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Chile vor entscheidenden Urnengängen - steht das Land vor einem Regierungswechsel?

de Dr. Helmut Wittelsbürger

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Chile vor entscheidenden Urnengängen –

steht das Land vor einem Regierungswechsel?

Politische und sozioökonomische Rahmenbedingungen

Seit 1990 wird Chile wieder demokratisch regiert. Nach 17 Jahren Militärherrschaft konnte das Land an seine republikanische Tradition anknüpfen. Der chilenische Systemwechsel wurde entscheidend von christlich demokratischen Politikern beeinflußt und gestaltet. Die Regierung von General Pinochet (73-90) hatte in einer Verfassung, die 1980 von der Mehrheit der chilenischen Bürger in einem Volksentscheid angenommen wurde, den Fahrplan für den Übergang zu demokratischen Organisationsformen der chilenischen Gesellschaft festgelegt und vorgegeben. So stand 1988 beim Plebiszit die Frage zur Abstimmung, ob das Land unter General Pinochet für weitere 8 Jahre regiert werden soll, oder ob die Chilenen ihre Regierung durch freie allgemeine und geheime Wahlen demokratisch bestimmen wollen. Die Bevölkerung konnte lediglich auf den ersten Teil der Frage mit Ja oder Nein stimmen. Die Verfassung sah vor, daß bei einer Mehrheit für das Nein binnen Jahresfrist freie Präsidentschafts- und Parlamentswahlen stattfinden sollten. Das Ergebnis fiel mit 54 % zu 43 % (3 % ungültige Stimmen) relativ knapp gegen die Militärregierung aus.

Aus den ersten Wahlen vom Dezember 89 ging das Parteienbündnis aus christlichen Demokraten, Sozialisten und Sozialdemokraten als Sieger hervor. Patricio Aylwin, der sich bereits im Vorfeld des Plebiszits als Protagonist einer Zusammenführung der demokratischen Kräfte der Mitte und den Linksparteien zur „Concertación por la Democracia“ hervorgetan hatte, wurde erster demokratisch gewählter und legitimierter Staatspräsident nach der Militärherrschaft.

Maßgeblich für die bisher beibehaltene Teilung des chilenischen Parteiensystems in zwei Blöcke (konservativ- liberal- nationale Parteien: UDI und RN zur Alianza por Chile – Mitte und Mitte-Links Parteien: PDC, PPD, PS, PRSD zur Concertación) ist das mit Verfassungsrang verabschiedete binominale Wahlrecht, das die Militärregierung 1987 dem Land aufzwang. Bei allen demokratischen Wahlen vor der Machtergreifung der Militärs 1973 bildete sich das pluralistische Spektrum der chilenischen Gesellschaft mit je einem Drittel konservativ-liberal-nationaler Präferenzen, einem Drittel politische Mitte -die die christlichen Demokraten besetzten- und einem Drittel linke gesellschaftliche Ordnungsvorstellungen heraus. Das Wahlrecht sieht vor, daß in den 19 Senatoren- und den 60 Abgeordnetenwahlkreisen jeweils zwei Mandate vergeben werden, wobei jede Partei bzw. Listenverbindung nur jeweils maximal zwei Kandidaten aufstellen darf (binominal). Für die Verteilung der Mandate gilt grundsätzlich das Mehrheitswahlrecht. Da aber nur zwei Mandate vergeben werden, genügt ein Drittel der Stimmen für den Gewinn des zweiten Mandats. Mit 30 % der gültigen Stimmen kann die Hälfte aller Parlamentssitze erreicht werden. Diese Bestimmungen wurden ganz auf die Bedürfnisse der die Politik der Militärregierung seinerzeit befürwortenden Parteien zugeschnitten (UDI und RN).

Auch deswegen gehört es zur politischen Kultur im demokratischen Chile, daß die vier Regierungsparteien die Opposition nach wie vor despektierlich als „Rechte“ bezeichnen. Mehr als der Renovación Nacional haftet der Unión Demócrata Independiente – viele ihrer Vertreter waren mit dem Militärregime verbandelt – das Image einer Pinochet verherrlichenden Vergangenheits-interpretation an. So ist die chilenische Gesellschaft – zwar mit abnehmender Tendenz – nach wie vor in der Frage der Bewertung über die Zeit der Militärregierung gespalten. Für die eine Hälfte der Bevölkerung überwiegen die für Chiles erfolgreiche Entwicklung nach 1990 entscheidenden vorangegangenen Weichenstellungen in der Wirtschafts- und Finanzpolitik; die andere Hälfte verbindet Repression, Menschenrechtsverletzungen und Gesinnungsschnüffel mit der Zeit vor 1990 und unterstellt dieses Gedankengut der jetzigen Opposition im Lande. So stehen sich zwei nahezu gleich große Meinungsblöcke innerhalb der chilenischen Gesellschaft unversöhnlich gegenüber. Eine dringende Aufarbeitung der jüngsten Geschichte findet nur in Ansätzen statt. Solange der langjährige Staatspräsident General Pinochet noch lebt und die der endgültigen Aufklärung der Verbrechen entgegenstehenden Verfassungsnormen in Kraft sind, wird eine allgemein akzeptierte historische Bewertung der 17 jährigen Militärherrschaft nicht möglich sein.

