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Notas de acontecimientos

Was für eine Justiz braucht der Frieden?

Symposium in Medellin

Vom 08. bis zum 10. März 2017 fand an der Universität Antioquia ein Symposium zum Thema „Übergangsjustiz und Internationales Strafrecht“ statt. Auf Einladung der Rechtsphilosophischen Fakultät der Universität Antioquia, der Alexander von Humbold Stiftung, des Zentrums für lateinamerikanisches Straf- und Strafprozessrecht der Universität Göttingen (CEDPAL) und des Rechtsstaatsprogramm Lateinamerika der Konrad-Adenauer-Stiftung (RSP LA) waren zu diesem Anlass hochrangige deutsche und lateinamerikanische Akademiker nach Medellín gekommen.

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Das Konzept der Übergangsjustiz in Kolumbien basiert gemäß dem Friedensvertrag mit der FARC-Guerilla auf den vier Grundpfeilern Gerechtigkeit, Wahrheit, Entschädigung und Garantien für ein Nicht-Wiederholung. Die Verwirklichung dieser Ziele sollen zu einem nachhaltigeren Frieden und zu einer Versöhnung der kolumbianischen Gesellschaft mit sich und ihrer Vergangenheit führen.

Insbesondere wurden bei der Veranstaltung die folgenden Fragen thematisiert: Was ist der genaue Zweck von Strafe, nützt eine Gefängnisstrafe dem Täter und der Gesellschaft tatsächlich oder gibt es erfolgversprechendere Strafen? Wie kann eine gerechte Bestrafung erfolgen? Ist das als Teil der Übergangsjustiz Ende Dezember 2016 erlassene Amnestiegesetz mit den Vorschriften des Rom-Status vereinbar? Was muss genau beachtet werden, um eine tiefgründige Aussöhnung von Opfern und Tätern zu erreichen? Welche Lehren können aus den bewaffneten Konflikten und anschließenden Friedensprozessen in El Salvador und Guatemala für Kolumbien gezogen werden? Wie sieht eine gesunde Erinnerungskultur aus?

Bestandsaufnahme: Wo steht Kolumbien in Sachen Übergangsjustiz?

Mit dem Erlass des Amnestiegesetzes in Kolumbien im Dezember 2016, das ein erster juristischer Schritt des Transitionsprozesses ist, steht das Land nun vor der Herausforderung der Umsetzung des Systems der Übergangsjustiz. Die nunmehr im nächsten Schritt einzurichtende Sondergerichtsbarkeit für den Frieden sowie die Wahrheitskommission, u.a., stehen vor historischen Herausforderungen. Das Land bedarf erfahrender, bedachter, umsichtiger Richter, die sich mit der Aburteilung im Rahmen des bewaffneten Konflikts begangenen Straftaten befassen werden bzw. das Amnestiegesetzt – soweit es keine de iure Anwendung findet – auf politische Straftaten anzuwenden weiß.

In einer Umfrage zur Messung der Unterstützung des Friedensvertrags in der kolumbianischen Gesellschaft, die die Angelika Rettberg von der Universidad de los Andes in den letzten Jahren durchgeführt hat, zeigte sich, dass die Mehrheit der Kolumbianer den Friedensschluss als positiv ansieht: 74% der befragten Opfer bejahten die Frage, ob sich Kolumbien auf einem guten Weg zur Aussöhnung befände. Allerdings stehen Opfer, die in einer Gruppe organisiert sind, dem Dialog mit der FARC kritischer gegenüber als diejenigen, die nicht Teil einer solchen Gruppe sind. Die soziologische Erklärung dafür sei, dass Opfergruppen Einheiten bilden, die bereits eine Möglichkeit zum Erfahrungsaustausch bieten und Konfrontationen mit Tätern meiden. Diese Studie untermalt die Wichtigkeit der Auseinandersetzung Kolumbiens mit seiner Vergangenheit.

Spannungsfeld nationales Recht und Internationales Strafrecht

Sowohl im Rahmen des Amnestiegesetzes als auch bei der zukünftigen Rechtssprechungstätigkeit der Sondergerichtsbarkeit für den Frieden bilden die Regeln des Internationalen Strafrechts, insbesondere des Rom-Statuts des Internationalen Strafgerichtshofes, einen wichtigen Referenzrahmen und eine wertvolle Orientierungsmöglichkeit, die in Kolumbien Beachtung finden sollte.

