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Erneute Kabinettsumbildung in Chile – verpasste Gelegenheit für einen Neuanfang

de Dr. Helmut Wittelsbürger
Am 28. Februar kam es zu der erwarteten Kabinettsumbildung innerhalb der Concertaciónsregierung unter dem sozialistischen Präsidenten Ricardo Lagos. Sieben Minister mussten zurücktreten. Bereits mehrmals in seiner dreijährigen Präsidentschaft nahm Lagos Änderungen in der Zusammensetzung seiner Regierungsmannschaft vor. Die letzte Kabinettsumbildung datiert vom 7. Januar 2002.

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Hintergründe

Das Jahr 2002 war geprägt durch innenpolitischen Stillstand, Bestechungsskandale und Korruption. Um einen weiteren Ansehensverlust der Regierung zu vermeiden, erfolgte der Austausch von Ministern und Staatssekretären nach der Hälfte der sechsjährigen Regierungszeit. Der Präsident setzte den 11. März als spätmöglichsten Termin für die Bekanntgabe fest. Dass dieser Stichtag vorgezogen wurde, hatte nach Auffassung politischer Beobachter mit dem für die Sozialistische Partei wichtigen Strategietreffen am 1. März zu tun. Der sozialistische Innenminister, der nahezu die Kompetenzen eines Ministerpräsidenten besitzt, wurde im Vorfeld der Kabinettsumbildung als möglicher Kandidat für den Vorsitz seiner Partei gehandelt. Insulza setzte sich durch und verblieb im Kabinett. Dementsprechend zufrieden war man aus den Kreisen der PS über das Entgegenkommen von Präsident Lagos.

In den chilenischen Medien wurde in den Wochen vor der Kabinettsumbildung viel über den wachsenden Einfluss des im Januar 2002 zum Parteivorsitzenden der chilenischen Christdemokraten gewählten Adolfo Zaldívar berichtet. Der charismatische Parteipräsident hat den Christdemokraten ein neues Selbstwertgefühl gegeben, das ihre Anhänger nach der Schlappe bei den Parlamentswahlen im Dezember 2001 so dringend brauchten. In diesem Zusammenhang sind auch seine Äußerungen zu verstehen, dass das christdemokratische Profil innerhalb der Concertación wieder stärker verdeutlicht werden müsse. In mehreren Gesprächen mit dem Staatspräsidenten bekräftigte Adolfo Zaldívar den Wunsch nach mehr Berücksichtigung seiner DC innerhalb der Regierung und bei wichtigen politischen Entscheidungen. Aus diesem Grund wurden die Unterredungen - die letzte fand am Tag vor der Kabinettsumbildung statt - als Bewährungsprobe verstanden, inwieweit die Forderungen Zaldívars durchgesetzt werden konnten.

Im Vorfeld der Neubesetzung wurde bekannt, dass die Christdemokraten das Amt des Leiters der staatlichen Entwicklungsbehörde, in der die finanziellen Mittel der regionalen und lokalen Regierungen verwaltet und politische Entscheidungen auf regionaler Ebene getroffen werden, beanspruchten. Weitere Forderungen waren die Einrichtung eines Staatssekretariats für kleine und mittlere Unternehmen und die Übernahme der Leitung des staatlichen Amts für Sport durch einen Christdemokraten. Beide Forderungen wurden vom Staatspräsidenten nicht erfüllt.

Die sieben neuen Minister der Concertación

Im Präsidialamt und im Gesundheitsministerium wurden beide christdemokratische Minister aus den eigenen Reihen ersetzt. Dem studierten Politikwissenschaftler Mario Fernández wurde vorgehalten, als Leiter des Präsidialamts nicht genügend Initiativen zur Verabschiedung von Regierungsprojekten im Parlament auf den Weg gebracht zu haben. Auch wegen der nicht immer reibungslosen Kommunikation mit seiner eigenen Partei wurde er kritisiert. An seine Stelle tritt der 59-jährige Jurist Francisco Huenchumilla, in dessen Händen es liegt, die Beziehungen zur Legislative wieder zu verbessern. Als Abkömmling der Mapuche, der größten chilenischen autochthonen Bevölkerung, wird ihm zugetraut, auf die immer wieder auftretenden Konflikte mit den indigenen Bevölkerungsgruppen mäßigend zu wirken.

