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Reuters / Amadou Keita

Reportages pays

Viel heiße Luft um nichts

Russlands Militärintervention in Mali

Russlands militärische Intervention in Mali hat sich entgegen vieler Erfolgsmeldungen in den sozialen Medien bislang als wirkungslos erwiesen. Schlimmer noch: Ein Vorgehen gegen Zivilisten zusammen mit der malischen Armee hat Dschihadisten eher neuen Zulauf beschert. Mali hat seit der Stationierung von russischen Militärs und Söldnern keine Geländegewinne verbucht, im Gegenteil: Die Dschihadisten haben sich im Norden Malis in den letzten Monaten deutlich ausgebreitet. Dies sollte eine Warnung für die neuen Militärmachthaber in Burkina Faso sein, wo Moskau seit längerem ebenfalls um eine Kooperation wirbt.

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Malis Militärregierung setzt voll auf eine militärische Zusammenarbeit mit Russland, um Dschihadisten zurückzudrängen, die sich seit 2012 in dem westafrikanischen Land ausbreiten. ine Blauhelm-Mission der Vereinten Nationen (MINUSMA), zu der auch die Bundeswehr gehört, hilft bisher, dass die großen Städte im Norden und Zentrum des Landes unter Regierungskontrolle bleiben, während in ländlichen Regionen häufig Dschihadisten und Banditen das Sagen haben. Mali hofft, dass die Russen erfolgreicher sein werden als Frankreich, welches seine Anti-Terror-Mission im August abzog, nachdem Spannungen zwischen Paris und Bamako eskaliert waren.

Seit Januar sind etwa 1.000 russische Militärs und Söldner in Mali als Teil eines bilateralen Militärabkommens tätig. Zum Vergleich: Frankreich hatte in der Spitze alleine in Mali etwa 2.500 Soldaten und etwa die gleiche Anzahl im restlichen Sahelraum im Einsatz. Russland hat zudem seit dem Herbst 2021 ca. 14 Kampfhubschrauber, neun Jets und ein militärisches Transportflugzeug geliefert. Russische Söldner und Berater unterstützen die malische Armee vor allem bei einer im Frühjahr gestarteten Offensive im Zentrum des Landes sowie jüngst auch bei Operationen im Norden. Die Anwesenheit der Russen erschwert die Mission von Vereinten Nationen und Bundeswehr, weil Mali diesen immer wieder Fluggenehmigungen verweigert und ganze Landstriche zu Flugverbotszonen erklärt – die Russen wollen sich nicht in die Karten schauen lassen.

 

Tötung von Zivilisten

In den sozialen Medien und bei Demonstration in Bamako wie auch anderen Hauptstädten in der Sahelregion werden die Russen immer wieder als neue Retter gefeiert. Doch die Ergebnisse des russischen Einsatzes sind dürftig: Im Zentrum Malis verbesserte sich die Sicherheit im Februar in einigen Regionen für einige Wochen, doch die Dschihadisten kamen schnell wieder zurück. Die malische Armee war wie in der Vergangenheit nicht in der Lage, eroberte Dörfer zu halten, und Behörden kehrten zudem nicht in die freigekämpften Gebiete zurück, um Schulen oder andere Dienstleistungen aufzubauen.

Die malischen Streitkräfte haben schlicht nicht die Kapazitäten, um Stützpunkte in ländlichen Regionen außerhalb größerer Orte zu errichten. Die Soldaten sind zudem häufig bei Teilen der Bevölkerung unbeliebt, weil es immer wieder zu Übergriffen und Tötungen von Zivilisten kommt – dies ist zusammen mit der Nicht-Existenz staatlicher Leistungen einer der Hauptgründe, warum Mali trotz massiver Hilfe westlicher Staaten in Form von Entwicklungsprojekten und der VN-Mission nicht aus dem Krisenmodus kommt. Der Staat ist außerhalb der Hauptstadt kaum vorhanden, und wenn dann meistens in Form von korrupten Beamten oder Übergriffen von Militärs auf Zivilisten, die deswegen nicht mit der Armee zusammenarbeiten wollen.

Die russische Intervention hat diese Situation noch verschlimmert. Seit dem Eingreifen der Wagner-Söldner ist die Zahl der zivilen Opfer in die Höhe geschnellt. MINUSMA registrierte im letzten Berichtszeitraum von März bis Mai 2022 insgesamt 684 Menschenrechtsverletzungen (die meisten davon waren Tötungen von Zivilisten), 218 mehr als im vorherigen Zeitraum. Insgesamt 323 Taten wurden dschihadistischen Gruppen zugeordnet, 173 weitere den Sicherheitskräften, die „in einigen Fällen von ausländischen Kräften begleitet wurden,“ schrieb die Mission, ohne russische Akteure direkt beim Namen zu nennen. Mehrere Massaker an Zivilisten kamen ans Licht, hunderte Zivilisten wurden allein im März in der Kleinstadt Moura im Zentrum Malis getötet (die malische Regierung hat die Vorwürfe und Berichte mehrerer Menschenrechtsorganisationen wie Human Rights Watch zurückgewiesen). Dies hat nach Ansicht von Diplomaten noch mehr junge Menschen in die Arme der Dschihadisten getrieben. „Moura war ein Rekrutierungsprogramm für Terroristen“, sagt ein westlicher Botschafter in Bamako.

