekte vertiefen, ergänzt werden. Auch Elemtente von sogenannten „Heimatstuben“ mit lokal-historischen Gegenständen sollten im Museum exemplarisch präsentiert werden. Zudem solle die deutsche Täter- und Opfer-Geschichte in angemessener Form dargestellt werden. Dazu sei die Einbettung der Vertreibung der Deutschen aus Ostmitteleuropa, was nicht nur Polen, sondern auch Russland, Tschechien, Ungarn und andere Länder betrifft, in den historischen Kontext des Zweiten Weltkrieges wichtig. Hitler habe diesbezüglich die Büchse der Pandora geöffnet. Die Vertriebenen hätten dafür nach den vielen Toten des Weltkriegs auf deutscher Seite den höchsten Preis zahlen müssen. Diese von Deutschland selbst angestoßene Katastrophe solle im Gedächtnis der Deutschen auch durch das Stiftungsprojekt einen zentralen Platz einnehmen.

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