Dem bisherigen Gesundheitsminister Osvaldo Artaza ist es nicht gelungen, die strukturellen Probleme im Gesundheitswesen entschieden genug anzupacken. Dem neuen Gesundheitsminister Pedro García, bisheriger Leiter des staatlichen Gesundheitsamtes, obliegt es nun, die erforderlichen Reformen voranzubringen. Lagos hatte ihm gleich zu Beginn seiner Ernennung eine Frist von drei Monaten zur Ausarbeitung neuer Reformansätze gesetzt.

Im Amt des Regierungssprechers erfolgte ein interner Wechsel aus den Reihen der sozialdemokratischen PPD. Auf Heraldo Muñoz, dessen unangenehme Aufgabe es war, die dürftigen politischen Ergebnisse des letzten Jahres zu verkünden, folgt das jüngste Kabinettmitglied Francisco Vidal als Nachfolger. Seine bisherige Funktion war die des Staatssekretärs bei der staatlichen Entwicklungsbehörde. Ihm wird ein besonders guter Draht zum Präsidenten nachgesagt, andererseits zählt er zu Zaldívars entschiedensten politischen Gegnern.

Eine Überraschung gab es im Justizministerium. Der 67-jährige Jurist Luis Bates Hidalgo gilt, als ehemaliger Vorsitzender des Verteidigungsrates und der chilenischen Außenstelle der Organisation Transparencia Internacional, als ein Saubermann im Kampf gegen die Korruption. Als Parteiunabhängiger wurde er Nachfolger für den unglücklich agierenden José Antonio Gómez von der radikalen sozialdemokratischen PRSD. Diesem wurde die Nähe zu einem der Protagonisten im Bestechungsskandal zum Verhängnis. Luis Bates Aufgabe besteht unter anderem in der rückhaltslosen Aufklärung der jüngsten Korruptionsfälle und in der Reform des Strafrechts.

Bei der Christdemokratin Mariana Aylwin, Tochter des ehemaligen Präsidenten Patricio Aylwin, wurde bemängelt, als Erziehungsministerin die Interessenskonflikte im Bildungsbereich nicht entschieden genug entschärft und politisch unklug gehandelt zu haben. Nachfolger wird der Ex-Senator der I. Region und ehemalige Vorsitzende der sozialdemokratischen PPD, Sergio Bitar Chacra. Für viele gilt der profilierte Politiker als Hoffnungsträger in diesem Ressort.

Andrés Palma von den Christdemokraten wird neuer Planungsminister. Ihm kommt die gewaltige Aufgabe zu, das Starprojekt der Regierung Lagos „Solidarisches Chile“ zu realisieren, dessen Ziel die Armutsbekämpfung und deren Ausrottung bis 2006 ist.

Schließlich erfolgte ein Wechsel für das im Range eines Staatssekretariats stehende Amt für nationale Angelegenheiten und Frauen. Die Parteiunabhängige Cecilia Pérez ersetzt Adriana Delpiano von der PPD, die ihrerseits den wichtigen Posten als Leiterin der staatlichen Entwicklungsbehörde erhalten hat.

