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Reportajes internacionales

Michelle Bachelets Kabinett steht

de Reinhard Willig, Dr. Manuel Paulus, Alexandra Paulus

Noch vor der Urteilsverkündung des IGH im Grenzkonflikt mit Peru stellte die wiedergewählte Präsidentin ihr Kabinett vor

In der künftigen Regierung von Michelle Bachelet finden sich viele neue Gesichter. Neun der insgesamt 23 ernannten Minister sind Frauen. Hauptaufgabe ist die Umsetzung des bereits im Oktober vorgestellten Maßnahmenplans für die ersten 100 Tage, in dem neben einer Steuer- und Wahlrechtsreform die Themen Soziales, Bildung und Gesundheit überwiegen. Die Entscheidung über die Zusammensetzung des Kabinetts ist aufgrund der Präsidialverfassung exklusive Kompetenz der Präsidentin und wurde in einem sehr engen Beraterkreis und nicht in erster Linie nach Parteienproporz getroffen.

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Nach dem deutlichen Sieg bei den Präsidentschaftswahlen im Dezember stellte die künftige Staatspräsidentin am 24. Januar 2014 in einer mit Spannung erwarteten Pressekonferenz ihr neues Kabinett vor. Die Ministerposten wurden von Bachelet in einem kleinen Beraterkreis zusammengestellt und die Kandidaten nur wenige Stunden vor der Ernennung in Kenntnis gesetzt. Dabei hat die Präsidentin zwar den Kontakt zu den Parteiführungen des Regierungsbündnisses Nueva Mayoría (Neue Mehrheit) gesucht, diese jedoch nicht in die Entscheidungsfindung eingebunden. Von 23 Ministern haben nur zwei Kandidaten bereits in früheren Regierungen ein Ministeramt bekleidet. Damit setzt die designierte Präsidentin ihr Versprechen um, eine Regierung mit neuen Gesichtern zu bilden.

Das Kabinett spiegelt nur annähernd die Kräfteverhältnisse der Parteien in der Regierung wieder. Am stärksten vertreten ist die Partei für die Demokratie (PPD) mit sechs Ministern. Die Christdemokratische Partei (PDC) entsendet fünf Personen an den Kabinettstisch (plus die PDC-nahe Javiera Blanco Suárez) und Bachelets Sozialistische Partei (PS) wird ebenfalls fünf Ministerien erhalten. Die Kommunistische Partei (PC) hat keines der politisch relevanten Ministerien erhalten, sondern kann mit der nicht im Ministerrang stehenden Zuständigkeit für Frauenangelegenheiten allenfalls eine symbolische Aufwertung verbuchen.

Im Vergleich zur ersten Regierung Bachelet sind die etablierten Parteien PDC und PS etwas schwächer vertreten, wobei die zentralen Ministerien allerdings recht gleichmäßig verteilt sind. Von 23 Ministern sind neun weiblich, die große Mehrheit ist unter 50 Jahre alt.

Die neuen Minister

Besondere Bedeutung kommt dem neuen Außenminister Heraldo Muñoz (PPD) zu, der im Namen der künftigen Regierung auf das Urteil im Grenzstreit mit dem Nachbarland Peru reagieren muss (siehe unten). Unter Präsident Ricardo Lagos war er bereits Innenminister und anschließend chilenischer Botschafter bei der Organisation Amerikanischer Staaten (OEA) und den Vereinten Nationen, wo er u.a. Positionen eines stellv. Generalsekretärs und Direktors für Lateinamerika des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen (PNUD) ausübte. Seine Ernennung erfolgte wohl auch mit Blick darauf, dass Chile für zwei Jahre als nicht-ständiges Mitglied in den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen einzog.

Im gleichen Zusammenhang ist die Besetzung des Verteidigungsressorts mit dem christdemokratischen Abgeordneten Jorge Burgos zu sehen, die als beruhigendes Signal im Grenzkonflikt mit Peru interpretiert werden kann. Weitere Vertreter der Christdemokratischen Partei (PDC) sind als neuer Wirtschaftsminister der politisch bislang wenig hervorgetretene Wirtschaftsexperte Luis Felipe Céspedes, der in der ersten Regierung Bachelet als Berater im Finanzministerium und später bei der Zentralbank sowie beim Internationalen Währungsfonds (IWF) tätig war. Größte Überraschung der Regierungsbildung, auch für die PDC selbst, ist Ximena Rincón. Die frisch wiedergewählte Senatorin wird ihr Amt niederlegen müssen, um ab dem 11. März als Staatsministerin das Präsidialamt zu leiten und die Amtsgeschäfte der Präsidentin zu koordinieren. In ihrer Hand wird die parlamentarische Absicherung der angekündigten Reformen – vor allem der Verfassungsreform – liegen. Außerdem wurden noch die Ministerien für Öffentliche Investitionen mit Senator Alberto Undurraga und Umwelt mit dem Nachwuchspolitiker Pablo Badenier mit Vertretern der PDC besetzt. Das Arbeitsministerium wird zukünftig von der bereits erwähnten PDC-nahen, aber unabhängigen Ministerin Javiera Blanco Suárez geleitet.