Kolumbien befolge das Rom-Statut im Rahmen des Friedensprozesses dabei heute schon mehr als dies im Rahmen anderer Friedensprozesse z.B. in Osteuropa der Fall war und ist, führte Prof. Dr. Kai Ambos während seines Vortrags aus. Jedoch könne es zu Konflikten bezüglich des im Dezember 2016 erlassenen Amnestiegesetzes kommen. Das Rom-Statut sieht bspw. vor, dass Höchstverantwortliche für die durch ihrer Untergebenen im Amt begangenen Verbrechen verantwortlich gemacht werden können, selbst wenn sie von diesen gar nichts wussten, dies soweit ihnen hinsichtlich des Nichtwissens Fahrlässigkeit vorgeworfen werden kann. Im Friedensvertrag zwischen der kolumbianischen Regierung und der FARC ist diese Haftung trotz Nichtwissens jedoch nicht vorgesehen.

Frieden oder (Einzelfall)-Gerechtigkeit?

Die gesamte Veranstaltung über wurde die immense Herausforderung deutlich, der ein Land mit geplanter Übergangsjustiz gegenübersteht: Es gilt, eine ausgewogene Balance zwischen Frieden und Aussöhnung auf der einen Seite und Einzelfallgerechtigkeit auf der anderen Seite zu finden.

Der Vergleich der unterschiedlichen Ansätze, die es weltweit zur Aufarbeitung von Verbrechen im eigenen Lande gegeben hat, ließ zwei Aspekte deutlich werden: Für eine funktionierende Übergangsjustiz muss es eine umfassende Strafverfolgung geben und gleichzeitig muss ein friedliches Zusammenleben von Opfern und Tätern in der Zukunft ermöglicht werden. Eine totale Amnestie darf es genauso wenig geben wie eine Untersuchung und Aburteilung jedes einzelnen Straftäters. Zumeist gibt es nämlich bei Bürgerkriegen eine solch große Anzahl von Tätern, dass im Falle einer Aburteilung jedes einzelnen von ihnen das staatliche Justizsystem auf Jahre lahmgelegt wäre. Ein „Ding der Unmöglichkeit“ in einem Staat, der möglichst schnell zur Normalität zurückkehren möchte. Für Straferleichterungen i.R.v. Übergangsjustizsystemen sprechen somit auch utilitaristische Erwägungen.

Eine hybride Gerichtsbarkeit mit nationalen Richtern und internationalen Beobachtern soll in Transitionsphasen nach abgeschlossenen oder – wie im Falle Kolumbiens – noch nicht völlig beigelegten Konflikten am sinnvollsten sein, um eine sensible, umsichtige und konstruktive Vorgehensweise von Seiten der Justiz zu garantieren. Die Betrauung der „herkömmlichen“ Gerichtsbarkeit mit der Aburteilung der Straftäter eines internen Konflikts birgt nämlich das Risiko, dass das betraute Gericht oder seine Mitglieder in der Vergangenheit zu sehr in den nunmehr aufzuarbeitenden Konflikt verstrickt gewesen sein könnten. Professor Hoyos Jaramillo von der Universidad Natcional, Kolumbiane betonte dabei die Notwendigkeit einer (auch) materiellen Form der Wiedergutmachung für eine gerechte Beilegung des Konflikts. Der materielle Aspekt der Wiedergutmachung dürfe für eine tiefgründige Aussöhnung zwischen Täter und Opfer nicht unterschätzt werden.

Um die schwierigen Rechtsfragen im Spannungsfeld zwischen nationalem Recht und dem internationalen Strafrecht sowie die mit der Übergangsjustiz verwundenen rechtsethischen und rechtsphilosophischen Fragen zu diskutieren, haben sich unter anderem Prof. Dr. Cornelius Prittwitz (Goethe-Universität Frankfurt), Dr. Luis Eduardo Hoyos Jaramillo (Universidad National, Kolumbien), Dr. Angelika Rettberg (Universität Los Andes, Kolumbien), Prof. Dr. Luis Greco (Universität Augsburg), Dr. Gustavo Leyva (Mexiko) und Dr. Miguel Guisti (Universität Pontificia Católica, Peru) zusammen gefunden, um Gestaltungsmöglichkeiten und –strategien zu präsentieren und mögliche Herausforderungen und Probleme zu diskutieren.

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Marie-Christine Fuchs

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