Trotz Demokratiedefiziten herausragende Performance

Viele Versuche der demokratischen Regierungen seit 1990, eine verfassungsändernde Mehrheit von Drei Fünfteln in den beiden Kammern des Parlaments zu organisieren, sind bisher an der Blockade der Opposition gescheitert. Politische Beobachter streiten daher darüber, ob der Übergang zur Demokratie in Chile abgeschlossen sei. Gemessen an Standards demokratisch repräsentativer parlamentarischer Systeme aus Europa, sind Defizite der demokratischen Entwicklung auszumachen. Dennoch kann das Land mit Stolz auf seine demokratiepolitischen Erfolge verweisen. Chile gilt heute innerhalb der lateinamerikanischen Region als Hort der Stabilität und als Musterland für „good governance“. So betont der US-amerikanische Botschafter bei öffentlichen Auftritten, er habe nicht den geringsten Zweifel, daß Chile 2010 -200 Jahre nach der Unabhängigkeit von Spanien- den Anschluß an die untere Gruppe der Industrieländer geschafft haben werde.

Legt man die Vorgaben der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion zugrunde, erfüllt Chile schon seit mehreren Jahren in Folge alle Maatricht-Kriterien. Auch bei der Arbeitslosigkeit, die mit ca. 9 % der arbeitsfähigen Bevölkerung im EU-Durchschnitt liegt, ist in den letzten Jahren eine kontinuierliche Besserung eingetreten, allerdings mit großen regionalen Schwankungen. Das Wirtschaftswachstum lag mit 3,5 % in 2003 über dem Durchschnitt der Länder der Region. Für das laufende Jahr wird mit 4,5 % bis 5 % realem Anstieg des BIP gerechnet.

Besonders stolz dürfen die christdemokratischen Präsidenten Patricio Aylwin und Eduardo Frei Ruiz-Tagle sowie das sozialistische Staatsoberhaupt Ricardo Lagos, der eher seine Politik als sozialdemokratisch klassifiziert, beim Abbau der Armut im Lande sein (Halbierung in 14 Jahren).

Sorgen bereitet die nach wie vor sehr ungleiche Einkommens- und Vermögensverteilung, die Chancengleichheit und Startgerechtigkeit breiter Bevölkerungsschichten erschwert sowie soziale Mobilität behindert. Entscheidend für Chile ist daher neben einer modernen Sozialpolitik eine an den Notwendigkeiten der Globalisierung ausgerichtete Bildungs- und Berufsausbildungspolitik, sowie eine stärkere staatliche Förderung von Forschungs- und Entwicklungsausgaben, mit dem Ziel, die Produktivität der chilenischen Wirtschaft und öffentlichen Verwaltung zu erhöhen, um im Wettbewerb der internationalen Arbeitsteilung auch künftig bestehen zu können.

Das chilenische Parteiensystem

Die chilenischen Parteien haben nur in Ansätzen die Notwendigkeit erkannt, sich programmatisch weiterzuentwickeln und Anworten auf die künftigen Herausforderungen des Landes zu geben. Dies gilt für die Opposition weniger als für die die Regierung tragenden vier Parteien.

Renovación Nacional (RN) und Unión Democráta Independiente (UDI) arbeiten seit längerem über ihre ihnen nahestehenden Bildungs- und Forschungseinrichtungen an einem Grundsatz- und Regierungsprogramm für die nächsten Jahrzehnte. Die beiden im Oppositionsblock „Alianza por Chile“ zusammenarbeitenden Parteien bekennen sich darin zur präsidentiellen Demokratie Chiles, stehen in wirtschafts- und sozialpolitischen Fragen –ihrer neoliberalen Tradition folgend- für einen Abbau staatlicher Bürokratie, für unternehmerische Freiheit, für eine effizientere Sozialausgabenpolitik des Staates und für die Schaffung von Arbeitsplätzen durch Wirtschaftswachstum. Sie treten für größere Anstrengungen im Bereich der inneren und äußeren Sicherheit ein, für eine Fortsetzung der erfolgreichen chilenischen Außenwirtschaftspolitik durch Exportförderung und Diversifizierung der Exportproduktpalette und für eine unversöhnlichere Außenpolitik in den Konfliktfeldern gegenüber den chilenischen Nachbarn Argentinien, Bolivien und Peru. In Fragen der Abtreibung, des Scheidungsrechtes, der Pille danach, der Rolle der Frau, der gleichgeschlechtlichen Partnerschaften, nehmen sie eine wertkonservative Haltung ein. Weniger Bedeutung messen die Oppositionsparteien –allerdings mit graduellen Unterschieden- den weichen Themen wie Umwelt, gender-issues, Mittelstandsfragen, Minderheitenschutz, Menschenrechten, etc. bei. So betonte Staatspräsident Ricardo Lagos in einem vielbeachteten Interview, die beiden Oppositionsparteien seien nach 14 Jahren parlamentarischer Übung und legislativer Zusammenarbeit den demokratischen Spielregeln des Landes verpflichtet und in der Lage, die Regierungsgeschäfte nach den Wahlen im Dezember 2005 zu übernehmen. Er hoffe zwar auf eine vierte Concertations-Regierung; die Befürchtungen vieler vor einem Machtwechsel seien jedoch übersteigert. Sicherlich verlautbarte er dies nicht nur aus staatspolitischen Gesichtspunkten.

