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Rapports pays

„Plenković spielt Schach, alle anderen nur ‚Mensch ärgere Dich nicht ‘“

par Dr. Norbert Eschborn, Marko Prusina, Juro Avgustinović

„Plenković spielt Schach, alle anderen nur ‚Mensch ärgere Dich nicht ‘“

Die nationale Regierungspartei HDZ, die der Europäischen Volkspartei (EVP) angehört, ist aus den kroatischen Kommunalwahlen 2025 als klare Siegerin hervorgegangen. Sie bleibt und bestätigt sich als einzige echte landesweite Kraft, während ihre politischen Mitbewerber unter regionaler Fragmentierung und zunehmendem Profilverlust leiden. Besonders deutlich wird dies bei der links-grünen Partei Možemo, die in ihrer urbanen Hochburg Zagreb zwar stabil blieb, sich aber landesweit nicht zu etablieren vermag. Für alle anderen Akteure von Zentrum über links-liberale IDS bis hin zur liberal-konservativen Most haben diese Wahlen strukturelle Schwächen offengelegt und eine strategische Neuausrichtung zwingend gemacht.

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Wichtigste Erkenntnisse

Dieser Urnengang hat das Land erneut klar in zwei politische Lager geteilt: ein überwiegend „blaues“ Kroatien unter der stabilen Führung der HDZ und eine zersplitterte, desorientierte Opposition, die auch diesmal nicht in der Lage war, dieser Dominanz geschlossen entgegenzutreten. Obwohl kommunal angesetzt, entwickelten sich die Wahlen zu einem politischen Rennen, das weit über lokale Anliegen hinausreichte und dabei die tieferliegenden strukturellen Kräfteverhältnisse im politischen System offenlegte.

Die Wahl, abgehalten in zwei Runden am 18. Mai und 1. Juni, offenbarte zudem eine besorgniserregend niedrige Wahlbeteiligung: 42,65 % in der ersten Wahlrunde (ein Rückgang von 4,49 % im Vergleich zu 2021) und nur 34,67 % in der zweiten (minus 10,04 %). Dieses Absinken ist nicht nur Ausdruck politischer Ermüdung, sondern auch Folge eines fragmentierten Parteienspektrums, in dem viele Wähler keine ernsthafte Repräsentation ihrer lokalen Interessen mehr erkennen. Für die Opposition, insbesondere die sozialdemokratische SDP, war diese Wahl ein weiterer Rückschlag. Deren kurzfristiger Erfolg bei den jüngsten Präsidentschaftswahlen scheint sich zunehmend als persönlicher Triumph des damaligen Kandidaten, des wiedergewählten Staatspräsidenten Milanović, und nicht als Beleg gestärkter Oppositionsstrukturen zu bestätigen. Das gemeinsame Antreten mit Možemo in Zagreb brachte keinen Stimmenzuwachs, sondern eher einen Rückschritt. Die SDP wirkt weiterhin ohne klare Linie, personell instabil und politisch sowie organisatorisch ausgezehrt. Ohne tiefgreifende Reform droht ihr über kurz oder lang der Weg ins politische Abseits.

 

Wahlergebnisse: Gewinner

Die HDZ konnte nicht nur ihre bisherigen Hochburgen halten, sondern ihre Position sogar weiter ausbauen. Sie gewann 62 Bürgermeisterposten (im Vergleich zu 56 im Jahr 2021) und stellt das Stadtoberhaupt in 3 von 5 Großstädten, wo dies der SDP nirgendwo gelang. Die HDZ sicherte sich auch eine klare Mehrheit in etwa 75 % der Gespanschaften und behielt die Kontrolle über zahlreiche Städte und Gemeinden, insbesondere in Ostkroatien, Dalmatien und Banovina. In einigen Orten stand die Regierungspartei jedoch gefährlich auf der Kippe wie z. B. in der Gespanschaft Varaždin, schaffte jedoch den Sieg mit etwa 100 Stimmen Vorsprung. Stolz ist man bei der HDZ auf den Sieg in Sisak, einer traditionellen SDP-Hochburg.