Damit verfügt die PDC als stärkste Kraft der Regierungskoalition Nueva Mayoría über zentrale politische Positionen im Kabinett der designierten Präsidentin Bachelet, ähnlich wie in ihrer ersten Amtszeit, als die PDC sieben Minister stellte. Mit Ausnahme von Ximena Rincón gehören die ernannten PDC-Minister parteiintern der pragmatischen Strömung der „Principes“ um den ehemaligen Präsidenten Eduardo Frei und dem gegenwärtigen Parteivorsitzenden Ignacio Walker an.

Die gesellschaftspolitisch konfliktivsten Themen werden die Minister der Partei für die Demokratie (PPD) von Ex-Präsident Ricardo Lagos verantworten müssen. Neben dem bereits erwähnten Außenministerium unter Heraldo Muñoz werden für die PPD der ehemalige Mitarbeiter des IWF Nicolás Eyzaguirre in das Bildungsministerium, Rodrigo Peñallillo in das Ministerium für Inneres und öffentliche Sicherheit, Helia Molina in das Gesundheitsministerium und Maria Paulina Saball in das Ministerium für Wohnungsbau einziehen. Das Transportministerium führt künftig Andres Gómez-Lobo.

Die Sozialistische Partei (PS) ist zahlenmäßig stärker im Kabinett vertreten, als es ihre parlamentarische Vertretung erwarten ließe, und wurde zudem bei drei zentralen Regierungsbereichen berücksichtigt. Das Finanzministerium übernimmt der engste Vertraute und Leiter von Bachelets Wahlkampfteam, der Wirtschaftsprofessor Alberto Arenas. Sozialministerin wird María Fernanda Villegas, Landswirtschaftsminister wird Carlos Furche, das Energie-ministerium übernimmt Máximo Pacheco Matte und Regierungssprecher im Range eines Staatsministers wird Álvaro Elizalde.

Für die Radikal-Sozialdemokratische Partei (PRSD) übernimmt ihr Parteivorsitzender José António Gómez das Justizministerium und Aurora Williams das Bergbauministerium.

Für die Bewegung zum Sozialismus (MAS) wird Natalia Riffo das Sportministerium übernehmen. Die Bürgerliche Linke (IC) wird mit Victor Osorio im Ministerium für Staatlichen Besitz vertreten sein.

Die Nominierungen zeichnen sich in erster Linie dadurch aus, dass es sich vor allem um neue und junge Gesichter handelt, womit die Präsidentin den Erneuerungsprozess der politischen Klasse befördern möchte. Dies war einer der zentralen Kritikpunkte der Demonstrationen der vergangenen Jahre.

Die ersten politischen Reaktionen auf die Zusammensetzung des Kabinetts sind überwiegend positiv. Betont wurden das ausgeglichene Verhältnis zwischen erfahrenen ehemaligen Ministern und Kongressvertretern in Schlüsselpositionen und Vertretern des politischen Nachwuchses sowie die Bedeutung der breiten Berücksichtigung der politischen Kräfte der Regierungskoalition für die politische Stabilität des Kabinetts. Negativ wurde demgegenüber angemerkt, dass es Michelle Bachelet entgegen ihres Versprechens nicht gelang, die Kabinettsposten paritätisch mit Frauen zu besetzen. Durch die Ernennung der Vizeminister am 28. Januar wurde dies nicht verbessert. Es wurden 21 Männer und nur 9 Frauen für die Stellvertreterposten nominiert. Jedoch ist bei den Nominierungen eine Nachjustierung hinsichtlich des Parteienproporzes vorgenommen worden. Wichtigste Nominierung hier ist Edgardo Riveros (DC), der Staatssekretär im Außenministerium werden wird.

