Gleich zu Beginn der Veranstaltung nannte der nordrhein-westfälische Justizminister Peter Biesenbach die fünf zentralen Herausforderungen für die Kriminalitätsbekämpfung der Zukunft:
Erstens habe eine Professionalisierung im Bereich der Internetkriminalität stattgefunden. Während anfangs vor allem junge Leute solche Taten begingen, handle es sich heutzutage um professionelle Akteure mit hervorragender technischer Ausstattung. Vielmehr noch werden unter dem Schlagwort crime as a service kriminelle Dienstleitungen im Netz zum Kauf angeboten.
Als weitere Herausforderung führte der Minister die Vernetzung und Internationalisierung der Straftaten an und ergänzte, dass „Deutschland ein Paradies für Geldwäscher“ sei, weil noch immer viele große Transaktionen, zum Beispiel im Immobilienbereich, mit Bargeld stattfänden und sich dadurch die Aufdeckung illegaler Aktivitäten deutlich erschwere.
Auch die Betäubungsmittelkriminalität sei nach wie vor eine große Herausforderung, da noch nicht ausreichend Kapazitäten zur Ermittlung in diesem Bereich zur Verfügung ständen. Als relativ neues Phänomen haben in den letzten Jahren Straftaten im Bereich der Hasskriminalität im Netz an Relevanz gewonnen. Zwar sei in Köln bereits eine Einheit zur Bekämpfung von Hate Speech eingerichtet worden, doch erschwere das Verhalten der großen Plattformbetreiber eine schnellere Ermittlungsarbeit.
Zudem sei vor allem auch die Cyberkriminalität von zunehmender Bedeutung. „Cyberangriffe gefährden unsere Wirtschaft“, so Minister Biesenbach. Viele Unternehmen seien bereits gehackt worden und haben sogar die Lösegeldforderungen der Hacker beglichen, um einen Fortlauf der Geschäfte zu ermöglichen. Dabei beschränken sich die Cyberangriffe nicht nur auf private Unternehmen, sondern auch öffentliche Einrichtungen wie Krankenhäuser oder Gerichte seien betroffen.
Als Antwort auf die vielfältigen Herausforderungen hat die Landesregierung eine Reihe von speziellen Einheiten geschaffen, um Expertise zu bündeln und der Bekämpfung neuer Kriminalitätsformen effektiv begegnen zu können. In diesem Rahmen wurde auch die Zentral- und Ansprechstelle für die Verfolgung Organisierter Straftaten (ZeOS) in Nordrhein-Westfalen geschaffen, die von Oberstaatsanwalt Andreas Stüve geleitet wird.
Herr Stüve erklärte, der große Vorteil seiner Einheit liege darin, dass sie neben den nötigen Ressourcen auch über die technische Ausstattung und Expertise verfüge, um den komplexen Straftaten auf den Grund zu gehen. Die Einheit agiere sehr flexibel und habe sich auf die Beschlagnahmung von Vermögenswerten im Bereich der kriminellen Clans konzentriert und bereits erste Erfolge erzielt. Neben der ZeOS sei vor allem auch die in Köln ansässige Zentral- und Anlaufstelle Cybercrime (ZAC) als Vorzeigeprojekt des Landes zu nennen. Die ZAC entwickle fortlaufend innovative KI-Produkte zur Kriminalitätsbekämpfung.
Professor Osman Isfen von der Fernuniversität Hagen, der sich aus wissenschaftlicher Perspektive mit dem Strafrecht befasst, sieht in Nordrhein-Westfalen vor allem im Bereich der digitalen Kriminalitätsbekämpfung einen Vorbildcharakter. Insbesondere die auf neuartige Algorithmen basierende Bekämpfung von kinderpornographischen Inhalten sei in diesem Kontext zu erwähnen.
Auf die Frage hin, wie sich die Kriminalitätsbekämpfung in den kommenden zehn Jahren verändern werde, führte Professor Isfen die Digitalisierung und Arbeitsteilung als entscheidende Treiber an. Er sei überzeugt davon, dass der Staat die technischen Möglichkeiten nutzen werde, um zukünftig effektiver Kriminalität bekämpfen zu können. Oberstaasanwalt Stüve forderte in diesem Kontext, der Staat müsse flexibler, schneller und auch mal unkonventionell auf neueste Entwicklungen reagieren, um mit den Kriminellen Schritt halten zu können bzw. einen Trend frühzeitig zu antizipieren.
Auch der Minister konnte diesen Eindruck bestätigen. Er vermute, dass alle Delikte im Zusammenhang mit Digitalisierung boomen werden. Deshalb sei es Aufgabe der Justiz mit der technologischen Entwicklung mitzuhalten: „Wichtig ist, dass wenn Kriminelle mit dem Porsche unterwegs sind, wir nicht mit dem Fahrrad fahren müssen.“ Der Staat brauche gleiche Möglichkeiten und gleiche Mittel, so Minister Biesenbach.
Zudem werde Künstliche Intelligenz im Strafrecht helfen, große Datenmengen zu bearbeiten, auszuwerten und Entscheidungshilfen zu bekommen. Trotz der umfassenden Herausforderungen zeigt sich Minister Biesenbach optimistisch, die großen Herausforderungen bewältigen zu können – das Justizpersonal leiste großartige Arbeit und sei extrem motiviert die Herausforderungen anzugehen.