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Die Menschenrechte in der verwaltungsrechtlichen Praxis

Internationaler Moot-Court-Wettbewerb Lateinamerika

Der Rechtsstaat braucht rechtspolitisch sensibilisierte Juristen. Eine theorielastige Juristenausbildung gibt es nicht nur an lateinamerikanischen Rechtsfakultäten.

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Der Bericht fürs iPad

Der Mangel an einem praxisorientierten Unterricht trägt in vielen lateinamerikanischen Ländern aber in besonderem Maße dazu bei, dass die Kluft zwischen Rechtsanspruch und wirklichkeit und damit auch das mangelnde Vertrauen der Bürger in Recht und Justiz weiter wächst. Denn die meisten Rechtsfakultäten bereiten ihre Studierenden weder auf die Lösung praktischer Fälle vor noch auf die Techniken zur Berücksichtigung rechtsstaatlicher Standards, insbesondere der Grundrechte, bei der Anwendung einfachen Gesetzesrechts.

Der Rechtsstaat braucht rechtspolitisch sensibilisierte Juristen Eine theorielastige Juristenausbildung ist kein Unikum lateinamerikanischer Rechtsfakultäten. Der Mangel an einem praxisorientierten Unterricht trägt in vielen lateinamerikanischen Ländern aber in besonderem Maße dazu bei, dass die Kluft zwischen Rechtsanspruch und wirklichkeit und damit auch das mangelnde Vertrauen der Bürger in Recht und Justiz weiter wächst. Denn die meisten Rechtsfakultäten bereiten ihre Studierenden weder auf die Lösung praktischer Fälle vor noch auf die Techniken zur Berücksichtigung rechtsstaatlicher Standards, insbesondere der Grundrechte, bei der Anwendung einfachen Gesetzesrechts.

Mit den vom Rechtsstaatsprogramm Lateinamerika der Konrad-Adenauer-Stiftung ins Leben gerufenen lateinamerikanischen Expertengruppen wird dieses methodische Defizit verstärkt in Angriff genommen. Die Studiengruppe Rechtspluralismus der KAS führt seit zwei Jahren Workshops mit Richtern und anderen Rechtspraktikern durch, die sich an der Fallmethode orientieren. Dadurch werden den Teilnehmern nicht nur die erforderlichen theoretischen Kenntnisse vermittelt, sondern auch das erforderliche methodische Handwerkszeug, um die Problemstellungen der Praxis zu bewältigen. Das kürzlich veröffentlichte Handbuch Rechtspluralismus verbindet einen in dieser Materie besonders relevanten regionalen, rechtsvergleichenden Ansatz mit der für den Rechtsanwender bedeutenden Orientierung am praktischen Fall.

Mit der Lateinamerikanischen Studiengruppe für Verwaltungsrecht des KAS-Rechtsstaatsprogramms wurde 2011 der regionale Moot-Court-Wettbewerb Die Menschenrechte in der verwaltungsrechtlichen Praxis für Studenten der Rechtswissenschaften ausgeschrieben. An den drei regionalen Vorauswahlen (Mexiko, Zentralamerika, Südamerika) beteiligten sich 17 Teams aus acht lateinamerikanischen Staaten (Mexiko, Nicaragua, Honduras, El Salvador, Peru, Ecuador, Argentinien, Uruguay). Die drei regionalen Gewinner trafen sich im Finale in San José de Costa Rica im Rahmen des alljährlichen Lateinamerikanischen Verfassungsrichtertreffens der KAS, wo sie mit den Verfassungsrichtern und den Richtern des Interamerikanischen Gerichtshofs für Menschenrechte die von ihnen entworfenen Urteile zu den drei Übungsfällen diskutieren konnten.

Ziel des Wettbewerbs ist es, Nachwuchsjuristen ebenso wie Richter und Rechtsanwälte für die Bedeutung der Grundrechte in der Rechtspraxis zu sensibilisieren sowie der

Fallmethode in der Juristenausbildung den Weg zu bereiten.

Der Richter als Garant des Rechtsstaats und der Grundrechte Die Bedeutung des Verwaltungsrechts im demokratischen Rechtsstaat wird oftmals unterschätzt. Dies liegt unter anderem an der traditionell staatslastigen Deutung der Bürger-Staat-Beziehung, welche auch im Zuge der demokratisch-rechtsstaatlichen Reformen der vergangenen Jahrzehnte nicht ausreichend justiert wurde. Das Verständnis des Verwaltungsrechts im Lichte der Grundrechte wird schon in Forschung und Lehre in Lateinamerika kaum hergestellt.