Von den sozialdemokratisch/sozialistischen Regierungsparteien (PPD, PS und PRSD) gehen zur Zeit nämlich kaum Anstöße für ihre programmatische Erneuerung und eine Modernisierung des Landes aus. Nach 14 Jahren Regierungsbeteiligung und – verantwortung scheinen ihre Spitzenpolitiker in der Tagesaktualität befangen. Zu sehr ist ihr Selbstverständnis von althergebrachten Gleichheitsidealen geprägt, die durch Umverteilung über staatliche Bürokratien verwirklicht werden sollen. Der große Wurf für Antworten auf die nur in Ansätzen stattfindende Debatte innerhalb dieses Lagers über die Positionierung des Landes unter den veränderten weltwirtschaftlichen und weltpolitischen Rahmenbedingungen ist bisher ausgeblieben. Daran ändert nichts die staatsmännische Führung der dritten Concertations-Regierung durch ihren Präsidenten, der auch in diesem Jahr durch seinen Bericht zur Lage der Nation treffend analysiert und richtige Schlußfolgerungen für künftige Politik gezogen hat. Allerdings vermuten viele, das Staatsoberhaupt wolle bei den übernächsten Präsidentschaftswahlen erneut antreten. Ricardo Lagos Chancen wären im Falle einer vierten Concertations-Regierung geringer als nach einer dazwischen liegenden Legislaturperiode, die von der jetzigen Opposition gestaltet, angeführt und verantwortet wird.

Die chilenischen Christdemokraten

Die 1957 gegründete christlich demokratische Partei Chiles (PDC) hat sich um ihr Land verdient gemacht. Unter ihrer ersten Regierung 1965-1970 wurde eine sozialreformerische Politik mit ihrem Präsidenten Frei Montalva umgesetzt, die Grundlagen für die erfolgreiche gesellschaftliche Modernisierung Chiles legten. Während der Militärregierung waren es vor allem christliche Demokraten, die durch ihr mutiges Eintreten für Menschenrechte, Rechtsstaat und Demokratie die demokratische Opposition zusammenführten, an vorderster Stelle sich für das „No“ beim Plebiszit 88 einsetzten und verdienstvoll dem Land ab 1990 Bürgerrechte und eine freiheitlich-demokratische Organisation zurückgaben. Seit 1965 waren die christlichen Demokraten bei allen Urnengängen stets stärkste politische Kraft. Aus ihren Reihen erneuerte sich ständig die politische Elite des Landes. Von gut ausgebildeten Männern und Frauen der chilenischen Christdemokratie gingen immer wieder Anstöße und reformerische Ideen für die gesellschaftliche Gestaltung im Lande aus. Die politische Debatte wurde von christlichen Demokraten maßgeblich bestritten und angeführt. Männer und Frauen aus allen gesellschaftlichen Schichten des Landes fühlten sich von christdemokratischen Politikentwürfen angesprochen. Im Laufe der neunziger Jahre verlor die Partei diese Protagonistenrolle.

Ihr Waterloo erlebte der PDC bei den Parlamentswahlen 2001. Die Partei verlor 14 Abgeordnetensitze sowie mehrere Senatorenposten und mußte ihre Stellung als stärkste politische Kraft an die UDI abtreten.

Über die Gründe für diese Entwicklung gibt es zahlreiche Erklärungsversuche. Die jetzige Parteiführung, die im Januar 2002 nach der Wahlniederlage gewählt und seitdem die Geschicke der Partei lenkt, sieht die Regierungszusammenarbeit mit den Parteien des linken politischen Spektrums in Form der Concertation als wesentliche Ursache für den Wählerschwund an. Durch die täglich notwendigen Kompromiße und Zugeständnisse gegenüber den Koalitionsparteien habe der PDC eigenständiges Profil eingebüßt. Der Wähler könne nicht mehr erkennen, wofür die Partei stehe und was die christlichen Demokraten von den anderen drei Regierungsparteien unterscheide. Der PDC habe durch die Zweiteilung des Parteiensystems die politische Mitte verloren. Sozialisten und Sozialdemokraten bewegten sich zunehmend durch eine moderate konzeptionelle Ausrichtung nach dem Vorbild von „Giddens Drittem Weg“ ähnlich in Richtung politischer Mitte wie Renovación Nacional und Unión Demócrata Independiente als Alianza por Chile sich von extremen Positionen distanzierten und bürgerliche Politikangebote für die aufstrebende untere Mittelschicht in Chile formulierten. Dies treibe den PDC in eine „Sandwich Position“, bei der die Gefahr bestehe, nicht mehr als politische Mitte im Lande wahrgenommen zu werden. Dem gelte es entgegenzutreten durch eine Abgrenzung christlich demokratischer Politik gegenüber links und rechts. Der PDC sei immer eine politische Kraft der Mitte gewesen. Dies müsse künftig wieder stärker verdeutlicht werden.

Untersuchungen über Wählerwanderungen stützen diese These. Seit 1990 hat der PDC rund 1 Mio. Stimmen verloren. Über die Hälfte ( 60 %) ist zur UDI und RN abgewandert. Etwas weniger als die andere Hälfte (30 %) verteilt sich auf die Linksparteien PS, PPD und PRSD sowie auf ungültige (Nulos) und unentschiedene (Blancos) Stimmabgaben (10 %).

