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Positionen zwischen Syrienkrieg und Atomabkommen

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Als US-Präsident Donald Trump am 8. Mai 2018 den Ausstieg der USA aus dem Atomabkommen mit dem Iran (Joint Comprehensive Plan of Action, JCPoA) verkündete, waren die syrischen Reaktionen erwartungsgemäß gespalten: Während Außenminister Walid al-Muallim vor der 73. UN-Generalversammlung diesen Schritt verurteilte, wurde er von der syrischen Opposition begrüßt. Irans anhaltende Unterstützung Baschar al-Assads im mittlerweile achtjährigen Syrienkrieg spiegelte sich in diesem Echo wider.


Der syrische Bürgerkrieg ist zu einem Testfall für das seit vierzig Jahren bestehende Bündnis zwischen Iran und Syrien geworden. Nicht nur militärisch, sondern auch politisch, wirtschaftlich und diplomatisch zogen Teheran und Damaskus seit Beginn der Aufstände im März 2011 an einem Strang, um den Erhalt des Assad-Regimes sicherzustellen. Das bilaterale Handelsvolumen vervielfachte sich in den ersten Kriegsjahren, und der Iran unterstützte Syrien immer intensiver bei der Niederschlagung der Aufstandsbewegung.


Während der Blick von außen auf die syrischen Unruhen diese Entwicklungen in den Kontext des Arabischen Frühlings stellt, ist die Sicht aus Teheran und Damaskus durch die eigenen, nicht erfolgreichen Reformphasen der jüngeren Vergangenheit beeinflusst: Der sogenannte Damaszener Frühling, der die vorsichtige politische Öffnung zum Beginn der Amtszeit von Baschar al-Assad in den Jahren 2000 bis 2001 bezeichnet, war schnell gescheitert.


„Islamisches Erwachen“ statt „Arabischer Frühling“


Im Iran wurden die Reformansätze von Präsident Mohammad Chatami (1997 bis 2005) durch seinen Nachfolger Mahmud Ahmadinedschad nicht fortgesetzt. Im Gegenteil: Die breiten Proteste 2009 gegen die Wiederwahl von Präsident Ahmadinedschad und das kurze Aufleben der reformorientierten sogenannten „Grünen Bewegung“ waren hinsichtlich ihrer Niederschlagung ein schlechtes Omen für die Erfolgsaussichten der arabischen Aufstände. Dennoch war – gerade zu Beginn des Arabischen Frühlings – von den arabischen Aktivisten zwischen Tunis und Kairo der Bezug auf die junge Reformbewegung im Iran zu hören gewesen.


Das offizielle Teheran – bis hin zum religiösen Führer Ali Chamenei – hatte dagegen in seiner politischen Rhetorik den Begriff „Islamisches Erwachen“ statt „Arabischer Frühling“ gewählt. Die iranisch-syrische Sicht deutete die „Arabellion“ somit nicht als demokratische Revolte, sondern in der offiziellen Lesart der „Islamischen Revolution“ von 1979 ebenso als islamische Befreiung.

Dieser Diskurs änderte sich nach dem Ausbruch der Syrien-Krise, wie sich bereits bei den ersten, vom Iran im August 2012 organisierten SyrienGesprächen – im Rahmen des Treffens der Blockfreien-Bewegung in Teheran – zeigte. In seiner Eröffnungsrede des Gipfels bezeichnete der nach dem Sturz Hosni Mubaraks ins Amt gekommene, inzwischen wieder entmachtete ägyptische Präsident Mohammed Mursi es als „ethische Pflicht“, den Aufstand gegen das syrische Regime zu unterstützen. Zudem verglich er diese Aufstandsbewegung mit der Intifada der Palästinenser. Zustimmung erhielt er vor allem von der tunesischen Delegation, während die syrischen Teilnehmer den Saal erzürnt verließen. Noch weiter konnten die Narrative der Protagonisten des Arabischen Frühlings und der sogenannten iranisch-syrischen „Achse des Widerstandes“ kaum auseinanderdriften.


Der außenpolitische Gewinn Teherans bestand darin, dass erstmals seit 1979 wieder ein ägyptischer Präsident das Land besuchte, wurde jedoch durch die gegensätzliche Betrachtung der syrischen Aufstände infrage gestellt. Besonders deutlich brachte diese Erkenntnis der syrische Außenminister Walid al-Muallim auf den Punkt, der Präsident Mursi nach dessen Rede bescheinigte „weiteres Blutvergießen in Syrien zu verursachen“.