So kann es kaum überraschen, dass die Verfassungen der lateinamerikanischen Staaten –und noch weniger die AMRK– auf das einfache Verwaltungsrecht und damit die verwaltungsrechtliche Praxis ausstrahlt. Dem Verwaltungsrecht und der Verwaltungsgerichtsbarkeit kommt daher im Rechtsstaat ein besonderes Gewicht zu. Hier wird das sensible Verhältnis zwischen Staat und Bürger ausgestaltet und das Verfassungsrecht samt der Grundrechte konkretisiert.

Vor diesem Hintergrund trifft den Verwaltungsrichter in besonderem Maße die rechtsstaatliche Verantwortung, verfassungs- und konventionsrechtliche Standards im Rahmen der Ausübung seines Amtes zu berücksichtigen. Die Anwendung dieser Standards über das einfache Recht hinaus ist in Lateinamerika nicht selbstverständlich. Gerade in Mexiko war sie, anders als etwa in Costa Rica und Kolumbien, bis zur jüngsten Verfassungsreform noch die Ausnahme. Eine grundrechtskonforme Anwendung des einfachen Rechts ist aber nicht nur ein Mandat des Rechts. Sie ist auch Voraussetzung für die Herausbildung einer rechtsstaatlich-demokratischen Kultur. Nur der Bürger, der sich gewiss sein kann, dass der Staat in Verwaltung und Justiz seine Grundrechte achtet, wird die Spielregeln dieses Staates beachten. Und nur in einem allgemein als gerecht empfundenen Gemeinwesen wird sich der Einzelne mit seinem Staat identifizieren, diesen tragen und mitgestalten. Der Rechtsstaat ist insoweit Bedingung für die Demokratie ebenso wie die demokratischen Verfahren erforderlich sind, um die Regeln im Rechtsstaat zu legitimieren.

Der Moot-Court-Wettbewerb als partizipatives Format Diese komplexen Zusammenhänge theoretisch zu erörtern kann dröge sein. Außer den Spezialisten lässt sich in akademischen Foren dafür wohl kaum ein Praktiker und noch weniger der juristische Nachwuchs begeistern, und dies trotz der überragenden Relevanz für einen funktionsfähigen Rechtsstaat. Seit einigen Jahren werden zur Förderung des Interesses für das Völkerrecht studentische Wettbewerbe ausgetragen. Sie simulieren Verfahren internationaler Organisationen, insbesondere Gerichtshöfe, bei denen Studentengruppen die Positionen der Parteien vertreten. Diese Wettbewerbe sind als didaktisches Instrument geeignet, vertiefte Kenntnisse der einschlägigen Fachgebiete sowie analytische und argumentative Fähigkeiten zu fördern.

Ihre starke Konzentration auf die völkerrechtliche Ebene (Verfahren vor den Vereinten Nationen, dem Internationalen Gerichtshof oder dem Internationalen Strafgerichtshof) hält indes ihren innerstaatlichen Nutzen gering. Verfahren etwa vor dem IGH sind die absolute Ausnahme und sie befassen sich in der Regel mit exotischen Streitigkeiten.

Mit dem von der KAS gewählten Wettbewerbsformat ist es aber gelungen, die didaktisch wertvolle Methode auf den innerstaatlichen Kontext zu übertragen. In den meisten Staaten Lateinamerikas spielen die völkerrechtlichen Instrumente zum Schutz der Menschenrechte nämlich eine elementare Rolle. Sie sind oftmals direkt anwendbar und gleichen Defizite der nationalen Verfassungen aus. Die aus dem französischen Recht stammende Lehre des sog. Verfassungsblocks (bloque de constitucionalidad) bringt dies auf den Punkt: Danach haben die völkerrechtlichen Instrumente zum Schutz der Menschenrechte Verfassungsrang. Sie sind vom nationalen Richter in gleicher Weise zu beachten wie die Verfassung. Der völkerrechtliche corpus iuris schließt aber nicht nur die Abkommen selbst ein, sondern auch ihre Auslegung durch die zuständigen Organe; im Fall der Amerikanischen Menschenrechtskonvention (AMRK) also die Rechtsprechung des Interamerikanischen Gerichtshofs für Menschenrechte (IAGMR). Diesem kommt bei der Entwicklung der lateinamerikanischen Demokratien

wachsende Bedeutung zu, weil seine Judikate die Mitgliedstaaten zur effektiven –nicht nur nominalen–