Folgerichtig erklärte der Parteienvorsitzende Adolfo Zaldívar im November 2002, die Concertation sei ein erschöpftes Regierungsmodell. Die chilenische Demokratie bedürfe einer Flexibilisierung des Parteiensystems. Auch Formen einer anderen Zusammenarbeit zwischen den Parteien sollten möglich sein. Diese Äußerungen schlugen wie eine Bombe im Lager der Regierungsparteien ein. Auch innerhalb des PDC formierte sich entschiedener Widerstand. Eine Gruppe von 16 Parlamentariern bildete die sogenannte „Disidencia“ und erteilte dem Kurs von Adolfo Zaldívar eine Absage. Über die Medien begann ein Austausch von Argumenten. Die interne christlich demokratische Gegnerschaft behauptete, zur Concertation gäbe es keine Alternative. Die Bürger würden dem Block der vier Regierungsparteien ihre Stimmen geben. Eine Zusammenarbeit oder gar eine Listenverbindung mit einem Teil der Opposition käme einem Verrat an den Grundsätzen und Prinzipien der bisherigen Regierungspolitik gleich.

Die Pa rteiführung konterte mit dem Argument, daß nur eine eindeutige Positionierung in der politischen Mitte den Wählerschwund für die Partei aufhalten könne. Nur der PDC sei innerhalb der Regierungsparteien in der Lage, die Wählerstimmen, die an die Opposition verloren wurden, zurückzugewinnen. Zu diesem Politikwechsel gehöre eine konsequente Vermittlung der ethischen und moralischen Grundsätze, die den PDC immer ausgezeichnet hätten. Den Regierungsskandalen aus vergangenen Jahren, in die auch christliche Demokraten verwickelt waren, müsse entschiedener durch Parteiausschlüsse entgegengetreten werden. Transparenz und eine Absage an die Einmischung in laufende staatsanwaltschaftliche Ermittlungen durch Einflussnahme der Regierung auf die Justiz seien das Gebot der Stunde. Der Bürger müsse wieder die Gradlinigkeit christlich demokratischer Politik erkennen. Zwischen Worten und Taten dürfe es keine Widersprüche geben.

Die Parteibasis vernahm dies mit Genugtuung. Adolfo Zaldívar, der Generalsekretär der Partei Jaime Mulet, sowie andere Spitzenpolitiker aus der Reihen der neuen Parteiführung, bereisten mehrmals alle Regionen des Landes, suchten das direkte Gespräch mit der Basis, erklärten den Kurswechsel der Partei, gaben Organisationhilfen für Orts- und Regionalverbandsvorsitzende, motivierten die Mitglieder zu neuem politischen Engagement und trugen entscheidend zur Wiederherstellung der Organisationsstruktur der Partei bis in die kleinsten Gemeindeverbände bei.

So ist der PDC heute gut aufgestellt. In den 342 Gemeinden des Landes finden sich funktionierende Parteistrukturen. Bei Antritt der neuen Führung im Januar 2002 waren nur 90 Ortsverbände arbeitsfähig. Hier liegt der große Verdienst von Adolfo Zaldívar mit seiner Führungsmannschaft. Ein Ruck ist durch den PDC gegangen.

Mit zwiespältigen Gefühlen beobachtete die abtrünnige Gruppe der Partei diese Entwicklung. Das Mandat des Parteivorsitzenden lief im Januar 2004 aus. Adolfo Zaldívar erklärte seine Bereitschaft, für weitere 2 Jahre als Vorsitzender zu kandidieren, forderte aber die „Disidencia“ auf, eine Gegenkandidatenliste für die Vorsitzendenwahl zu präsentieren. Laut Parteistatuten wählt der Parteitag den Vorsitzenden. In den vergangenen Jahren wurde diese Bestimmung geändert. Als Ausnahme gestatteten die Parteigremien die Wahl des Vorsitzenden durch den Parteirat (Junta Nacional). Im Dezember 2003 erklärte Adolfo Zaldívar diese Ausnahmeregelung für obsolet, da die Partei reorganisiert und in allen Ortsverbänden funktionsfähig sei. Die Wahl des Vorsitzenden solle daher wieder –gemäß den Statuten- durch den Parteitag erfolgen.

Die parteiinternen Widersacher, wissend um den Rückhalt, den der Parteivorsitzende an der Basis genießt, fanden sich zur Aufstellung einer Gegenliste nicht bereit. Das Parteigericht beschloss daher, daß bei nur einer Kandidatur eine Wahl nicht nötig sei und verlängerte das Mandat von Adolfo Zaldívar bis 2006.

Im März 2004 traf sich Statutengemäß der nationale Parteirat, um unter anderen den Vorstand der Partei teilweise neu zu bestimmen. Die abtrünnige Gruppe sah hier die Chance, ihre Vertretung in diesem wichtigsten Parteigremium entscheidend zu stärken. Von den 18 neuzuwählenden Vorstandsmitgliedern konnte sie 9 Sitze mit Mehrheit der Delegiertenstimmen erreichen. Ab diesem Zeitpunkt ist es in den Medien über den internen Streit innerhalb der Partei ruhiger geworden. Die abtrünnige Gruppe fühlt sich repräsentiert und kann nunmehr innerparteilich ihre Differenzen austragen. Für Adolfo Zaldívar ist die Führung der Partei schwieriger geworden. Ca. ein Drittel der Landesverbände stehen seinem Parteikurs kritisch gegenüber. Damit ist jedoch ein Stück innerparteilicher Demokratie in den PDC zurückgekehrt.

Präsidentschaftskandidaturen überlagern Parteikurs

Im Dezember 2005 werden in Chile Parlaments- und Präsidentschaftswahlen stattfinden. In nahezu allen Umfragen bescheinigen knapp über die Hälfte der chilenischen Wählerinnen und Wähler dem seit 1999 feststehenden Präsidentschaftskandidaten der Opposition, dem Bürgermeister von Santiago Joaquín Lavín, einen knappen Wahlsieg über die jetzigen Regierungsparteien mit einem noch nicht feststehenden Gegenkandidaten für die Präsidentschaftswahlen.

