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Chilenische Oppositionsparteien benennen zweiten Kandidaten für die Präsidentschaftswahlen im Dezember 2005

de Dr. Helmut Wittelsbürger

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Vor dem Hintergrund der sich verschlechternden Umfrageergebnisse für den Herausforde-rer Joaquín Lavín, Präsidentschaftskandidat der oppositionellen Alianza por Chile bei den bevorstehenden chilenischen Präsidentschaftswahlen, bestätigten sich monatelange Ge-rüchte, die Mitte Rechts Partei (Renovación Nacional) als Partner der national- rechtskon-servativen Unión Demócrata Independiente (UDI), stehe nicht mehr geschlossen hinter dem gemeinsamen Kandidaten der Allianz (Joaquín Lavín).

In der Nacht von Samstag, dem 14. Mai, votierten über 70 % der Delegierten auf einem Parteitag der RN für Sebastián Piñera als eigenständige Präsidialoption der Partei. Die Befürworter der Unterstützung einer einzigen Präsidentschaftskandidatur der Allianz ha-ben damit eine herbe Niederlage erfahren.

Sebastián Piñera, einer der erfolgreichsten chilenischen Unternehmer mit Kapitalanteilen an der Fluggesellschaft LAN, privaten Fernsehsendern, Weingütern, Ländereien, Berg-baubetrieben, etc. hatte sich mit seinen Gefolgsleuten beim Plebiszit 88 für das No gegen Pinochet eingesetzt. Seine Eltern und andere Familienmitglieder sind und waren aktive christliche Demokraten. Er gilt als ehrgeizig, machtbewußt, überaus intelligent, dynamisch und als workalcolic. Sein Vermögen wird auf 1 Mrd. USD geschätzt. Laut chilenischer De-moskopie gehört er zu denjenigen Politikern, von denen ein wichtigere Rolle künftig ge-wünscht wird.

Kandidatenkarussell kommt in Bewegung

Die aus vier Parteien bestehende Regierungskoalition (Concertacion) hat bereits seit Wo-chen das Verfahren für die Wahl einer gemeinsamen Präsidentschaftskandidatin ent-schieden. Bis zum 31. Juli, an dem alle wahlberechtigten Chileninnen und Chilenen (mit Ausnahme der Mitglieder der beiden Oppositionsparteien RN und UDI) zwischen Michelle Bachelet (als Kandidatin des Linksblockes aus PS, PPD und PRSD) und Soledad Alvear (Kandidatin der christlichen Demokraten) bei einem Urnengang entscheiden sollen, wer-den die beiden Aspirantinnen u. a. durch 11 Fernsehduelle ihre Vorstellungen und Politik-konzepte der interessierten Öffentlichkeit vermitteln. Wöchentlich werden Meinungsfor-schungsergebnisse veröffentlicht. Frau Alvear liegt weiterhin abgeschlagen hinter Frau Bachelet. Stimmen aus den eigenen Reihen raten daher der DC-Kandidatin vor diesen Umfragergebnissen zur vorzeitigen Aufgabe. Dem widersetzt sich Soledad Alvear heftig.

Obwohl Joaquín Lavín „Primarias“ auch in der Alianza fordert, wird sich der neugekürte interne Gegner aller Voraussicht nicht auf ähnliche Verfahren zur Bestimmung eines ein-heitlichen Kandidat der Allianz einlassen. Sein Interesse wird sein, mit zwei Kandidaten in das Präsidentschaftsrennen zu ziehen. Sein Kalkül dabei ist, daß sich Michelle Bachelet am 31.07. eindeutig gegen Soledad Alvear durchsetzt und die Concertacion mit einer ge-meinsamen Kandidatin antritt. Wegen ihres eindeutigen Linksprofils erhofft sich Piñera bei drei Präsidentschaftskandidaten in den zweiten Wahlgang zu kommen. Er muß damit rechnen, daß überwiegend christlich demokratische Wähler ihm ihre Stimme geben, da er die politische Mitte gegenüber dem Rechtsaußen Lavín und der Linksaußen Bachelet be-setzen kann.

Die Concertación ist vor diesen neuen Gegebenheiten in einem schwierigen Dilemma.

Entweder sie verzichtet auf die anberaumten und entschiedenen Verfahren der Vorwahlen am 31.07. und tritt ebenfalls mit zwei Kandidatinnen im Dezember an, oder eine der bei-den Kandidatinnen tritt freiwillig vor dem 31.07. zurück. Sollten die Präsidentschaftswahlen im Dezember mit vier Kandidaten bestritten werden, ist es zumindest unsicher, daß Sole-dad Alvear in den zweiten Wahlgang kommt. Christlich demokratische Stimmen würden sich zwischen Soledad Alvear und Sebastián Piñera aufteilen.

Der Linksblock innerhalb der Concertacion wird nicht bereit sein, auf seine populäre Kan-didatin zu verzichten. Ein freiwilliger Rückzug aus dem Kandidatenrennen von Frau Ba-chelet ist unwahrscheinlich. Möglich wäre lediglich ein Rückzug beider Kandidatinnen mit dem Argument, die politische Situation habe sich grundlegend geändert. In diesem Fall müsste die Concertacion ein neuen Konsenskandidaten küren. Dies könnte nur Präsident Ricardo Lagos sein. Die zur Abstimmung im Parlament anstehenden Verfassungsände-rungen sehen jedoch keine direkte Wiederwahl des Staatspräsidenten vor. Für eine Aus-nahmeregelung fehlen der Concertacion die dafür notwendigen 3/5 der Stimmen.

Im chilenischen Parlament werden in dieser Woche die anstehenden Verfassungsrefor-men debattiert. Bisher war im Konsens eine Veränderung des für die Blockbildung der Parteien ursächlichen binominalen Wahlrechts ausgeschlossen. Erste Reaktion von weit-sichtigen Politikern aus den Reihen der Concertacion fordern Renovación Nacional auf, ihre Abgeordneten und Senatoren von einer Reform des Wahlrechtes noch vor dem Ur-nengang im Dezember anzuhalten. In ersten Interviews des gekrönten RN-Spitzenkandidaten, schließt Sebastián Piñera einen Schulterschluß seiner Partei mit den Volksvertretern der Concertacion, die seit Jahren das Wahlrecht durch mehr proportionale Elemente reformieren wollen, nicht mehr aus. Gutunterrichtete Beobachter der Allianz-Parteien verneinen diese Möglichkeit, da Herr Piñera zu wenig Einfluß auf das Abstim-mungsverhalten der RN-Parlamentarier besitze.

Eine Änderung des Wahlrechtes würde neue Bündnisse des chilenischen Parteiensystems ermöglichen. Die Frage ist, ob vor oder nach den Präsidentschaftswahlen in Chile sich eine neue politische Gruppierung des Zentrums herausbilden kann. Piñera hat dabei das Heft des Handelns und die erste Handlungsoption. Die christlichen Demokraten sind durch Absprachen und unterschriebene Vereinbarungen nach wie vor an ihre linken Partner ge-bunden. Abzuwarten bleibt, wie, wann und ob es der jetzigen PDC-Parteiführung gelingt, aus dem bisherigen Bündnis auszuscheren ohne eine Spaltung der Partei zu riskieren. Das chilenische Parteiensystem kommt in Bewegung.

Santiago im Mai 2005

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