Beachtung dem Menschenrechte verpflichten. Verurteilungen durch den IAGMR möchten die Mitgliedstaaten möglichst vermeiden. Dieses völkerrechtliche Korrektiv ist in der globalisierten Welt immer bedeutsamer. In mehreren Staaten des Kontinents haben internationale Instanzen wie der

IAGMR daher einen wichtigen Beitrag zu Fortschritten bei der Konsolidierung von Rechtsstaat, Demokratie und Menschenrechtsschutz geleistet.

In Mexiko etwa erfolgten jüngste Verfassungsreformen und die Anerkennung staatlichen Unrechts gegenüber den Opfern massiver Grundrechtsverletzungen auch bzw. direkt aufgrund entsprechender Urteile des IAGMR. Andere Staaten, die sich –trotz der freiwilligen Übernahme entsprechender völkerrechtlicher Verpflichtungen– über eine derartige internationale „Einmischung“ entrüsten, unternehmen zumindest den juristisch-argumentativen Versuch, sich diesen Pflichten zu entziehen (siehe das Beispiel Venezuela).

Allerdings gelingt die Integration völkerrechtlicher Standards bislang nur in wenigen Staaten, so etwa in Kolumbien, Costa Rica und Argentinien, vor allem auf höchstrichterlicher Ebene. Weitgehend fehlt es den Rechtsanwendern zum einen am nötigen Fachwissen (was besagt das Recht auf Meinungsfreiheit?), an den handwerklichen Fähigkeiten (wie kann ich mich auf eine völkerrechtliche Norm in ihrer Auslegung durch eine internationale Instanz in meinem Urteil berufen?) und dem nicht zuletzt dem Mut dazu, die innerstaatlichen Gesetze menschenrechtsfreundlich auszulegen oder im Einzelfall wegen Verstoßes gegen eine Grundrecht sogar unangewendet zu lassen (den Richtern drohen disziplinarische Maßnahmen).

Zur Abhilfe des ersten Defizits (mangelnde Fachkenntnis) führt das Rechtsstaatsprogramm seit einigen Jahren in verschiedenen Ländern intensive Fortbildungen zum Interamerikanischen Menschenrechtssystem durch. Darüber hinaus befindet sich ein Praktikerkommentar zur Amerikanischen Menschenrechtskonvention in Arbeit, den ein Autorenteam von mehr als 20 amerikanischen Experten erstellt.

Um die handwerklichen Fähigkeiten und den Mut zur Anwendung grundrechtlicher Standards in der juristischen Praxis zu fördern, hat das Rechtsstaatsprogramm über die genannten Kurse hinaus nun den hier referierten Wettbewerb ins Leben gerufen, im Wesentlichen mit zwei Zielgruppen:dem juristischen Nachwuchs einerseits und der klassischen Zielgruppe der praktizierenden Juristen andererseits (Anwälte, Richter, Staatsanwälte, wissenschaftliche Mitarbeiter an obersten Gerichten, Regierungsbeamte).

Letztere werden hier freilich nicht –wie in den Kursen– als zu Unterrichtende angesprochen, sondern als Jurymitglieder integriert. In der Verhandlungssimulation vor dem Interamerikanischen Gerichtshof nehmen sie die Rolle der Richter des Tribunals ein. Die Studenten verhandeln die von den Mitgliedern der KAS-Studiengruppe Verwaltungsrecht konstruierten Fälle jeweils in der Rolle der Interamerikanischen Menschenrechtskommission und des verklagten Staates. Für das Finale im Rahmen des lateinamerikanischen Verfassungsrichtertreffens, unter Beteiligung des IAGMR, waren die Endrundenteilnehmer dazu aufgerufen, für ihre Fälle einen Urteilsentwurf des IAGMR zu entwerfen und diesen vor der versammelten Richterschaft zu verteidigen.

Die Erfahrungen sowohl in den regionalen Vorausscheidungen als auch im Finale waren beeindruckend.

Die Studenten hatten sich innerhalb eines Monats im Detail in die Fälle und die einschlägige Rechtsprechung des IAGMR eingearbeitet. Die Verknüpfung mit dem nationalen Verwaltungsrecht stellte die Gruppen und ihre Tutoren vor die besondere Aufgabe, die Überformung innerstaatlichen Rechts durch völkerrechtliche Standards herauszuarbeiten.