1999 war Joaquín Lavín Ricardo Lagos knapp unterlegen. Die beiden Parteien der oppositionellen Alianza por Chile hielten aus Mangel an einer zugkräftigeren personellen Alternative an Joaquín Lavín als Kandidat für die nächsten Präsidentschaftswahlen 2005 fest. Über mehrere Jahre Kandidat zu sein, hat nicht nur Vorteile; zumal der sich zum Opus Dei bekennende Oberbürgermeister sich nicht gegenüber einem offiziellen Gegenkandidaten profilieren und reiben kann. Dieser für die Regierungsparteien vermeintliche Vorteil half dem PDC-Vorsitzenden, die Concertationsparteien zu überzeugen, mit der Nominierung eines eigenen Präsidenschaftskandidaten bis nach den Ende Oktober 2004 anberaumten Kommunalwahlen zu warten.

Hinter dieser plausiblen Strategie stehen aber auch persönliche Ambitionen auf das höchste Staatsamt. Adolfo Zaldívar hofft durch ein gutes Abschneiden der Partei bei den Kommunalwahlen, in den Kreis der Präsidentschaftskandidaten aufzurücken. Sollte es ihm gelingen, nicht nur den Abwärtstrend in der Wählergunst für den PDC zu stoppen, sondern auch entscheidende Stimmenzuwächse zu erzielen, rechnet er persönlich mit seiner unausweichlichen Kandidatur. Da ihn aber die linken Parteien aus der Concertation wegen seines Kurses in die politische Mitte und seinem Motto „legt Dich quer – dann bist Du wer“ schwerlich unterstützen werden, braucht Adolfo Zaldívar ein Ergebnis im Oktober, daß den PDC wieder vor der UDI zur stärksten Partei macht und auf die Christdemokraten mehr Stimmen entfallen als auf PPD und PS zusammen. In diesem Fall –so seine Strategie- sei am Wahlabend des 31.10.04 die Präsidentschaftskandidatur von Joaquín Lavín stark beschädigt. Innerhalb der Alianza würden Stimmen laut, ob sich eine vorbehaltlose Unterstützung durch die Mitte Rechts Partei Renovación Nacional des UDI Kandidaten Joaquín Lavín noch rechtfertige. Denn die Alianza bliebe nur so lange zusammen, wie die Wahrscheinlichkeit ihres Kandidaten, nächster Präsident Chiles zu werden, anhalte. Es sei daher möglich, daß bei Erreichen dieses Wahlziels, Teile der Renovación Nacional die Fronten wechseln und in einer Zusammenarbeit mit dem wiedererstarkten PDC größere Vorteile sehen, als an einem beschädigten Kandidaten Joaquín Lavín festzuhalten. In diesem Falle könne Zaldívar dem Land eine neue Option für die Wahlen 2005 anbieten:

eine Koalition der Mitte, die dem traditionellen Wahlverhalten der Chilenen entspreche, mit ihm als Präsidentschaftskandidaten.

Ergebnis der Gemeinderatswahlen entscheidend

Das kommunale Wahlrecht wurde in Chile modifiziert. Die binominalen Bestimmungen gelten nach wie vor für die Bürgermeisterkandidaturen. Der Wähler hat aber beim bevorstehenden Urnengang Ende Oktober zum ersten Mal zwei Stimmen. Eine Stimme für den Bürgermeister (entweder für den Kandidaten der Concertation oder den Kandidaten der Alianza) und eine für die Gemeinderäte, deren Namen mit Parteizugehörigkeit auf einer Liste angekreuzt werden können.

Für die Bestimmung des relativen Kräfteverhältnisses der Parteien untereinander ist das Ergebnis der Wahl der Gemeinderäte daher das entscheidende Beurteilungskriterium. Zum ersten Mal hat der Bürger die Möglichkeit, einer einzelnen Partei bzw. einem klar zuortbaren Kandidaten seine Stimme zu geben.

Die Aufstellung der Listen ist wegen des binominalen Wahlrechtes stets durch einen „Kuhhandel“ zwischen den Parteien aus den beiden Blöcken gekennzeichnet. Bis zum Eintreten der Einschreibungsfrist für die sich zur Wahl stellenden Mandatsanwärter, verhandeln die Parteien aus beiden Lagern untereinander, welcher Partei in welchem Wahlbezirk bzw. in welcher Gemeinde das Recht auf die Aufstellung ihres Kandidaten zusteht. In der Regel führt dies zu nicht unbeträchtlichen Streitereien und Differenzen innerhalb beider Lager, die von den Medien genüßlich kommentiert werden und zum Ansehensverlust der politischen Parteien als demokratische Institutionen in Chile beitragen.

Durch geschickte Verhandlungen innerhalb der vier Concertationsparteien ist es dem Vorsitzenden des PDC und seinem Generalsekretär gelungen, 47 % aller Gemeinderatskandidaten, die der Concertation als Block in den 342 Gemeinden zustehen, benennen zu können. Damit ist die Partei auf Listen in allen Gemeinden des Landes mit mindestens 2 Mandatsanwärtern präsent. Eine vielversprechende Ausgangslage für die Erreichung des von Adolfo Zaldívar angestrebten Wahlziels.