Russische Akteure waren nach Angaben von Menschenrechtsgruppen und Überlebenden maßgeblich an den Tötungen in Moura beteiligt. Sie hatten mit der malischen Armee einen Viehmarkt in Moura angegriffen, der immer wieder von Dschihadisten besucht wird. Moura ist eine Gemeinde der ethnischen Gruppe der Fulbe, die vor allem als Händler und Viehhirten arbeiten und sich seit langem vom Staat sowie von Ackerbauern beim Zugang zu Land und Wasser diskriminiert fühlen. Die Fulbe machen eine nicht unbedeutende Anzahl der Dschihadisten aus; einer ihrer Anführer im Zentrum, Amandou Koufar, ist Mitglied dieser Ethnie. Viele haben sich ihnen nicht aus religiösen Gründen angeschlossen, wie man es bei dschihadistischen Gruppen wie dem Islamische Staat im Irak oder Syrien beobachten konnte, sondern wegen Arbeitslosigkeit, Armut, Diskriminierungen und einem zunehmenden Verteilungskampf mit Bauern um Land aufgrund des rasanten Bevölkerungswachstums. Die malischen Streitkräfte und mit ihnen verbündete Selbstverteidigungsmilizen haben seit Jahren Fulbe-Gemeinden häufig pauschal der Unterstützung von Dschihadisten beschuldigt und damit mehr Menschen dazu veranlasst, bei diesem Schutz zu suchen – der Angriff auf Moura mit seiner selbst für diesen Konflikt ungewohnten Brutalität hat dieses Gefühl der Diskriminierung nochmal verstärkt. Die Stadt ist seitdem verlassen, die Bewohner geflüchtet.

 

Dschihadisten auf dem Vormarsch im Norden trotz russischer Präsenz

Auch im Norden Malis, dem Epizentrum des Konflikts, haben die Russen nichts Nachhaltiges bewirkt. Der Islamische Staat hat sich dort seit Monaten ausgebreitet und mit der Stadt Talataye im September zum ersten Mal seit 2012 zeitweilig wieder eine Stadt besetzt – hier sieht man, dass die Russen nicht die Kampfkraft der häufig viel in den sozialen Medien gescholtenen Franzosen ersetzen konnten. Die Gruppe war eines der Hauptziele der französischen Anti-Terror-Operation und agiert seit deren Ende viel freier – der Islamische Staat kontrolliert jetzt Teil des Grenzgebietes Niger im Nordosten Malis, teilweise wurde die Stadt Menaka östlich vom dortigen Bundeswehr-Standort belagert. Dort sind auch Russen stationiert, die in den Kampf mit der malischen Armee eingegriffen haben, bislang ohne Wirkung und offenbar nicht immer in Harmonie. Nach einem unbestätigten Bericht des französischen Magazins Jeune Afrique kam es zu einem Feuergefecht zwischen Wagner-Söldnern und malischen Soldaten im Streit um ein Mobiltelefon.

Die russische Lieferung von Hubschraubern und Kampfflugzeugen hat bislang nach Einschätzung von Militärexperten im Kampf gegen die Dschihadisten auch nicht geholfen. Die Jets sind veraltet, zum Teil vierzig Jahre alt, und standen ohnehin vor der Ausmusterung. Fünf Albatros-Jets aus tschechoslowakischer Produktion sind Trainingsflugzeuge, die zunächst erst einmal umgerüstet werden müssen. Die malische Armee hat mehrfach den Einsatz von Jets in Nord-Mali vermeldetet, aber Experten können keine Wirkung bestätigten. Ein Jet ist bereits abgestürzt.

Mali ist nicht das erste Land in Afrika, wo Russland militärisch nicht erfolgreich agiert oder sogar eher zur Eskalation eines Konflikts beigetragen hat. In der Zentralafrikanischen Republik sichern Wagner-Söldner etwa als Leibgarde das Überleben von Präsident Faustin Archange Touadéra. Seine Regierung hat mithilfe der Russen einige Regionen von Rebellen zurückerobert, doch immer verbunden mit massiven Übergriffen. Die Russen operieren vor allem in Gegenden, wo es Gold oder Diamanten gibt – nicht zuletzt, weil damit ihre Bezahlung sichergestellt wird. In Mosambik brachen die Russen 2019 einen Einsatz gegen Dschihadisten nach starken Verlusten schnell ab. In Libyen unterstützen Wagner-Söldner seit 2019 den östlichen Kommandeur Khalifa Haftar. Sie verminten Teile der Hauptstadt Tripolis.

