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Veranstaltungsberichte

„Wer im heiligen Land nicht an Wunder glaubt, ist kein Realist“

Nahostexperte Henning Niederhoff zu Gast in Hannover

Vor rund 100 Gästen der KAS in Hannover berichtete Henning Niederhoff, ehemaliger Leiter des Auslandsbüro Ramallah der Konrad-Adenauer-Stiftung, in seinem Vortrag „Betrachtungen zur Lage im Nahen Osten“ von seiner Arbeit und seinen spannenden Erfahrungen aus dem Nahen Osten.

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Bei Henning Niederhoffs Ankunft in Ramallah 1996 wurde er von den Palästinensern herzlich begrüßt: „Ihr Deutschen habt es den Juden mal gezeigt“, so das fragwürdige Lob eines Palästinensers an den Leiter des sich im Aufbau befindenden Auslandsbüros Ramallah der Konrad-Adenauer-Stiftung. Ein „Lob“, welches unangenehmer kaum sein könnte und sogleich verdeutlichte, dass noch viel Aufklärungsarbeit und Völkerverständigung im heiligen Land zu verrichten sei.

„Das Westjordanland ist ein Flickenteppich“ erklärte Henning Niederhoff zu Beginn seines Vortrages. Anhand von Karten erläuterte der Nahostexperte die Problematik im Westjordanland, welches nach dem Teilungsplan der UN-Vollversammlung aus dem Jahr 1947 eigentlich für den Aufbau eines arabischen Staates angedacht war. Nach den arabisch-israelischen Kriegen und den damit verbundenen Gebietsgewinnen der Israelis und den Siedlungsbaumaßnahmen stelle sich die Situation nun allerdings anders dar. Israelische Siedlungen würden mittlerweile die gesamte West Bank und Ostjerusalem durchziehen, so Henning Niederhoff. Die palästinensischen Gebiete und Ortschaften seien durch den Siedlungsbau der Israelis zum Teil vollständig voneinander getrennt.

Flucht und Vertreibungen der Palästinenser im Jahr 1948 hätten „nie schließende Wunden“ hinterlassen. Selbst für die in dritter Generation vertriebenen Palästinenser seien die Dörfer ihrer Großväter und Urgroßväter im israelischen Kerngebiet noch immer „Heimat“. Auf der anderen Seite sehen die israelischen Siedler das von ihnen besiedelte Land als zugehörig zum Staate Israel.

Aus dieser Problematik ließen sich die äußerst gespannten Beziehungen zwischen den beiden Völkern ableiten. Beide Völker betrachteten sich als Opfer. Die Juden als Opfer des Holocausts, die Palästinenser als Opfer der Gründung des jüdischen Staates Israel. Ein gegenseitiges Verständnis fehle oft.

Um diesem fehlenden Verständnis entgegenzuwirken entwickelte Henning Niederhoff ein Projekt, durch das sich Vertreter beider Völker mit dem Leid der jeweils anderen Seite auseinandersetzen können. Er lud zunächst Palästinenser ein, gemeinsam mit ihm die Holocaustgedenkstätte Yad Vashem in Westjerusalem zu besuchen. Bei diesen Exkursionen zeigten sich die Palästinenser berührt, es begann sich ein Verständnis für das Leid der Juden zu entwickeln. Nach ersten positiven Erfahrungen entschloss sich Niederhoff, auch Israelis und Deutsche zu diesen Treffen in Yad Vashem einzuladen, so entstand ein Trialog zwischen Palästinensern, Israelis und Deutschen. Neben Yad Vashem besuchten diese gemischten Gruppen später auch einige zerstörte palästinensische Dörfer in Israel. Diese Begegnungen, so Niederhoff, hätten Ehrlichkeit und gegenseitiges Verständnis befördert. Ein wichtiges Ergebnis der Zusammenführung seien vor allem die persönlichen Bindungen. Der „Feind bekam ein menschliches Gesicht“, so Niederhoff. Überbewerten mochte Henning Niederhoff seine Arbeit allerdings nicht. Diese menschlichen Begegnungen seien allerdings nur ein „Tropfen auf dem heißen Stein“.

Henning Niederhoff berichtete außerdem über die zukünftigen Probleme in der Region. So würde sich die Bevölkerungszahl, insbesondere in den Palästinensischen Autonomiegebieten, dramatisch erhöhen. Diese Entwicklung werde zu massiven Problemen führen, angefangen bei der täglichen Suche nach Lohn und Brot. Der Grund für die hohe Kinderzahl im Nahen Osten sei vor allem die Altersvorsorge. Es gilt: Je mehr Kinder, desto abgesicherter im Alter. Weiter hätten die Revolutionen in Nordafrika und dem Rest der arabischen Welt die israelische Regierung „zutiefst verunsichert“, so Henning Niederhoff.

Trotz der schwierigen Lage in der Region zeigte sich Niederhoff am Ende seines Vortrages verhalten optimistisch. „Wer im heiligen Land nicht an Wunder glaubt, ist kein Realist“, so das Schlusswort des Nahostexperten, ein Zitat des ersten israelischen Ministerpräsidenten Ben-Gurion.

Hannes Hogeback

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Henning Niedehoff, Dr. Maria Flachsbarth, Jörg Jäger (v.l.) KAS

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