Im Rahmen seiner Einführung forderte Karl-Heinz B. van Lier, Landesbeauftragter für Rheinland-Pfalz der Konrad-Adenauer-Stiftung, dass Familienpolitik in Bevölkerungspolitik umgemünzt werden solle. Dies sei eine der Lehren aus den vorangegangenen Veranstaltungen der Reihe „Handlungsauftrag Demographie“. Einleitend führte er weiter aus, dass in beiden Ländern – in Deutschland wie in Japan – der Geburtenschwund bekannt sei, dieser aber totgeschwiegen würde.
In seinem Statement zum Thema „Express-Modernisierung und Geburteneinbruch in Ostasien“ stellte Dr. Stefan Fuchs eingangs fest, dass die wirtschaftliche Modernisierung insgesamt die Existenz von Gesellschaften untergrabe, ein sog. demografisch-ökonomisches Paradoxon. Japan und Deutschland seien dabei keine Sonderfälle, sondern lediglich zwei Beispiele von vielen. Länder mit dem höchsten „Altenquotienten“ der Welt werden 2060 Südkorea, Hong Kong und Japan sein, aber auch Taiwan, Quatar und Kuba. Folgerichtig, so Fuchs, werden sich hieraus steigende Alterslasten ergeben.
Der Geburteneinbruch in den Industrieländern, erörterte Fuchs weiter, sei entgegen der verbreiteten Meinung lediglich zu vier Fünfteln für die Überalterung von Staaten verantwortlich. Besonders dramatisch in der international vergleichenden Betrachtung sei der Absturz der Geburtenraten in den „Tigerstaaten“. Diese Staaten machten in rund einem Drittel der Zeit die Entwicklung durch, die in den Industrienationen in 150 Jahren verlaufen seien, erklärte der Demografieexperte. Er hielt fest: „Die Wirkung von Familienpolitik liegt immer nur in einer Bremsung des Geburtenrückgangs, nicht aber in einem Anstieg der Geburtenzahlen“. In Asien gehe die Alterung dramatisch voran. Allerdings konnten die sozialen Sicherungssysteme – wie teilweise in Deutschland geschehen - darauf nicht vorbereitet werden (sog. „Compressed modernity“). Fuchs abschließend: „Japan ist eine Vorburg der Alterung in Asien, ebenso wie Deutschland in Europa“.
Die Maßnahmen Japans zur Bekämpfung des Geburtenrückgangs erläuterte Prof. Dr. Axel Klein in seinem Vortrag. Die unweigerlichen Konsequenzen der Schrumpfung, die in allen Ländern auftreten, seien die sinkende Zahl von Arbeitskräften, weniger Steuereinnahmen sowie weniger Innovationen und Rezeption neuer Technologien. Der gegenwärtige Politikansatz in Deutschland sei die Förderung von Chancengleichheit, Wirtschaftswachstum und die Schaffung von Wahlfreiheit. „Dabei“, erklärte Klein, „liegen die Investition in geburtenfördernde Maßnahmen bei 7,27 Prozent der gesamten Sozialausgaben in Deutschland, in Japan lediglich bei 4,3 Prozent“. In Japan bekämen Rentner viel, Familien hingegen nur sehr wenige Leistungen, ergänzte der Referent. Ein weiteres Problem der japanischen Familienpolitik sieht der Japanexperte in der mangelnden Expertise der japanischen Politiker, deren persönliche Betroffenheit zu oft gering sei.
Die im Anschluss an die Expertenvorträge von Dr. Philip Plickert moderierte Gesprächsrunde vertiefte einzelne Aspekte des zuvor Gehörten. So führte Dr. Fuchs noch einmal aus, wie wichtig es sei, die statistischen Zeitreihen bei der Betrachtung von Geburtenraten zu betrachten, da man ansonsten oft zu falschen Schlüssen gelange. Und weiter: „Symptome und Ursachen werden bei der Betrachtung der demografischen Entwicklung gerne verwechselt, da sie auch nicht sonderlich deutlich sind. Im Kulturwandel spielt die Politik eher eine sekundierende Rolle, viel gravierender sind kulturelle Wandlungen“.
Die Opportunitätskosten der Elternschaft seien extrem angestiegen, ebenso die über Jahrzehnte gewachsenen Ansprüche, so Fuchs. „Die heutige Elterngeneration vergleicht ihren Lebensstandard nicht mit dem der fünfziger Jahre, sondern mit dem, was sie selbst als Kinder erlebt haben, also mit den achtziger Jahren und hier wird die Wachstumsmöglichkeit eng“, ergänzte er.
Karl-Heinz B. van Lier verband sein Schlusswort zur Veranstaltung mit einem Appell. Notwendig sei ein Mentalitätswechsel, denn „die Nation wird an die Wand fahren ohne Schubumkehr!“. Zudem kritisierte van Lier, dass der Hang zur Tabuisierung stellenweise schon viel zu weit entwickelt sei, aber: „Not wird erfinderisch machen!“ Ähnlich kulturell entwickelte Länder mit denen wir uns vergleichen könnten, seien Frankreich, Finnland und Irland.