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Veranstaltungsberichte

Wir wollen Sie nicht, doch wir brauchen sie.

von Juliane Liebers

Quereinsteiger. Schule.

Sie bewerben sich, suchen sich eine Schule aus, haben ein Gespräch, bekommen noch ein wenig Kreide in die Hand und los geht’s mit dem Lehramt, unbefristet mit vollem Gehalt, ohne jegliche pädagogische Qualifikation. Das sind sie - die viel umstrittenen Quereinsteiger.

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Sie waren auch das eine Thema der Debatte für die Gäste der Konrad-Adenauer-Stiftung aus Politik, Lehramt und Gesellschaft bei der Veranstaltungsreihe „Bildung für die Zukunft-Stadtteilgespräch“ im ABACUS Tierparkhotel des Bezirks Berlin-Lichtenberg wert.

  • Im Jahr 2009 10 Quereinsteiger
  • Im Jahr 2016 468 Quereinsteiger
  • Im Jahr 2017 677 Quereinsteiger; davon ca. 20 Prozent ohne jegliche pädagogische Qualifikation
  • 53 Prozent der Quereinsteiger bereits in Grundschulen
  • 40 Prozent für alle Schularten

Warum wir sie nicht wollen.

Der Quereinsteiger per se habe zumeist keinerlei pädagogische Ausbildung. Er möge vielleicht promovierter Physiker sein, jedoch keine Idee davon haben, wie den Kindern Wissen zu vermitteln ist, erklärte Lehrer und Autor Robert Rauh. Dafür bekomme er gleiches Gehalt und Festanstellung? Die „wahren“ Lehrer fühlen sich betrogen. Es würde ihren Beruf entqualifizieren, berichtete die Berliner Lehrerin Gabriela Kasigkeit. Zudem sei es eine potenzielle Gefahr für die Schulbildung. Der Grundschulverband spricht sogar von einem Neuanfang der deutschen Bildungskatastrophe. Die Leistungsschere drifte somit weiter auseinander.

Warum wir sie brauchen.

Es herrscht akuter Lehrermangel: - die rollende Pensionierungswelle, krankheits- und überbelastungsbedingte Lehrerausfälle sowie die Fluktuation der Lehrer durch den Föderalismus sei kaum aufzuhalten. Die Geburtenrate steigt seit Jahren, geflüchtete Kinder kommen hinzu. Jedoch seien Lehramt-Studienplätze nicht nur rar, sondern sogar seit Jahren vom Staat gedeckelt. Warum? Lehrermangel ist nicht nur ein Berliner Problem. Bis 2025 fehlten in ganz Deutschland 35 000 Lehrer, so Rauh. Eine offizielle Statistik berichtet von aktuell zwei Prozent Unterrichtsausfall. Realistischen Berechnungen zufolge seien es jedoch 10 Prozent, das entspräche einem Jahr Unterrichtsausfall pro Kind.

Was muss sich für die Lehrer ändern?

Wir müssten die Lehrer von Bürokratie entlasten. Es brauche Nebenjobs an Schulen, Arbeitsgemeinschaften, Personal für die Verwaltung. Auch eine Entlastung bei der Unterrichtsverpflichtung, also die Reduzierung von Wochenstunden müsse gewährleistet sein. Dafür sollten pensionierte Lehrer zur Unterstützung kontaktiert sowie geflüchtete Lehrer gezielt für Schüler mit Migrationshintergrund angesprochen und speziell geschultes Personal für die kindgerechte Inklusion dem Lehrer zur Seite gestellt werden, forderte die Trägerin des Deutschen Literaturpreises Kasigkeit. Zudem brauche es weiterhin Förderschulen, um den Anforderungen überhaupt gerecht zu werden. „Denn die Belastung ist nicht mehr auszuhalten.“

Was muss sich für Quereinsteiger ändern?

Quereinsteiger würden von ihren „richtigen“ Lehrerkollegen oft nicht geschätzt. Um dem vorzubeugen, brauche es Maßnahmen zur Qualitätssicherung, so der Abgeordnete Danny Freymark. Ein erster, jedoch eventuell abschreckender, Einstieg könnte ein Aufnahmetest für soziale und kommunikative Fähigkeiten darstellen. Die verpflichtende Vorbereitungszeit von nur vier Wochen könnte verlängert, und dem Quereinsteiger eine professionelle Anleitung an die Hand gegeben sowie die Stundenverantwortung zu Beginn reduziert werden. Auch sollte eine Studienzeitverkürzung bei sehr guten Leistungen möglich sein und Stipendienprogramme für Quereinsteiger mit Bachelor Abschluss ohne Lehramtsbezug zur Verfügung gestellt werden. „Der Quereinstieg als Teil der Lösung, jedoch nicht als Dauerzustand.“

Worte an die Politik

Im Bereich der Bildung wurde jahrelang gespart. Das Ergebnis sind zu wenig Schulen, marode Schulen, Lehrermangel, Unterrichtsausfall. Die Politik sei mit ihrer Idee der Inklusion festgefahren und die Belastung der Lehrer und Schüler würde einfach in Kauf genommen. Die Diskutanten sind sich einig. „Das was hier geschieht, ist ein Verbrechen am Kind und am Lehrer.“

„Wir haben die Schulen versiffen lassen.“ „Nicht nur durch die Frage der Flüchtlingsunterbringung hätten die Kinder keine Turnhallen, sondern weil wir sie haben kaputt gehen lassen“, mahnte Freymark.

Die Bundesländer profilieren sich über ihre Bildungspolitik. Der Bildungsföderalismus habe sich jedoch längst überlebt. Lehrer und Schüler sind dabei die Leidtragenden. Es ist an der Zeit gleiche Rahmenbedingungen zu schaffen und in ganz Deutschland am gleichen Strang zu ziehen.

„Verwaltet nicht das Versagen, sondern gestaltet die Chancen!“ Denn „Jedes Kind hat das Recht auf bestmögliches Leben und bestmögliche Entwicklung.“

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