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„Alles hält sich in der Balance“

Lesung mit dem Gewinner des Deutschen Buchpreises Lutz Seiler

Erinnerungen spielen in der Literatur von Lutz Seiler eine bedeutende Rolle. Daher war es nicht verwunderlich, dass er in der diesjährigen Reihe „Literatur und Erinnerung“ in der Akademie der Konrad-Adenauer-Stiftung zu Gast war. Aus seinem Hiddensee-Roman „Kruso“ las er unterhaltend vor und gab Einblicke in sein literarisches Schaffen.

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In Seilers mythische Robinsonade sind persönliche Erinnerungen mit eingeflossen. So arbeitete Seiler vor dem Abschluss seines Studiums ebenfalls wie der Hauptprotagonist Edgar Bendler als Tellerwäscher auf der Ostseeinsel Hiddensee und erlebte dort die Umbrüche des Jahres 1989. Hiddensee war zu DDR-Zeiten ein fast unerreichbarer Ort, der eine große Anziehungskraft auf Aussteiger, Freiheitsliebende, Querdenker und potenzielle Flüchtlinge ausübte. Die Insel wird in diesem Roman zum utopischen Ort verwirklichter innerer Freiheit. Im Roman heißt es: „Wer hier war, hatte das Land verlassen, ohne die Grenze zu überschreiten“.

In der Waldgaststätte „Klausner“ ist die Hauptfigur Edgar (Ed) als Saisonkraft beschäftigt und arbeitet bis zur Erschöpfung in der Küche. „Er war nicht mehr als ein Tellerwäscher, der die Stellung hielt im Chaos“, schreibt Seiler. Zusammen mit den 11 weiteren Saisonkräften bilden sie eine eingeschworene Gemeinschaft, die versuchen der täglichen Touristenschar Herr zu werden. „Doch alles hält sich in der Balance“, erklärt Seiler.

In dieser eigenen Welt trifft Ed auf Kruso, trifft der Realist auf den Fantasten. Parallelen bestehen ein wenig zu Daniel Defoes Roman „Robinson Crusoe“. Neben der Namensgleichheit gibt es auch eine ähnliche Verbindung zwischen den beiden Hauptfiguren. „Aber Kruso ist eine Kunstfigur, die sich aus verschiedenen historischen Beständen zusammen setzt“, erläuterte Seiler. Obwohl beide Figuren sehr unterschiedlich sind, verbindet sie ein ähnliches Schicksal. „Beide haben ihren liebsten Menschen verloren; Ed seine Freundin und Kruso seine Schwester.“ Sie sprechen zwar niemals darüber, aber es entwickelt sich eine Freundschaft. Es wäre falsch „Kruso“ auf einen DDR- bzw. Wenderoman zu verengen, da es vor allen Dingen ein Buch über Freundschaft und Freiheit ist.

Lutz Seiler, der 1963 in Gera geboren wurde, erhielt zahlreiche Preise und Ehrungen für seine Arbeit, unter anderem den Ingeborg-Bachmann-Preis, den Deutschen Buchpreis und in diesem Jahr den Marie-Luise-Kaschnitz-Preis. „In jugendlichen Jahren hatte ich eigentlich kein Interesse an Literatur“, berichtete der Autor. Erst nach seiner Lehre zum Baufacharbeiter und seiner Tätigkeit als Zimmermann, begann er zu schreiben. In seiner Arbeit ist er nicht auf eine literarische Gattung fokussiert, sondern hat bislang Gedichte, Aufsätze, Erzählungen und einen Roman veröffentlicht. „Aus dem Abschlusskapitel eines gescheiterten Romans, sind die 500 Seiten „Kruso“ entstanden“, erläuterte er den zunächst gescheiterten Schreibprozess. Doch mit der Geschichte um Tellerwäscher Ed soll nicht Schluss sein. Seiler kündigte an, bereits am Folgeroman zu arbeiten. „Das nächste Buch wird die Jahre 1989/90 bis 1993 in den Fokus nehmen und die Szene nach Berlin verlegen“, gab Seiler bekannt.

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