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Veranstaltungsberichte

Freiheitstag von Belarus 2015

von Dr. Wolfgang Sender

Diskussion zu den Beziehungen zwischen der EU und Belarus sowie zur Lage der Menschenrechte in Belarus

Am 25. März 2015, dem Jahrestag der Gründung der Belarussischen Volksrepublik, fand im EU-Informationsbüro des Seimas der Republik Litauen eine Diskussion zu den Beziehungen zwischen der EU und Belarus sowie zur Lage der Menschenrechte in Belarus statt. Die Diskussion wurde vom Freedom House Litauen, der Belarussischen Jugendassoziation StudAlliance, dem Belarussischen Menschenrechtshaus "Barys Zvozskau" ausgerichtet und vom KAS-Büro Belarus unterstützt.

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Als Podiumssprecher traten der stellvertretende Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses beim Seimas und Mitglied der Vaterlandsunion Audronius Azubalis, die Politologin und EHU-Dozentin Tatsiana Chulitskaya, die Präsidentin des Belarussischen Menschenrechtshauses „Barys Zvozskau“ Tatsiana Reviaka und der stellvertretende Direktor des unabhängigen belarussischen Nachrichtenportals „BelaPan“ Andrei Aliaksandrou auf. Moderiert wurde die Diskussion vom Leiter des Freedom House-Büros in Litauen Vytis Jurkonis. Gäste waren unter anderem Vertreter verschiedener Think-Tanks und Stiftungen, Diplomaten, Parlamentsabgeordnete sowie Menschenrechtsverteidiger.

Audronius Azubalis betonte, dass man mit der belarussischen Regierung und dem Präsidenten in einen stärkeren Austausch treten solle, die Erwartungen an eine reale Lageänderung aufgrund bisheriger Erfahrungen jedoch gering seien. So sei das Visaabkommen mit Belarus für die Vereinfachung des Grenzübertritts für die litauischen und belarussischen Bürger aus Grenzgebieten bereits 2010 unterzeichnet und vom litauischen Parlament ratifiziert worden, jedoch habe Minsk die Ratifizierung bis heute nicht abgeschlossen. Jede vom Westen als „Öffnung“ wahrgenommene Politik in Minsk werde im Laufe der Zeit durch Belarus wieder geschlossen. In seinen Ausführungen rief der Politiker die pro-demokratische belarussische Opposition zur Einigung auf und unterstrich, dass die belarussischen Oppositionspolitiker jegliche persönliche Präferenzen und Ambitionen beiseite lassen und die Einigung auf einen einheitlichen Präsidentschaftskandidaten erzielen sollten.

Die Politologin Tatsiana Chulitskaya von der Europäischen geisteswissenschaftlichen Universität (EHU) nannte das Jahr 2015 in ihrer Lageanalyse als untypisch für Belarus. Wenn bei der früheren Präsidentschaftswahl eine Schaukelpolitik im Wirtschaftsbereich sowie im Bereich der sozialen Sicherheit betrieben wurde, so siehe man jetzt, dass die sozialen Garantien für belarussische Bürger abnehmen. Die Wirtschaftskrise in Russland sei in Belarus deutlich spürbar. Jüngsten Studien zufolge vergrößere sich zudem die Zahl der belarussischen Bürger, die eine Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage im Lande erwarten. Natürlich spiele hier auch der Ukraine-Faktor eine Rolle: Die Beruhigung der Bürger, die bei der Präsidentenwahl 2010 mit Sozialleistungen geschaffen wurde, werde aktuell durch die „Vermittlerrolle“ Lukaschenkos bei den Friedensverhandlungen von Minsk ersetzt. Lukaschenko nutze seine Gastgeberrolle der Friedensverhandlungen um zu zeigen, dass sich die Situation in Belarus besser darstelle als in der Ukraine.

Die Menschenrechtlerin Tatsiana Reviaka unterstrich, dass Menschenrechte nicht nur Grundstein der persönlichen Entwicklung, sondern auch der Sicherheit und des Weltfriedens seien. Unzureichende Menschenrechtssicherung führe zur Destabilisierung und Unruhen. Die Rednerin gab ihre Befürchtung kund, dass ein Einschwenken der EU auf eine aktuelle vermeintliche Westöffnung von Belarus dazu führen könne, dass die Lage der Menschenrechte in Belarus weniger prominent thematisiert werde. Dies sei insofern problematisch, als die allgemeine Menschenrechtslage in Belarus stabil schlecht sei. Das Problem der politischen Gefangenen sowie die Verletzung der Menschenrechte und -freiheiten wie z. B. Recht auf ein faires Gerichtsverfahren, bestehe nach wie vor.

Als Vertreter der unabhängigen belarussischen Medien unterstrich Andrei Aliaksandrou, dass die Situation der Massenmedien ebenfalls nicht zufriedenstellend sei. Wenn früher die unabhängigen Nachrichten- und Informationsportale das Internet als Plattform für ihre Berichterstattung und Möglichkeit der freieren Meinungsäußerung genießen konnten, so wird das nach der Verabschiedung des neuen Internetsicherheitsgesetzes in dem Maße nicht mehr möglich sein. Aliaksandrou berichtete, dass die Formulierungen in dem Gesetz sehr lakonisch seien, sodass die Schließung unterschiedlicher Webseiten (Blogs, Homepages etc.) den Amtsträgern einfacher fiele und völlig legitimiert wäre. Zudem fügte der Redner hinzu, dass nicht nur belarussische, sondern auch ausländische Webseiten blockiert werden könnten. Ein der größten belarussischen unabhängigen Informationsportale, BelaPan, wurde 2014 ebenfalls zeitweise gesperrt.

Als Schlussfolgerung aus der Diskussion wurde gezogen, dass die EU als Vermittler zwischen Regierung und Zivilgesellschaft in Belarus weiter gebraucht werde, der Dialog müsse jedoch verstärkt innerhalb von Belarus stattfinden. Sofern Europa getrennt entweder mit dem offiziellen Minsk oder mit der Zivilgesellschaft spreche, seien Veränderungen nicht zu erwarten.

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