Zusammenfassend ergibt sich in der neuen Kabinettsliste folgende parteienpolitische Verteilung bei den Ministern:

  • DC - 6
  • PPD - 4
  • PS - 3
  • PRSD - 1
  • Parteiunabhängig - 2
Gemäss den Koalitionsverträgen der Concertación dürfen Minister und Staatssekretäre eines Ressorts nicht der gleichen Partei angehören. Dementsprechend kam es nach der Kabinettsumbildung auf Ministerebene zu Änderungen bei den Staatssekretären. Die Christdemokraten bekommen ein Staatssekretariat im Präsidialamt und wechseln den bisherigen Staatssekretär aus ihren Reihen, der Präsidialamtminister wurde, durch einen anderen Christdemokraten aus. Im Präsidialamt erfolgte darüber hinaus ein Wechsel innerhalb der Sozialistischen Partei PS, die radikale PRSD erhielt als Ausgleich für den Verlust des Justizministers einen Staatssekretär beim staatlichen Amt für Sport. Ins Erziehungsministerium wechselte die bisherige Staatssekretärin für soziale Sicherungssysteme Frau Maria Adriadna Hornkohl.

Bewertung

Die abermalige Neubesetzung im Kabinett wird in den chilenischen Medien als Nichterreichung der Forderungen des Vorsitzenden der Christdemokraten gewertet. Eine genauere Analyse lässt jedoch ein differenziertes Ergebnis zu. Die DC unter ihrem Vorsitzenden Adolfo Zaldívar konnte zwar nicht die Anzahl ihrer Minister in der Regierung erhöhen; sie hat aber einmal mehr ihren Führungsanspruch als stärkste Partei der Concertación untermauert. Präsident Lagos scheint verstanden zu haben, dass ohne eine intensive Zusammenarbeit mit der DC zukünftige Kompromisslösungen schwer zu erreichen sein werden. Aufgrund ihrer insgesamt nicht erfüllten Erwartungen werden die Christdemokraten zwar eine konstruktive Mitarbeit nicht verweigern, gleichzeitig aber fühlen sie sich bestärkt, das eigene Profil deutlicher als in den letzten drei Jahren innerhalb der Concertación hervorzuheben. Die Strategie des kritischen, aber nicht destruktiven Dialoges bleibt weiterhin Bestandteil ihrer öffentlichen Verlautbarungen.

Lagos hat nicht den tiefgreifenden Wechsel vorgenommen, den er noch vor Monaten angekündigt hatte. Stattdessen fand eine Umbildung statt, die aus parteitaktischen Gründen in der Concertación durchsetzbar war. Die Bestätigung des langjährigen Kabinettsmitglieds José Miguel Insulza im Innenministerium wird vor allem von den Oppositionsparteien in der „Alianza por Chile“ als Zeichen der Halbherzigkeit für einen Neuanfang gewertet.

Der Präsident spricht mit Blick auf den erfolgten Kabinettswechsel nicht von einem Kurswechsel, was mitunter als Scheitern der bisherigen ersten Hälfte verstanden werden könnte. Vielmehr nennt er die Umbildung eine Anpassung an die derzeitige politische Lage.

Kabinettsliste der chilenischen Regierung unter Staatspräsident Ricardo Lagos

(ab 28. Februar 2003)

  • Innenministerium - José Miguel Insulza (PS)
  • Regierungssprecher - Francisco Vidal (PPD)
  • Präsidialamt - Francisco Huenchumilla (DC)
  • Finanzministerium - Nicolás Eyzaguirre (PPD)
  • Außenministerium - Soledad Alvear (DC)
  • Ministerium für Wirtschaft und Energie - Jorge Rodriguez Grossi (DC)
  • Verteidigungsministerium - Michelle Bachelet (PS)
  • Bergbauministerium - Alfonso Dulanto (Unabh.)
  • Erziehungsministerium - Sergio Bitar Chacra (PPD)
  • Gesundheitsministerium - Pedro García (DC)
  • Justizministerium - Luis Bates Hidalgo (Unabh.)
  • Ministerium für öffentliche Bauten, Transport und Telekomunikation - Javier Etcheberry (PPD)
  • Arbeitsministerium - Ricardo Solari (PS)
  • Planungsministerium - Andrés Palma (DC)
  • Landwirtschaftministerium - Jaime Campos(PRSD)
  • Ministerium für Wohnbau und nationale Güter - Jaime Ravinet (DC)

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