Besonders erwähnenswert sind junge Kandidaten wie Ivan Radić in Osijek oder Frauen wie Nataša Tramišak, Ministerin a. D., in der Gespanschaft Osijek-Baranja, die die Partei strategisch stark positionieren. In Osijek gewann Radić bereits im ersten Wahlgang drei Viertel der Stimmen. Das zeigt nicht nur seine lokale Popularität, sondern auch die Wirksamkeit der Dezentralisierungspolitik der HDZ, die seit 2016 mit gezielten Investitionen, Steueranreizen und Förderprogrammen junge Menschen zurück in die Region bringt.

Ein entscheidender Architekt dieser Entwicklung ist Ivan Anušić, derzeit Verteidigungsminister und stellvertretender Premierminister, der vor seinem Eintritt in die Regierung als Chef der Gespanschaft Osijek-Baranja sowie zuvor als Gemeindevorsitzender von Antunovac fungierte. Seine kommunale Erfahrung sichert ihm maßgeblichen Einfluss auf die regionale Personalpolitik. Anušić hat sich innerhalb der Partei nicht nur als regionale, sondern zunehmend auch zur bedeutsamen Führungsfigur auf nationaler Ebene entwickelt.

Zu den herausragenden regionalen Wahlerfolgen zählt auch, dass die HDZ die Gespanschaft Šibenik-Knin zurückerobern konnte. Der größte Triumph war aber eindeutig Split, wo der Kandidat Tomislav Šuta seinen Erfolg feierte.

Die Wahlbeteiligung blieb insgesamt moderat, allerdings mit einem bemerkenswerten Anstieg bei jungen Wählern, ein Effekt der günstigen Wahlterminierung (nationaler Feiertag), aber wohl auch wachsender Politisierung.

 

HDZ als einzige nationale Partei – Plenkovićs Führungsrolle bestätigt

Die Wahlen haben einmal mehr bewiesen, dass die HDZ unter Führung von Premierminister Andrej Plenković die einzige Partei mit einem landesweiten Profil ist. Plenković festigte seine Position als unangefochtener Parteivorsitzender, der mit durchdachter Wahlkampfstrategie und durch die Aufstellung erfahrener Kandidaten überzeugte. Die Partei trat mit dem klaren Ziel an, die nach der Präsidentschaftswahl entstandene Oppositionsdynamik zu neutralisieren und hat dies eindrucksvoll erreicht.

 

Die zersplitterte Opposition: Zwischen Unzuverlässigkeit und partikularen Interessen

Die Opposition präsentiert sich weiterhin gespalten und unfähig, eine gemeinsame Strategie zu entwickeln. Die Fragmentierung, besonders innerhalb der SDP, führte zu Stimmenverlusten und strategischen Niederlagen. Die SDP konnte ihre historischen Hochburgen Rijeka und Sisak nicht verteidigen. Trotz aller Wortakrobatik von Parteichef Siniša Hajdaš Dončić ist die SDP der klare, große Verlierer dieser Wahlen. Nationale Umfragen sahen sie in den letzten Monaten sogar vor der HDZ, doch davon war bei diesen Wahlen nichts zu sehen. Die SDP errang landesweit deutlich weniger Stimmen als die HDZ. Zwar gewann sie die Gespanschaft Koprivnica-Križevci und zum ersten Mal auch Pula (durch den Parteivorsitzenden a. D.), aber das überzeugte nicht. Die Zahl ihrer Bürgermeisterposten sank von 22 auf 19. Zudem scheint die Opposition allgemein eher von persönlichen Eitelkeiten und kurzfristigen Interessen geprägt zu sein als von klaren politischen Konzepten.

In Split verlor die Partei Centar - und somit die SDP einen Partner für die nationale Arena, da der Parteivorsitzende seinen Rückzug aus der Politik ankündigte. Es ist nach Meinung vieler politischer Kommentatoren nicht zu erwarten, dass Centar politisch jemals wieder relevant sein wird.

Ein weiterer Verlierer ist die Partei Most. Der Parteivorsitzende Božo Petrov scheiterte bereits zum zweiten Mal in Folge bei der Wahl in der südlichsten Gespanschaft Kroatiens, diesmal sogar deutlicher als 2021. Der Verlust in deren Hochburg Dobravačka vermittelte bei vielen den Eindruck, dass Most den Kontakt mit der politischen Realität verloren hat.