Angesichts der Schwerpunkte der zukünftigen Regierung werden der Außenminister (Umsetzung des Urteils zum Seegrenzkonflikt, regionale Integration), der Bildungsminister (Bildungsreform), der Finanzminister (Steuerreform), die Präsidialamtsministerin (Verfassungsreform), das Energieministerium (zunehmende Probleme der Energieversorgung) sowie der Innenminister (soziale Konflikte) hervorgehoben. Hingewiesen wird auch auf die große Erwartungshaltung bezüglich der angekündigten Reformmaßnahmen der neuen Regierung. Die aus den Wahlen geschwächt hervorgegangene Opposition aus den beiden Mitte-Rechts-Parteien Nationale Erneuerung (RN) und Unabhängige Demokratische Union (UDI) haben bereits politischen Widerstand gegen die Reformvorhaben der Regierung angekündigt.

Themen für die ersten 100 Tage

Als wichtigste Themen für die ersten 100 Tage benannte Michelle Bachelet die Abschaffung des binominalen Wahlrechtes, die Verbesserung der Situation in den Krankenhäusern, eine Reform des Arbeitsrechtes, den Naturschutz und die Dezentralisierung. Auch einen neuen Verfassungsentwurf möchte die Präsidentin noch 2014 verabschieden lassen. Außerdem hat sie im Wahlkampf einen Plan mit 50 Maßnahmen für die ersten 100 Tage ihrer neuen Regierung vorgestellt, auf den die neuen Minister nun eingeschworen werden sollen.

Auswirkungen auf die Zeit nach Den Haag

Die Vorstellung des neuen Kabinetts war vorgezogen worden, da am Montag, den 27. Januar 2014, ein für Chile überaus wichtiges Urteil des Gerichtes in Den Haag zum Seegrenzstreit mit dem Nachbarland Peru verkündet wurde. Die neue Regierung muss nun das Urteil umsetzen und dabei versuchen, die Beziehungen zu Peru wieder zu verbessern, die aufgrund der nationalistischen Töne der vergangenen Wochen etwas angespannt waren.

2008 hatte Peru ein Verfahren beim Internationalen Gerichtshof (IGH) in Den Haag eingeleitet, um die Seegrenze zwischen beiden Staaten festlegen zu lassen. Gegenstand der Auseinandersetzung waren rivalisierende Ansprüche auf Hoheitsgewässer. Grund sind die Geographie der Pazifikküste und die Auslegung der bestehenden vertraglichen Regelungen seitens beider Staaten. Aus dem Urteil ergeben sich in erster Linie ökonomische Konsequenzen für die Fischerei, wobei der Grenzkonflikt in den letzten Wochen darüber hinaus in beiden Ländern eine nationalistische Aufwertung erfahren und starke Emotionen hervorgerufen hat.

Das Urteil wurde um 11 Uhr chilenischer Zeit verkündet und vielerorts öffentlich auf Großleinwänden übertragen. Anschließend nahmen gemäß einer Verabredung die beiden Staatspräsidenten Stellung zum Urteil und stellten sodann eine rasche Umsetzung in Aussicht. Diese wird im chilenischen Fall jedoch von der Nachfolgeregierung umgesetzt werden müssen. Die Verkündung des Urteils war ursprünglich bereits für Mai 2013 geplant, wurde jedoch wegen der chilenischen Wahlen mehrfach verschoben. Sebastian Piñera sprach sich vor seiner Rede mit Michelle Bachelet ab, die sich jedoch ebenfalls in einer kurzen Stellungnahme zu Wort meldete.

Vereidigung am 11. März 2014

Die Vereidigung der neuen Regierung findet am 11. März 2014 vor dem Kongressgebäude in Valparaíso statt. Ende dieser Woche sollen auch die weiteren politischen Posten der neuen Regierung (Botschafter und Bürgermeister) der Öffentlichkeit vorgestellt und in der Folge eine reibungslose Amtsübergabe in Angriff genommen werden.

Zur Amtseinführung im März werden Staatsgäste aus aller Welt erwartet, wobei dem Zusammentreffen mit dem peruanischen Amtskollegen eine besondere Bedeutung zukommt. Eine geplante Reise zum CELAC-Gipfel in Havanna (27. und 28. Januar 2014) haben Bachelet und Piñera zunächst abgesagt, kurz nach der Urteilsverkündung sind sie aber doch nach Kuba aufgebrochen. Dies kann als Zeichen interpretiert werden, dass Bachelet in ihrer zweiten Amtszeit vorhat, einen stärkeren Schwerpunkt auf die Außenbeziehungen Chiles zu legen.

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