 

Russland will bezahlt werden – mit Gold

Auf Mali lastet nun der Druck, russische Akteure bezahlen zu müssen. In den ersten fünf Monaten flossen nach Angaben von Diplomaten rund zehn Million US-Dollar pro Monat als Bezahlung. Seitdem bemühen sich die Russen angeblich zum einen um den Abtransport von Gold aus informellen Minen im Norden und zum anderen, in einem zweiten Schritt, um industrielle Lizenzen im Land. Im Unterschied zu westlichen Gebern – beispielsweise wie Deutschland im militärischen Bereich mit der Bundeswehr oder in der Entwicklungszusammenarbeit mit der GIZ und anderen Institutionen – macht Russland nichts kostenlos. Russland baut keine Straßen oder finanziert Infrastrukturprojekte wie etwa China oder die Türkei. Moskaus Angebot beschränkt sich auf militärische Hilfe gegen Bezahlung und auf mediale Kampagnen.

Stichwort Medien: Russland ist in den Augen vieler Malier und anderen Afrikaner dank diverser Kampagnen in den sozialen Medien eine Erfolgsstory. Mehrere sog. Influencer setzen täglich Themen, um Russland anzupreisen und westliche Länder wie Frankreich als Kolonialmächte zu verteufeln. Dazu werden in Bamako oder anderswo im Sahel bei Demonstrationen immer wieder russische Fahnen geschwenkt. Aktuell konnte man dies gut in Burkina Faso sehen, wo die neuen Militärmachthaber und ihre Unterstützer sich mit russischen Fahnen zeigten. Ein Soldat sprang dabei sogar auf ein offenbar gekapertes UNO-Fahrzeug. Am Vorabend der endgültigen Machtübernahme hoben die Putschisten extra eine Ausgangssperre auf, um Unterstützer mit russischen Fahnen aufzuwiegeln und gegen französische Einrichtungen in Stellung zu bringen. Die malische Regierung hat es ebenso verstanden, eine allgemeine Abneigung gegenüber Frankreich – aus historischen Gründen und wegen verbaler Angriffe aus Paris während des französischen Präsidentschaftswahlkampfs – in Zustimmung für sich und den Sicherheitspartner Russland umzuwandeln. Pro-Russland heißt aus Sicht vieler Malier nur, gegen Frankreich zu sein.

 

 

Wie geht es weiter?

Die Regierung in Bamako hat in den letzten Wochen Spannungen mit Frankreich und auch mit der MINUSMA angeheizt. Nun haben sie auch Streit mit den Nachbarn Cote d’Ivoire und Niger, zwei Verbündeten Frankreichs, angefangen, obwohl viele Malier in diesen beiden Ländern arbeiten. In einem Rundumschlag attackierte Premierminister Abdoulaye Maiga sogar VN-Generalsekretär Antonio Guterres. Diplomaten vermuten, dass russische Akteure die malische Regierung dahingehend beraten, außenpolitisch zu eskalieren, um vom eigenen Scheitern abzulenken: die Sicherheitslage und der Lebensstandard der verarmten Bevölkerung hat sich in den letzten Monaten kein Stück verbessert. Im Nachbarland Burkina Faso steht zu befürchten, dass der neue Militärmachthaber, Ibrahim Traore, der sich Anfang Oktober an die Macht putschte, ebenfalls versuchen wird, eine wachsende pro-russische Haltung in der Bevölkerung auszunutzen und gegen Frankreich Stimmung zu machen. Die Dschihadisten sind in Burkina Faso noch stärker auf dem Vormarsch als in Mali, die Lage ist praktisch außer Kontrolle. Russland macht Stimmung gegen den Westen in den sozialen Medien und scheint bereit zu weiterer „Unterstützung“. So schrieb der berüchtigte Gründer der Wagner-Gruppe, der russische Geschäftsmann Yevgeny Prigozhin: „Ich grüsse und unterstützte Hauptmann Ibrahim Traore.“ Der notorische Putin-Unterstützer hat ein Interesse, den Westen in der Region weiter zu schwächen, und sich sein Engagement in der Region mit Gold bezahlen zu lassen.

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Anna Wasserfall

Anna Wasserfall bild

Conseillère pour l'Afrique de l'Ouest et les formats numériques Afrique subsaharienne

Anna.Wasserfall@kas.de +49 30 26996-3679

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