Da Teheran in den ersten Jahren – vor allem auf Wunsch der USA – aus den Gesprächen der Vereinten Nationen (UN) in Genf über den Syrienkrieg heraus gehalten wurde, startete Iran eigene diplomatische Initiativen. Mit dem 2012 vorgelegten „Sechs-Punkte-Plan“ und dem 2015 entwickelten „Vier-Punkte-Plan“ setzte Teheran vor allem auf den Status quo ante und die Bekämpfung der Gegner Assads. Weil die immer wachsende Bedrohung durch den Islamischen Staat (IS) und Al-Qaida-nahe Milizen auch bei den Syrienverhandlungen auf Ebene der Vereinten Nationen eine große Rolle spielte, gab es teilweise Überschneidungen zwischen den iranischen und den internationalen Bemühungen um eine Beilegung der Krise. Iran versuchte, den regionalen Ansatz in den Vordergrund zu stellen. So hatte ein von Teheran im September 2012 initiiertes „Islamisches Quartett“ – mit den Staaten Ägypten, Iran, Saudi-Arabien und der Türkei – die Absicht, diese vier wichtigen regionalpolitischen Akteure an einen Tisch zu bringen. Allerdings nahm der saudi-arabische Außenminister nicht an dem Treffen auf Außenministerebene teil, und die nur trilaterale Zusammenkunft blieb erfolglos.


Teherans Diplomatie: für ein Syrien mit Assad


Ein wesentlicher Unterschied der iranischen diplomatischen Initiativen zu den Bemühungen auf der Ebene der Vereinten Nationen war die Einstellung zum Überleben des Assad-Regimes. Teheran forderte in seinen Plänen, die Sanktionen gegen Syrien aufzuheben, verweigerte jegliche Druckausübung auf das Regime und unterstützte auch keinen – von außen initiierten – Machtwechsel in Damaskus.


Auch wenn die diplomatischen Initiativen aus Teheran de facto nur geringe Wirkung entfalteten und in der zentralen Frage der Regime-Transformation nicht an die UN-Syrien-Diplomatie anschlussfähig waren, so hatten sie in den Augen der Iraner dennoch ihre Berechtigung. Einerseits erschien der Iran – als wichtigster Unterstützer Syriens – grundsätzlich verhandlungsbereit, ohne von der Bündnispolitik mit Damaskus abrücken zu müssen. Andererseits wirkte der Iran stetig auf die Veränderung des Narrativs hin, dass das verheerende Kriegsgeschehen in Syrien vor allem dem syrischen Regime anzulasten sei. Teheran betätigte sich in dieser Frage sogar als Sprachrohr Damaskus’. Die Schrecken und Zerstörungen – durch die immer weitere Teile Syriens einnehmenden dschihadistischen Kämpfer des IS und Al-Qaida-naher Milizen – leisteten ihren Beitrag zur Untermauerung des iranisch-syrischen Gegennarrativs.


Die iranischen Verhandlungsformate zur Syrienkrise machten deutlich, dass der Iran – neben Russland – für die Interessen der syrischen Regierung einstehen würde, so wie auf der anderen Seite die USA, Saudi-Arabien und die Türkei für die Interessen der syrischen Opposition.


Einer Lösung in der Syrienkrise kam man allerdings nicht näher, da Teheran – genauso wenig wie Moskau – nicht dazu bereit war, den Machtwechsel in Damaskus zu forcieren oder die Regierung von Präsident Assad zumindest zu politischen Zugeständnissen zu zwingen. Die Unterstützung durch Teheran und Moskau führte bei der syrischen Regierung vielmehr zu einer verhärteten Position.


Vom Wiener Atomabkommen zu den Wiener Syriengesprächen


Iran hatte vor allem zum Anfang der Syrienkrise versucht, diese und andere regionale Fragen im Kontext der Nuklearverhandlungen zu thematisieren. Bei diesem Versuch war Teheran aber auf Ablehnung der fünf ständigen Mitglieder im UN-Sicherheitsrat und Deutschlands (P5 + 1) gestoßen. In der Praxis profitierte Teheran in seiner Syrienpolitik davon, dass durch das am 14. Juli 2015 in Wien vereinbarte Atomabkommen JCPoA der Sanktionsdruck auf Iran gelockert wurde. Die iranischen Investitionen in den Syrienkrieg wurden so für das Regime in Teheran – und insbesondere für die wirtschaftlich stark profitierenden iranischen Revolutionsgarden – erheblich erleichtert.


Wichtig war für Teheran der Erfolg bei den Nuklearverhandlungen vor allem hinsichtlich der Durchbrechung der diplomatischen und politischen Isolation, die die iranische Einbindung und Einflussnahme bei den internationalen Syrienverhandlungen bis zu diesem Zeitpunkt minimiert hatten. Das Atomabkommen bereitete somit – zumindest indirekt – den Boden für die Teilnahme Irans an den Wiener Syriengesprächen der Internationalen Unterstützergruppe für Syrien (ISSG).