Einigkeit herrscht unter den Regierungsparteien, daß das Ergebnis der Gemeinderatswahlen und damit die Festlegung der relativen Stärke der Concertationsparteien untereinander, Einfluß hat auf das Verfahren, welche der vier die Regierung tragenden Parteien das Recht erhält, den Präsidenschaftskandidaten der Concertation vorzuschlagen.

Obwohl offiziell von Seiten der Regierung betont wird, die Kandidatenfrage für die Präsidentschaftswahlen werde erst nach den Kommunalwahlen beantwortet, ist das Rennen um das höchste Staatsamt in vollem Gange. Aus den Concertationsparteien haben sich bereits sieben Läuferinnen und Läufer auf den Start vorbereitet. Ex Präsident Eduardo Frei Ruiz-Tagle, die amtierende Außenministerin Soledad Alvear, der Wohnungsbauminister und ehemalige Bürgermeister von Santiago Jaime Ravinet und der „Ministerpräsident“ (Intendente) der Hauptstadtregion Marcelo Trivelli, alle aus dem PDC; Senator Fernando Flores sowie Vizepräsident und Innenminister José Miguel Insulza aus dem PPD und die populäre Verteidigungsministerin Michelle Bachelet aus dem PS.

Eine Staatspräsidentin für Chile?

Chilenische Meinungsforschungsinstitute erheben seit Monaten Popularitätswerte von Politikern der Regierungsparteien und Wahlabsichten. Danach liegen konstant Michelle Bachelet knapp vor Soledad Alvear. Abgeschlagen finden sich auf den unteren Plätzen ex Präsident Eduardo Frei, Jaime Ravinet und Marcelo Trivelli. Ähnliches gilt für die beiden PPD Aspiranten Insulza und Flores. Über eine Option für den Vorsitzenden des PDC, Senator Adolfo Zaldívar finden sich zahlreiche Mutmaßungen und Kommentare in den chilenischen Medien. Die Meinungsforschungsinstitute führen ihn jedoch noch nicht in den Listen der Popularitätswerte von Spitzenpolitikern.

Schon beim letzten Präsidentschaftswahlkampf 1999 setzten die beiden Oppositionsparteien auf den Machtwechsel, indem sie diese Notwendigkeit in den Mittelpunkt ihrer Wahlkampfstrategie stellten. Dies wird aller Voraussicht auch 2005 die wichtigste Wahlbotschaft der Alianza por Chile sein. Mit dem Motto („wählt den Wechsel“) hofft man, die eigenen Wähler zu mobilisieren.

Die Concertationsparteien haben diese Herausforderung erkannt. Sie greifen den Wunsch nach einem Wechsel auf und betonen Chile sei reif für eine Frau an der Spitze des Staates. Durch geschickte Propaganda sind die Chilenen nach anfänglich zögerlicher Zurückhaltung mittlerweile mehrheitlich der Meinung, eine Politikerin könne zum ersten Mal Staatspräsident werden.

Im direkten Vergleich der Wahlabsichten liegt Joaquín Lavín weiterhin knapp vor der amtierenden Verteidigungsministerin Michelle Bachelet. Etwas größer fällt der Unterschied zwischen dem Präsidentschaftskandidaten der Opposition und der chilenischen Außenministerin aus. Für den Fall einer männlichen Kandidatur sehen die Untersuchungen zur Jahresmitte 2004 den jetzigen Bürgermeister von Santiago als nächsten Staatspräsidenten. Wenn nächsten Sonntag Wahlen wären schlüge Joaquín Lavín alle möglichen erfaßten männlichen Gegenkandidaten deutlich.

Die wichtigsten Tageszeitungen im Lande, die überwiegend dem Oppositionslager nahestehen, promovieren die sozialistische Verteidigungsministerin als wahrscheinlichste Gegenkandidatin aus den Reihen der Regierungsparteien. Dies macht aus Sicht ihrer Redaktionen Sinn. Michelle Bachelet hat eine militant extrem linke Vergangenheit. Als eine der führenden politischen Köpfe des Movimiento de Izquierda Revolucionaria (MIR), einer gewaltbereiten kommunistisch unterwanderten Gruppe während der Militärherrschaft, bietet sie dem wertkonservativen Kandidaten der Alianza eine ideale Profilierungsmöglichkeit. Gegenüber ihr kann er sich bestens absetzen, die eigene Wählerschaft ansprechen und die politische Mitte für sich einnehmen.

Die beliebte Außenministerin Soledad Alvear, die durch geschickte Öffentlichkeitsarbeit die Erfolge des Landes bei den Verhandlungen über die wichtigen Freihandelsabkommen mit der EU und den USA auf ihr Konto verbucht, ist in den letzten Monaten wegen der Konflikte mit Bolivien, Argentinien und Peru in die Kritik geraten. Die Opposition –aber auch Außenpolitiker ihrer eigenen Partei- werfen ihrem Ministerium vor, nicht genügend präventive Diplomatie gegenüber Chiles Nachbarn betrieben zu haben. Die alte Forderung Boliviens auf direkten Zugang zum Pazifik, die willkürliche und völkerrechtlichen Verträgen zwischen beiden Ländern widersprechende Kürzung der Gaslieferung aus Argentinien und die unberechtigten Vorwürfe Perus, die chilenischen Militärausgaben stellten eine Bedrohung für die Nachbarländer dar, versucht die Außenministerin durch eine bewundernswerte Reisediplomatie auszuräumen; die Kritik, sie habe sich in den vergangenen Jahren zu wenig um die Beziehung zu den lateinamerikanischen Bruderstaaten gekümmert, wiegt jedoch schwer.

