Länderberichte
Seit Jahren stagnieren EU-Integration und Verfassungsreform in BuH. Von dieser Stagnation profitieren vor allem die nationalistischen und anti-europäischen Kräfte im Land sowie einzelne Parteifürsten mit ihren nepotistischen Netzwerken. Besonders in der Entität der Republik Srpska (RS) scheint die Wahl zur Entscheidungswahl über die Ausrichtung der zukünftigen Politik des Landes zu werden. Was wird kommen: Reformwillen und Offenheit gegenüber der Föderation BuH oder Blockadehaltung und Reformstau? Die zentralen Fragen für den weiteren Weg von Bosnien Herzegowina werden demgemäß nach der Wahl von den neuen oder von den alten Akteuren in der RS gestellt.
Wo steht Bosnien Herzegowina?
Bosnien Herzegowina schläft seit der Unterzeichnung des Friedensabkommens im Dezember 1995 noch immer einen Dornröschenschlaf. Das Land ist weltweit anerkannt, nur die Mehrheit der eigenen Bevölkerung, die sich im Wesentlichen in drei unterschiedlich große ethnische Gruppen fächert, anerkennt ihren eigenen Staat nicht. Bis heute flammt der Gedanke der Abspaltung einzelner Teile immer wieder auf. Die Unzufriedenheit in der Bevölkerung ist groß. Im März 2014 überstiegen die offiziellen Zahlen der Arbeitslosigkeit erstmals die fünfzig Prozent-Hürde (51 %); die Jugendarbeitslosigkeit wird mit 72 Prozent angegeben. Damit ist eine Nachkriegs-Generation aufgewachsen, die im Beruf und damit in der Gesellschaft nicht gefragt ist. Korruption, Klientelismus und Vetternwirtschaft sind weit verbreitet. Auf dem Welt-Korruptions-Index steht das Land auf Platz 72 von 176 Ländern. Bei nur 3,6 Millionen Einwohnern leistet sich das Land 155 Minister in zwei Entitäten und 10 Kantonen. Vierundsechzig Prozent (64 % !!!) der Staatseinnahmen fließen 2014 in den Staatsapparat, ohne das dabei eine Straße, eine Schule oder ein Krankenhaus gebaut wäre.
Was bewegt Bosnien Herzegowina?
Bosnien Herzegowina hat ein Jahr mit zwei extremen Hochwasserkatastrophen hinter sich, bei dem das BNE eines gesamten Jahres als Schaden bilanziert werden musste. Zehntausendfach hochgeschwemmte Minen aus dem letzten Krieg, ein schweres Bergwerksunglück Anfang September, gewaltsame Proteste im Februar in mehr als 16 Städten, Korruptionsaffären ohne Ende, Islamistische Hassreden mit Rekrutierungsaufrufen für die IS sind nur eine Auswahl von Ereignissen der vergangenen sechs Monate, die das Land erschütterten. Mit Beginn des Wahlkampfes sind darüber hinaus die mehrfach öffentlich vorgetragenen Bekenntnisse des Präsidenten der RS für eine Referendum zur Abspaltung der Entität der RS vom Gesamtstaat BuH - nach Vorbild der Krim, der Ostukraine oder Schottlands - ebenso zu konstatieren wie die lautstarken Forderungen der bosnisch kroatischen Partei HDZBIH nach Schaffung einer dritten Entität mit gleichen Rechten wie sie die Bürger in der RS haben - oder aber erste Hassreden in den Medien und erste Anschläge auf Moscheen in der RS sowie erste Brandanschläge auf katholische Kapellen in der Föderation als Beginn eines wortwörtlich heißen Wahlkampfes festzuhalten.
Wer steht zur Wahl?
Bei der Wahl am 12. Oktober sind neben den Mitglieder des Präsidiums, die Abgeordnete auf der Ebene des gesamtstaatlichen Parlamentes der beiden Entitäten und die Abgeordneten der zehn Kantone zu wählen. Darüber hinaus werden auch die Stimmen für den Präsidenten der RS abgegeben.
Insgesamt haben 3.278.908 Wähler die Gelegenheit, zwischen 7.743 Kandidaten aus 732 Kandidatenlisten die neue Regierung zu wählen. Von dieser Zahl werden etwa 2 Millionen Wähler in der Föderation und 1.2 Millionen Wähler in der RS abstimmen. Für die Wahlen sind 113 „politische Einheiten“ bestätigt worden, von denen 65 politische Parteien, 24 Koalitionen und 24 unabhängige Kandidaten als eigenständige Einheiten ausgewiesen sind. Etwa 10 - 15 Parteien sind dabei als „starke Parteien“ zu sehen, die aber in jedem Fall Koalitionen mit anderen Parteien eingehen müssen. Mit einer Regierungsbildung rechnet niemand vor Ende März 2015.
Wann beginnt der Wahlkampf?
Der offizielle Wahlkampf begann am 12. September, exakt einen Monat vor dem eigentlichen Wahlsonntag. In diesen vier Wochen ist es den politischen Parteien erlaubt, ihr Programm und ihre Kandidaten sowohl den Wählern als auch der breiten Öffentlichkeit vorzustellen. Der Kampf um die öffentliche Meinung zwischen den Parteien begann allerdings erheblich früher. Bereits im Mai und Juni waren erste Wahlplakate in den größeren Städten aufgestellt und entsprechende Wahlaussagen über die Medien zu vernehmen. In den Zeitungen sind derzeit täglich Erfolgsmeldungen der Regierung(en) zu lesen, was diese in der letzten Legislaturperiode für das Land bzw. für die jeweilige Entität erreicht habe oder erreicht haben will. Autobahnabschnitte und Autobahntunnel werden ebenso feierlich übergeben wie Straßen und Gehwege um und in der Hauptstadt in Eile – deutlich sichtbar – saniert werden, nachdem sie über viele Jahre verwaist brach lagen. Aber auch die Kritik der Opposition ist in den Medien laut zu vernehmen. Sie zählt auf, was die Regierung(en) nicht in ausreichendem Maße getan haben. Die Detailfülle erstaunt und zeigt, jeder hat seine Hausaufgaben gemacht, um die genauen Informationen für sich zusammen zu tragen.
Erste Koalitionsaussagen?
Schon Monaten vor den Wahlen sind einige Koalitionen zwischen den Parteien gebildet und teilweise öffentlich bekannt gemacht worden. Entweder sind dies Koalitionen in Form von offiziellen Parteibündnissen, die gemeinsam an den Wahlen teilnehmen oder aber es sind Koalitionen auf Basis einer inoffiziellen Abmachung, um sich wechselseitig zu unterstützen, aber die Bildung der Koalition tatsächlich erst nach den Wahlen öffentlich zu verkünden.
Die Wahlen selbst finden dabei auf dem gesamten Gebiet von Bosnien und Herzegowina statt. Der Wahlkampf wird hingegen von den Parteien separat in der Föderation und in der RS durchgeführt. Es gibt Parteien die in beiden Entitäten Kandidaten stellen. In der Föderation BuH sind allerdings andere Parteien im Wahlkampf zu finden als in der RS. ...
Lesen Sie den gesamten Länderbericht im pdf.