Schon wenige Monate nach dem Abschluss der Nuklearverhandlungen eröffneten sich der iranischen Syriendiplomatie neue Spielräume. Auf Anregung des russischen Außenministers Sergej Lawrow wurde der Iran zu den Verhandlungen über die Lösung der Syrienkrise eingeladen. Bei den Gesprächen der ISSG, die am 30. Oktober 2015 in Wien begannen, wurde die weitgehend unveränderte iranische Haltung zur Lösung der Krise sichtbar: Zwar wurde ein durch die UN geführter und überwachter Prozess zwischen syrischer Regierung und syrischer Opposition mit dem Ziel einer neuen Regierung, einer neuen Verfassung und von Wahlen vereinbart, die weitere Rolle Assads blieb jedoch unklar. Neben Russland vertrat der Iran bei den Verhandlungen der zwanzig Teilnehmerstaaten die Linie, die Zukunft Assads durch Wahlen entscheiden zu lassen. Eine Ablösung Assads als Voraussetzung für einen politischen Transformationsprozess in Syrien wurde von Teheran mit der Begründung abgelehnt, dass dieser Eingriff in die inneren Angelegenheiten Syriens gegen die UN-Charta verstoße.


Die Verhandlungen wurden am 14. November 2015 mit der Wiener Erklärung der Unterstützergruppe beendet und beeinflussten die am 18. Dezember 2015 verabschiedete UN-Resolution 2254 maßgeblich. Diese sprach sich dafür aus, „einen unter syrischer Führungs- und Eigenverantwortung stehenden politischen Übergang sicherzustellen“, sowie dafür, „dass alle Parteien in Syrien […] auf dieses Ziel hinarbeiten müssen“. Hiermit wird zwar die syrische Regierung unter Präsident Assad mit in die Pflicht genommen, aber – ganz im Sinne Teherans – war von ihrer perspektivischen Ablösung keine Rede.


Astana-Format und Kampf um Idlib


Auch das seit Anfang 2017 – vom Iran, von Russland und der Türkei – durchgeführte Astana-Format bezieht sich auf die UN-Resolution 2254. Hier wurde durch die drei „Garantiemächte“ – trotz ihrer Unterstützung der gegnerischen Kräfte im Syrienkrieg – eine klare Prioritätensetzung verfolgt: die territoriale Einheit und Souveränität Syriens zu gewährleisten, das Ende der bewaffneten Auseinandersetzungen zu erreichen und den Kampf gegen den Terror so lange wie notwendig fortzusetzen.


Das Treffen der drei „Astana-Staaten“ am 7. September 2018 in Teheran hat aus iranischer Sicht einen maßgeblichen Beitrag dazu geleistet, das am 17. September 2018 zwischen Russland und der Türkei erzielte Sotschi-Abkommen – über die Lösung des Konflikts um die von syrischen Regierungstruppen belagerte Stadt Idlib – zu erwirken. Der Iran ist somit im Astana-Format – zumindest in der eigenen Wahrnehmung – in eine moderierende Funktion zwischen Moskau und Ankara geraten, um eine militärische Eskalation in Idlib zu verhindern. Hochrangige Diplomaten in Teheran sprachen sogar von einer „roten Linie“, die aus iranischer Perspektive durch hohe zivile Opferzahlen beim Kampf um Idlib überschritten würde.


Die iranische Syrienpolitik steht Ende 2018 vor großen Herausforderungen: Teheran will seinen diplomatischen Einfluss in den Syrienverhandlungen geltend machen, stößt dabei aber auf verstärkten Widerstand – insbesondere der USA. Diese zielen durch die neuen Sanktionen auf eine Verhaltensänderung Irans in seiner Regionalpolitik ab. Der Konflikt mit den USA begrenzt Irans wirtschaftliche Möglichkeiten bei der Unterstützung Assads, auch beim Wiederaufbau in Syrien. Dagegen könnte eine intensivere Kooperation mit den Europäern für Teheran attraktiver werden, da beide Seiten am Atomabkommen festhalten und Konflikte hierüber vermeiden wollen. Wollte Teheran seine Syrienpolitik künftig stärker mit den Europäern abstimmen, müsste es seinerseits den politischen Druck auf die Regierung von Präsident Assad erhöhen.


Oliver Ernst, geboren 1967 in Duisburg, Politikwissenschaftler und Publizist, Länderreferent Iran, Irak, Libanon, Syrien und Türkei im Team Naher Osten und Nordafrika, Hauptabteilung Europäische und Internationale Zusammenarbeit der Konrad-Adenauer-Stiftung.

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