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Armut im Schwellenland Chile

de Tina Sattler

Die Kluft zwischen Arm und Reich

Die Umfrage Encuesta de Caracterización Socio Económica (Casen) 2003 brachte durchaus gute Neuigkeiten: Die Armut in Chile ist gesunken, 173.000 Personen konnten durch gemeinsame Anstrengungen von der Regierung bis hin zu kleinen Nicht-Regierungs-Organisationen (NGOs) ihre wirtschaftlich prekäre Lage verbessern. Grund zum Jubeln gibt es trotzdem wenig: Immer noch leben fast 3 Millionen Chilenen in Armut – und «Klassismus», gesellschaftliche Barrieren sowie Vorurteile verhindern die Festigung sozialer Integration, ein wichtiger Pfeiler der demokratischen Gesellschaft.

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Armut und soziale Ungleichheit sind zwei verschiedene Stiefel, aber sie gehören zum gleichen Paar – und das drückt die Gesellschaft gewaltig.

Ein gemeinsamer Nenner für Armut ist nicht leicht zu finden: Als «arm» gelten nach der gängigen internationalen Definition Menschen, deren Einkommen so niedrig liegt, dass sie ihre Grundbedürfnisse nicht befriedigen können. Gemäß der Klassifizierung, der u.a. die CEPAL folgt, leben die Personen in Armut, deren Einkommen nicht für zwei festgelegte «Einkaufskörbe» mit der Mindestmenge an Grundlebensmitteln ausreicht, bei extremer Armut reicht es noch nicht einmal für einen dieser Körbe.

In Chile liegt die Armutslinie bei 43.712 Pesos monatlich pro Person in der Stadt und bei 29.473 Pesos auf dem Land. Extreme Armut bedeutet in der Stadt ein monatliches Einkommen von 21.856 Pesos pro Person, das heißt 728 Pesos täglich, und auf dem Land 16.842 Pesos. Von diesem Minimalbetrag oder weniger leben heute 728.400 Chilenen.

Damit ist die extreme Armut in Chile zwischen 1987 und 2003 von ca. 17,4 auf 4,7 Prozent zurückgegangen. Die allgemeine Armutsrate ist in den letzten zwei Jahrzehnten im Zuge des wirtschaftlichen Aufschwungs von rund 39 auf 18,8 Prozent gesunken.

Ein großer Erfolg, doch der Champagner bleibt besser im Kühlschrank, denn 3 Millionen Chilenen leben immer noch in Armut. Und die Gefahr, in die Armut abzurutschen, durch Krankheit oder Arbeitslosigkeit wieder unter die gerade überwundene Linie abzustürzen, ist hoch, wie eine Studie des Instituto Libertad y Desarrollo mit Mideplan und der Universidad de Chile ergab.

Dagegen anzugehen, ist nicht nur ein Gebot der Ethik: Armut und soziale Ungleichheit produzieren gesellschaftliche Spannungen, welche die Entwicklung des Landes hemmen können.

Dabei ist der Begriff «Ungleichheit» schwer zu greifen: Er umfasst nicht nur die Verteilung von Einkommen und Vermögen innerhalb der Gesellschaft, sondern auch «schleichende» Parameter, die kaum zu messen sind. Dazu gehören neben der Ungleichheit von Chancen vor allem der soziale Ausschluss, Vorurteile, Abfälligkeit und Respektlosigkeit gegenüber wirtschaftlich schwächer gestellten Personen. «Die Armen sind an ihrer Situation selbst schuld, weil sie faul, dumm und schmutzig sind», könnte man die Haltung fast der Hälfte der Chilenen gemäß den Ergebnissen der Studie Intolerancia y discriminación 2000 der Fundación Ideas und der Universidad de Chile zusammenfassen.

«Chile ist ein klassistisches Land, in denen die diskriminatorischen Praktiken als legitim und richtig gelten», erklärt der Wissenschaftler und Journalist Patricio Navia. Dieses soziale «System» der Diskriminierung stützen alle, vom Chef, der seine Angestellten weniger nach Leistung als nach Herkunft beurteilt, bis zur Hausangestellten, die auf den Schuhputzer hinabblickt. Die Haltung hat dabei gravierende Folgen: Immer noch scheinen die eigenen Fähigkeiten und Erfolge weniger zu wiegen, als der familiäre Hintergrund und das schafft soziale Barrieren, die Chile am Aufstieg in die «erste Liga» hindern.

So hat zum Beispiel die Studie Clasismo discriminación y meritocracia en el mercado laboral de Chile der Ökonomen Javier Núñez und Roberto Gutiérrez von der Universidad de Chile ergeben, dass sich bei Ingenieuren gleicher Qualifikation die Löhne je nach sozialem Hintergrund um bis zu 35 Prozent unterscheiden. Ein schlechter Schulabgänger der Oberschicht wird später vermutlich ca. 15 Prozent mehr verdienen, als ein exzellenter Schüler aus bescheidener Herkunft. Die Kluft, die sich aufgrund der Herkunft zwischen den Chilenen auftut, ist damit zwei- oder dreimal so groß wie auf Ethnie oder Geschlecht gestützte Breschen im internationalen Vergleich.

Der Studie Elites en el año 2000 von Lucía Santa Cruz von der Universidad Adolfo Ibáñez zufolge hat der Klassismus im Vergleich zu den 50er Jahren allerdings abgenommen. Ein Zeichen des Fortschritts: Während viele Entwicklungsländer die Trennung der gesellschaftlichen Schichten fast als «gottgegeben» wahrnehmen, tritt der Klassismus als Problem hierzulande auch deshalb ins Bewusstsein, weil Chile wirtschaftlich vorangekommen und zum Schwellenland geworden ist.

Die Wahrung der Menschenwürde und die Reduzierung der Ungleichheit sind dabei keineswegs eine ideologische «Gleichmacherei», sondern Voraussetzung für ein würdiges Leben für alle. Es geht nicht darum, dass keiner mehr «Kuchen essen» darf, damit alle Brot haben, sondern um die Tatsache, dass alle mindestens Brot haben, ohne schiefe Blicke auf diejenigen, die aufgrund besserer Erziehung, eigener Leistung oder auch einfach aus Glück «Kuchen essen» können, erklärt Agustín Squella in El Mercurio.

Damit stellen sich jedoch auch neue Aufgaben: Um die Ungleichheit nachhaltig zu reduzieren und das von Mideplan gesetzte Ziel einer Gesamtarmutsrate von 15 Prozent bis 2006 zu erreichen, ist es vor allem notwendig, das Humankapital zu pflegen. Konkret bedeutet das Bildung, Gesundheit und Respekt für alle. Auch Maßnahmen zur Einbindung der Frauen in den Arbeitsmarkt, wie zum Beispiel die Flexibilisierung der Arbeitszeit, helfen, die Ungleichheit zu senken.

Gerade in einer globalisierten Welt ist diese Politik wichtig, damit Chile internationale Standards erreichen und weiter ein Vorreiter der Demokratie und Stabilität in Lateinamerika sein kann.

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