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Reportajes internacionales

"Zapateros Senkrechtstarterin" - Portrait der neuen spanischen Wohnungsbauministerin Carme Chacón

de Michael Däumer, Dr. Adriaan Kühn

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„Zapateros Senkrechtstarterin“ - Portrait der neuen spanischen Wohnungsministerin.

Carme Chacón, Jahrgang 1971, wird mit ihrer Ernennung zur Nachfolgerin von María Antonia Trujillo im Wohnungsministerium das jüngste Mitglied der Regierung Zapatero sein. In der PSOE war schon längere Zeit darüber nachgedacht worden, die katalanische Sozialistin und Vizepräsidentin des spanischen Parlaments in die Regierung zu holen.

Chacón wurde durch das Schicksal ihres anarchistischen Großvaters während des spanischen Bürgerkriegs und der Franco-Diktatur bereits in jungen Jahren politisiert und trat mit 18 Jahren in die Jugendorganisation der katalanischen Sozialisten ein. Ihr Jurastudium an der Universität Barcelona finanzierte sich Chacón, die aus einfachen Verhältnissen stammt, durch einen Nebenjob in einem Kaufhaus. Später konnte sie dank Stipendien verschiedene Forschungsaufenthalte im Ausland absolvieren: Manchester, Freiburg (Schweiz), sowie die kanadischen Universitäten in Toronto und Montreal gehörten dabei zu ihren Stationen.

Bei der Auswahl ihrer Studienorte stand für Carme Chacón dabei immer ein Thema im Vordergrund, das auch in der spanischen politischen Diskussion ein Dauerbrenner ist: Föderalismus und die Rolle autonomer Gemeinschaften in einem Staat. So studierte sie im schweizerischen Freiburg am dortigen Institut für Föderalismus; in Nordamerika verfasste sie Arbeiten über „Vielfalt und Föderalismus in Kanada“ und setzte sich mit den Unabhängigkeitsbestrebungen Quebecs auseinander. Das Thema ihrer Promotion mit dem Titel: „Föderalismus durch die kanadische Rechts- und Freiheitscharta von 1982“ unterstreicht sowohl das Interesse Chacóns an der föderalen Praxis im Ausland als auch an etwaigen Perspektiven für die Situation in Spanien.

Ihre akademische Karriere setzte die neu ernannte Ministerin zunächst als Professorin für Verfassungsrecht an der Universität Girona in Katalonien fort, bevor sie im Jahr 1999 als Gemeinderatsmitglied das Amt der stellvertretenden Bürgermeisterin für die Bereiche Wirtschaft, Personalwesen und Sicherheit in ihrem Heimatort Esplugues de Llobregat (Barcelona) übernahm. Nur ein Jahr später wurde sie mit 29 Jahren in das spanische Parlament gewählt.

Ihre kontinuierliche Angriffe auf die damalige Erziehungs- und Kulturministerin Pilar del Castillo von der Volkspartei (PP) im Kulturausschuss, erregten auch die Aufmerksamkeit des heutigen Ministerpräsidenten José Luis Rodríguez Zapatero. Zudem konnte sie sich durch ihre disziplinierte Art und ihr engagiertes Auftreten (erst vor kurzem wurde sie von Journalisten zur „aktivsten Parlamentarierin“ gewählt) bei der Parteispitze für höhere Aufgaben empfehlen.

Wird in den spanischen Medien über Carme Chacón berichtet, fallen immer wieder die Attribute intelligent, fleißig, idealistisch und aufbruchbereit. In ihrer erst zweiten Legislaturperiode, ist Chacón bereits Vizepräsidentin des Parlamentes. Dies verdankt sie sowohl dem Einfluss ihres politischen Ziehvaters José Montilla, Regionalpräsident von Katalonien und Chef der katalanischen Sozi-alisten, als auch dem „absoluten Vertrauen“, das Ministerpräsident Zapatero ihr gegenüber aufbringt.

Die steile Karriere von Carme Chacón hat mit der Ernennung zur Ministerin im Alter von nur 36 Jahren zunächst einen Höhepunkt erreicht. Beobachter sehen die Berufung der jungen Katalanin allerdings nicht ausschließlich ihrem Talent geschuldet, sondern auch als geschickten Schachzug Ministerpräsident Zapateros. Dieser kann mit ihrer Ernennung im Hinblick auf die „Quote“ innerhalb seiner Ministerriege gleich mehrere Fliegen mit einer Klappe schlagen: Frauen sind dort unterrepräsentiert und der Altersdurchschnitt hoch. Vor allem aber erhofft sich Zapatero, mit einer weiteren Katalanin in seinem Kabinett die Beziehungen zur regionalen Schwesterpartei PSC zu verbessern. Denn das erbitterte Gezerre um das Autonomiestatut Kataloniens hat die Beziehungen zwischen Madrid und Barcelona innerhalb der Sozialisten empfindlich gestört.

Schon 24 Stunden vor ihrer Amtseinführung stellte sich Chacón Fragen zur Autonomiepolitik der Regierung. Dabei lobte sie Zapatero als „großen Verbündeten Kataloniens“, der die „Garantie für die Dezentralisation Spaniens“ sei.

In Katalonien wurde ihre Ernennung begrüßt. Man glaubt, mit den nunmehr zwei katalanischen Ministern Carme Chacón und Industrieminister Joan Clos in der Madrider Zentralregierung über größeren Einfluss zu verfügen.

Aber auch das neue Ressort Chacóns, die sich bisher hauptsächlich mit Kulturpolitik auseinandergesetzt hat und in ihrer Freizeit Gedichte schreibt, ist wohl mit Bedacht ausgewählt worden. Knappes Wohnraumangebot und hohe Preise machen es gerade für junge Menschen nahezu unmöglich, von zu Hause auszuziehen. In den letzten Monaten fanden in ganz Spanien Demonstrationen statt, um das in der spanischen Verfassung verankerte Recht einer vivenda digna (würdige Unterkunft) auch real umzusetzen. Die spanische Regierung möchte mit der Berufung einer jungen Amtsträgerin Sensibilität für das Problem demonstrieren.

Der frischgebackenen Ministerin, von der Freunde sagen, dass sie privat eigentlich sehr schüchtern sei, bleiben voraussichtlich noch acht Monate, um für ihren Verbleib auf der Regierungsbank auch nach einem eventuellen erneuten PSOE-Wahlsieg zu werben. Allerdings wird spekuliert, dass sie in einem solchen Fall wohl eher den Ministerposten für Kultur und Sport übernehmen wird.

Curriculum Vitae

Geburtsdatum: 13. März 1971

Geburtsort: Esplugues de Llobregat (b. Barcelona)

Familienstand: ledig

Beruflicher Werdegang:

• Studium der Rechtswissenschaften an den Universitäten Barcelona, Manchester, Toronto und Montreal. Promotion.

• Seit 1989: Mitglied in der Sozialistischen Arbeiterpartei Spaniens (PSOE)

• 1999-2003: stellvertretende Bürgermeisterin von Esplugues de Llobregat (Barcelona)

• Seit 2000: Abgeordnete des spanischen Parlamentes für Barcelona

• Seit 2004: Vizepräsidentin des spanischen Parlaments

• Seit dem 9. Juli 2007: Ministerin für Wohnungsbau

Weitere Informationen:

• Professorin für Staatsrecht an der Universität Barcelona

• Parteisekretärin für Bildung, Kultur und Forschung beim Parteivorstand der PSOE

• Mitglied des Parteivorstandes der Sozialisten in Katalonien

• OSZE-Beobachterin in Bosnien-Herzegowina und Albanien (1996 bzw. 1997)

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