Ex Präsident Eduardo Frei Ruiz-Tagle hat das Handicap eines „déjà vue“. Darüberhinaus hat ihn eine notwendige Genesung nach einem operativen Eingriff in den letzten Wochen aus dem Tritt gebracht. Er will sich nun aber verstärkt in den Kommunalwahlkampf einbringen und hofft, verlorengegangenes Terrain zurückzugewinnen.

Der sehr erfolgreiche Vorgänger von Joaquín Lavín als Bürgermeister von Santiago, amtierender Wohnungsbauminister und einer der führenden christlich demokratischen Politiker im Lande, Jaime Ravinet, gilt für einige politische Beobachter als der geheime Favorit um das Rennen als Präsidentschaftskandidat der Concertation. Ihm fehlt allerdings die Rückendeckung der Partei zumal sich sein anfänglich vertrauensvolles Verhältnis zum PDC-Vorsitzenden mittlerweile abgekühlt hat. Beim „Kuhhandel“, welche der vier Regierungsparteien den Bürgermeisterkandidaten für Santiago Stadt ins Rennen schicken soll, stellte sich Jaime Ravinet hinter den ehemaligen Abgeordneten des PPD, Jorge Schaulsohn und unterstützte nicht den eigenen christlich demokratischen Anwärter auf dieses Amt, den jetzigen „Ministerpräsidenten“ (Intendente) der Region um die Hauptstadt, Marcelo Trivelli.

Der letztere ist tief verletzt, da ihn die Partei bei den Verhandlungen um die Kandidatenaufstellung fallen ließ. Gutaussehend und ausgesprochen medienwirksam führte Marcelo Trivelli alle U mfragen mit großem Abstand an, wen die Bevölkerung gerne als künftigen Bürgermeister von Santiago wählen würde. Aus übergeordneten Gründen und um seiner Strategie näher zu kommen, lenkte der PDC-Vorsitzende bei den Verhandlungen um die Kandidatur des Concertationskandidaten für das Bürgermeisteramt in Santiago ein und ließ Marcelo Trivelli fallen. Als Gegenleistung erzielte er nahezu die Hälfte aller Gemeinderatskandidaten für seine Partei im ganzen Land. Der beliebte „Ministerpräsident“ findet sich mit dieser Entscheidung nicht ab. Eine Einbindung in die Parteidisziplin empfindet er als nicht gerechtfertigt. Als sehr gesuchter Politiker aller Medien, erklärte er daher seinen Anspruch, nächster Präsident Chiles werden zu wollen. Ein Wunsch, den ihm die Partei sicherlich verwehren wird.

Wie wahrscheinlich ist ein Regierungswechsel?

Vor gut einem Jahr gab es innerhalb der Concertationsregierung viele Stimmen, die nicht mehr an eine vierte Legislaturperiode dieses Parteienbündnisses glaubten. Die bestehenden Konflikte zwischen den vier Koalitionsparteien wurden durch den aneckenden Kurs des PDC-Vorsitzenden darüberhinaus verschärft. Viele weniger gut informierte Bürgerinnen und Bürger des Landes brachten die Christdemokraten als wichtigste Regierungspartei eher mit der Opposition in Zusammenhang.

Der Kinderschändungsskandal, ein Netzwerk von Pädofilen, in das angeblich auch Politiker verwickelt sind, trug zum Ansehensverlust der größten Oppositionspartei, der UDI, bei. Über Monate hielten sich Vermutungen in den Medien über eine Beteiligung von Parlamentariern aus ihren Reihen. Eine Abgeordnete der Renovación Nacional hatte den Stein des Anstoßes ins Wasser geworfen, indem sie Senatoren der UDI und PDC öffentlich verdächtigte, an diesen kriminellen Machenschaften beteiligt zu sein. Dies löste einen Streit zwischen RN und UDI aus, der fast die Alianza gespalten hätte. Hinzutraten die Differenzen über die Aufstellung der Bürgermeister- und Gemeinderatskandidaten. Eine nur als autoritär zu bezeichnende Intervention von Joaquín Lavín verhinderte Schlimmeres. Er setzte kurzerhand die beiden Vorsitzenden der Allianzparteien ab. Ein in demokratischen Systemen ungewöhnlicher Vorfall. Gewählte Parteivorsitzende unterwerfen sich dem Diktat eines zwar für 2005 nominierten Präsidentschaftskandidaten beider Parteien, der aber außer einer einfachen Mitgliedschaft in der UDI keinerlei legitime Parteifunktionen bekleidet.