Der größte Verlierer im rechten Spektrum ist jedoch die Domovinski Pokret, die „Heimatbewegung“, die die Stadt Vukovar verlor und dies trotz der Unterstützung durch die HDZ. Vukovar war die Hochburg der Partei, wo noch vor kurzem der Parteivorsitzende der Bürgermeister war, bevor er Regierungsmitglied wurde. Neuer Bürgermeister von Vukovar wird Marijan Pavliček von den „Kroatischen Souveränisten“, was sie zu einem der wenigen Gewinner unter den kleinen Parteien macht. Auf europäischer Ebene gehören die „Kroatischen Souveränisten“ der Partei der „Europäischen Konservativen und Reformer“ an.

In Zagreb verlor Marija Selak Raspudić, die parteilose Herausforderin des wiedergewählten grünen Oberbürgermeisters Tomislav Tomašević, zwar ihre dritte Wahl in Folge, kann aber mit fast 100.000 Stimmen bzw. einem steigenden Trend auf ein starkes Fundament für die Zukunft bauen, in dem ihre mediale Präsenz und Reichweite als politisches Kapital erhalten bleiben könnte. Die Možemo ist weder Verlierer noch klarer Gewinner dieser Wahl. Sie verteidigte Zagreb, hatte aber 70.000 Stimmen weniger als vor vier Jahren - und dies in einer Koalition mit der SDP. Die Idee der SDP und der Možemo, bei diesen Wahlen als Pilotprojekt gemeinsam gegen die HDZ anzutreten, um das Potenzial für die kommenden Parlamentswahlen auszuloten, hat sich erst einmal als doppelt erfolglos erwiesen. Beide Partner konnten sich nicht stärker positionieren – die SDP hat wichtige Hochburgen verloren, während sich Možemo als Partei bestätigt hat, die es nicht schafft, sich auf nationaler Ebene zu etablieren.

Der klare Wahlsieg zeigt, dass die HDZ derzeit die einzige ernstzunehmende nationale Kraft ist. Dies birgt jedoch Chancen und Risiken zugleich: Einerseits schafft dies Stabilität und klare Regierungsfähigkeit, andererseits ist ein Parteienwettbewerb essenziell, um eine pluralistische Gesellschaft zu erhalten.

 

Fazit und Ausblick

Die Kommunalwahlen 2025 haben die kroatische politische Landschaft neu geordnet. Die HDZ bestätigt ihren Status als dominierende Kraft mit landesweiter Verankerung. Die Opposition bleibt trotz vereinzelter Erfolge fragmentiert und sucht nach einer klaren politischen Linie. Sie steht vor der Herausforderung, ihre Zersplitterung zu überwinden und glaubwürdige Alternativen zu entwickeln, um zukünftig wieder als ernstzunehmende politische Kraft wahrgenommen zu werden.

Die Niederlagen der „Heimatbewegung“ und von Most signalisieren zudem eine bevorstehende Neuausrichtung des politischen Wettbewerbs vor den nächsten Parlamentswahlen ganz im Sinne dessen, was Parteichef Plenković bereits 2016 und erneut 2021 angesprochen hatte: nämlich, dass all diese Wähler „morgen möglicherweise wieder HDZ-Wähler sein werden“, da sie letztlich nur dorthin zurückkehren, woher sie ursprünglich kamen. Für die HDZ bedeutet dies einen gestärkten Rückhalt und zugleich die Verpflichtung, verantwortungsvoll mit ihrer Macht umzugehen, um interne Konflikte und demokratische Risiken zu vermeiden.

Andrej Plenković, für den internationale Beobachter in Zagreb zum Jahresbeginn nach der für die HDZ desaströs verlaufenden Präsidentschaftswahl bereits Schwanengesänge anzustimmen für nötig gehalten hatten, darf sich als der eigentliche Wahlgewinner fühlen. Der HDZ-Vorsitzende hat strategisch klug agiert und ist kühl-berechnend vorgegangen. Sein Verhalten beschrieb am besten der Kolumnist Goran Vojković des kroatischen Nachrichtenmagazins „Index“. In seiner schonungslos offenen Analyse der Kommunalwahlergebnisse, der Rolle der Akteure in den verschiedenen Parteien und der sich daraus ergebenden Schlussfolgerungen kommt er zu dem Ergebnis: „Plenković spielt Schach, alle anderen nur ‚Mensch ärgere Dich nicht‘.“1 Das wird man in Südosteuropa und auf europäischer Ebene aufmerksam zur Kenntnis nehmen.

 


 

1 Izbori dokazali da Plenković igra šah, a ostali Čovječe ne ljuti se - Index.hr

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