Die „Tribunale“ der Vorausscheidungen setzten sich in der Regel aus der juristischen Community vor Ort(Verwaltungsrichter, Rechtsanwälte, Universitätsprofessoren für Verwaltungsrecht, Verfassungsrecht und Menschenrechte, Mitarbeiter von Ombudsbehörden) zusammen, ergänzt durch Mitglieder der KAS-Studiengruppe Verwaltungsrecht(insbesondere die Autoren der Fälle) sowie den kolumbianischen Ad-hoc-Richter am IAGMR, Dr. Ernesto Rey Cantor, und andere AMRK-Experten. Die Jurymitglieder lobten die außergewöhnlichen Leistungen der Studenten auf einem materiellrechtlich und methodisch neuartigen Gebiet.

Das Wettbewerbsformat stellte sich als in besonderem Maße geeignet heraus, vielversprechende Nachwuchskräfte an den lateinamerikanischen Universitäten mit praktizierenden Juristen bis in die höchsten Justizpositionen hinein, zusammen zu bringen, um über rechtliche und rechtspolitische Fragen zu diskutieren. Der Wettbewerb verlangt aber umgekehrt auch ein hohes Maß und Vorbereitung und große Sorgfalt bei der Ausarbeitung der Wettbewerbsregeln sowie der Auswahl der Jurymitglieder.

Für ihre wochenlange Vorbereitung (oftmals unter spürbarem Freizeitverzicht!) und das Engagement in der Simulation verlangen die Studenten, ihre Tutoren und Universitäten (welche die Reisekosten ihrer Studenten übernehmen) zurecht eine fehlerfreie Organisation und gerechte Beurteilung durch die Tribunale.

Den teilnehmenden Universitäten gebührt an dieser Stelle Dank für die Unterstützung des Wettbewerbs, insbesondere gilt dies für die gastgebenden Universitäten in Mexiko-Stadt (Instituto Tecnológico Autónomo de México, Organisationsteam um Dr. José Roldán Xopa und ), Tegucigalpa (Organisationsteam um Dr. Héctor Cerrato) und Buenos Aires (Universidad de Buenos Aires, Organisationsteam um Dr. Pedro Aberastury).

Ausblick: Einbindung der Verfassungsgerichte Auch bei der künftigen Durchführung des Wettbewerbs wird die Thematik aus den aktuellen Tätigkeitsfeldern des Rechtsstaatsprogramms gewählt. Dabei sollten Problemfelder gewählt werden, die zum einen einer gerichtlichen Austragung zugänglich (justiziabel), andererseits aber auch rechtspolitisch aufgeladen sind. Es bieten sich insoweit etwa Themen aus dem Bereich des Umweltschutzes, der sozialen und wirtschaftlichen Rechte (soziale Marktwirtschaft), des Rechtspluralismus, der Berücksichtigung individueller und kollektiver Rechte bei Infrastrukturprojekten und solchen der Ausbeutung von Bodenschätzen an.

Strukturell sollte der Wettbewerb noch konsequenter auf die nationale Ebene konzentriert werden. Denn es obliegt – entgegen der allgemeinen Wahrnehmung vieler Akteure, die ihre Hoffnung vorrangig auf die internationalen Instanzen setzen– in allererster Linie den nationalen Institutionen, die Gerichte eingeschlossen, den Rechtsstaat zu gestalten und die Rechte des Bürgers zu schützen. Völkerrechtliche Kontrollorgane sind außerordentliche Behelfe, die bei besonders eklatanten Verstößen zu intervenieren vermögen. Sie können Impulse setzen. Das tägliche mühselige Geschäft der Konsolidierung des demokratischen Rechtsstaats obliegt der nationalen Sphäre.

Diese Einsicht bringt auch der Interamerikanische Gerichtshof für Menschenrechte in seiner Rechtsprechung zum sog. control de convencionalidad zum Ausdruck. Der Gerichtshof erklärt darin den nationalen Richter zum „Konventionsrichter“, der schon auf unterster gerichtlicher Ebene verpflichtet ist, staatliches Handeln am Maßstab der AMRK zu prüfen.

Geplant ist daher, die nationalen Akteure, insbesondere die Verfassungsgerichte, noch stärker in den Wettbewerb einzubinden.

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