Auf eine deutliche Verbesserung der wirtschaftlichen Lage und deren Aussichten können die Chilenen hoffen. Für das laufende Jahr rechnet die Regierung mit einem Wirtschaftswachstum um die 5 %. Gute Botschaften über einen Haushaltsüberschuß 2004 machen die Runde. Eine durch das Leistungsfähigkeitsprinzip der Besteuerung zu rechtfertigende Wertschöpfungsabgabe für Bergbaubetriebe wird voraussichtlich noch vor den Präsidentschaftswahlen in Kraft treten und zusätzliche Mittel u. a. für die Finanzierung der ehrgeizigen Sozialprogramme den öffentlichen Kassen zuführen. Durch die enorme Nachfrage nach Kupfer hat sich der Weltmarktpreis in 2004 um ca. 80 % erhöht. Da die chilenischen Streitkräfte an den Umsatzerlösen der staatlichen Kupfergesellschaft mit 10 % beteiligt sind, ist auch der Druck auf die Regierung, zusätzliche Mittel für Luftwaffe, Heer und Marine bereitzustellen, etwas geringer geworden. Die mit Stolz veröffentlichten Beurteilungen internationaler privater Ratingagenturen über das chilenische Länderrisiko und über die Positionierung des Landes bei der Messung internationaler Standards sowie positive Stellungnahmen von Währungsfonds, Weltbank, PNUD und OECD über die solide Finanz- und Wirtschaftspolitik mit ihren bemerkenswerten sozialpolitischen Erfolgen, trugen in den vergangenen Monaten entscheidend zu einen Anstieg des Ansehens in der Bevölkerung der chilenischen Concertationsregierung bei.

So ist es zur Jahresmitte 2004 nicht auszuschließen, daß die kommenden Oktoberwahlen für die Regierung zu einem Erfolg werden. Deren Ergebnis hätte dann auch entscheidenden Einfluß auf den Ausgang der Parlaments- und Präsidentschaftswahlen 2005.

Für den letzteren und für das Land entscheidenderen Urnengang ist neben dem Umfeld und der Stimmung für die Regierung auch die Kandidatenfrage für das Amt des Staatspräsidenten von hohem Gewicht.

An einem Wiedererstarken der Christdemokraten müssen alle Regierungsparteien Interesse haben. Ein Stimmenzuwachs für die Concertation kann nur aus den Wählerschichten der politischen Mitte stammen. Dem PS gelingt es vielleicht einige Prozentpunkte der kommunistischen Partei abzuringen und damit die Concertation zu stärken. Ihre charismatische Vorsitzende, Gladys Marín, ist seit Monaten schwer erkrankt und hat sich –auch aus Gründen der politischen Propaganda- im angeblich so fortschrittlichen Gesundheitssystem Kubas behandeln und operieren lassen. Der PPD tritt in Konkurrenz zum PDC bei Wählern aus dem Segment Links der politischen Mitte.

Differenziert ist die Interessenlage innerhalb der christlich demokratischen Partei. Mit Argwohn betrachten Spitzenpolitiker und die sich formierenden Anhänger und Hilfstruppen der bereits herausgebildeten Prekandidaten, die Strategie ihres Parteivorsitzenden. Alvear, Frei, Ravinet und Trivelli wollen Präsidentschaftskandidaten einer zusammenbleibenden Concertation werden. Zaldívar könnte nur kandidieren, wenn ihn Teile der jetzigen Opposition stärken und unterstützen. Dies wäre das Ende der Concertation und die Prekandidaten wären um ihre Präsidentschaftsambitionen gebracht.

Daher ist von dieser Gruppe nur eine lasche Unterstützung des kommunalen Wahlkampfes und insbesondere für die christlich demokratischen Mandatsanwärter zu erwarten. Den Prekandidaten wäre ein Ergebnis lieb, daß den Abwärtstrend in der Wählergunst für den PDC stoppt, aber nicht genügend Zugewinn erbringt, um Zaldivars Strategie umsetzen zu können.

Aus dem eindeutig der Opposition zuneigenden Unternehmerlager mehren sich Stimmen, die die Interessen der Wirtschaft unter einer Regierung aus Kräften der politischen Mitte besser gewahrt sehen als unter einer Führung mit Joaquín Lavín und der UDI. Bei der Einheitsgewerkschaft CUT haben sich Spaltungstendenzen durchgesetzt. Unter christdemokratischer Führung gründete sich eine wirtschaftsfreundlichere und mit den Arbeitgebern dialogfähigere neue Arbeitnehmerzentrale.

Es ist Mitte 2004 noch zu früh, um sich auf ein mögliches Entwicklungsmodell des chilenischen Parteiensystems für die Wahlen 2005 festzulegen. Abzuwarten bleibt das Ergebnis der Vieles entscheidenden Bürgermeister- und Gemeinderatswahlen von Ende Oktober 04. Ob es Adolfo Zaldívar gelingt, seine ehrgeizigen Wahlziele zu erreichen und selbst Kandidat eines Parteienbündnisses der politischen Mitte zu werden ist -zumindest nach den Untersuchungen der Meinungsforschungsinstitute über Wahlabsichten und Parteipräferenzen- eher unwahrscheinlich.

Wahrscheinlicher ist aber, daß die Concertation als Block bestehen bleibt und 2005 mit einem gemeinsamen Kandidaten erneut gegen Lavín und die Allianzparteien antritt. Staatspräsident Lagos vermutet in diesem Falle ein noch knapperes Ergebnis als 1999. Die Concertationsparteien wären aber in diesem Szenario gut beraten, einen Kandidaten zu küren, der Wählerstimmen aus dem pluralistischen Zentrumssegment der Gesellschaft anspricht. Diese Person kann eher aus den Reihen der christlichen Demokraten als aus den linken Parteien der Concertation entstammen. Adolfo Zaldívar wäre daher klug, nach einem Ergebnis bei den Kommunalwahlen von Oktober, wenn dieses ihn nicht in die Lage versetzt, eigene Ambitionen zu realisieren, einen Schulterschluß mit Soledad Alvear zu suchen. Die chilenische Politik bleibt spannend.

Santiago Ende Juni 04

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