Asset-Herausgeber

Veranstaltungsberichte

Grenzgänge in Oberschlesien

Studienreise vom 7. - 13. August 2018

Eine Studienreise der KAS führte Anfang August durch die Industrieregion und Landschaft in Oberschlesien. Das Programm mit Bildern finden Sie mit dem Link rechts auf dieser Seite, einen Tagebuchbericht einer Teilnehmerin hier im Anschluss.

Asset-Herausgeber

Tagebuch-Eintrag

Zurück aus Oberschlesien. Eine Studienreise, die schon nach rund zwei Stunden die Herzen höherschlagen ließ. Als nämlich rechter Hand das Schlesische Riesengebirge mit seiner markanten Schneekoppe für einige Zeit am Horizont sichtbar wurde. Eine Reise, bei der wir mit Besuchen auf dem St. Annaberg, in der ehemaligen Steinkohlegrube Guido in Hindenburg und dem aufgelassenen Silberwergwerk in Tarnowitz, dem Schloss Pless und der Schlossruine von Joseph von Eichendorf sowie der Kirche in Brieg einen tiefen Eindruck von diesem ehemals deutschen Landstrich bekamen.

Der 406 m hohe St. Annaberg ist ein beliebter Wallfahrtsort, der die deutsch-polnische Geschichte Schlesiens widerspiegelt. Die beiden Gruben führten uns vor allem das armselige Dasein der Bergleute vor Augen, die kein langes Leben zu erwarten hatten. Aber ohne den Betrieb des Bergbaus sieht die Chose heute auch nicht viel besser aus. Die Polen leiden unter derselben Misere wie wir. Es geht einerseits um die Erhaltung von Arbeitsplätzen und andererseits um die Umwelt bzw. die Unrentabilität angesichts ausländischer Konkurrenz. Das Steinkohlebergwerk gehörte einst der Familie von Donnersmarck, die in ihrer Zeit zu den reichsten Bürgern Deutschlands gehörten. Es ist erstaunlich, wie die Polen das deutsche Fürstengeschlecht erwähnen und fast mit Stolz berichten, dass es noch Nachfahren aus der Familie gibt und einer sogar ein erfolgreicher Regisseur ist.

Das Schloss Pless war, was keiner der Reiseteilnehmer wusste, im Ersten Weltkrieg das Hauptquartier der Wehrmacht für die Ostaktivitäten. Ein Bild, das Kaiser-Wilhelm mit Hindenburg und Ludendorff an einem Kartentisch zeigt, ist dort entstanden. Ein Bild, das in keinem Geschichtsbuch fehlt. Am Fuße des Beskidengebirges birgt das kleine Städtchen Pless (Pszczyna) nicht nur das stolze Schloss, sondern auch einen prächtigen Park und einen restaurierten Palast, in dem wir in feudalem Ambiente recht gut zu Mittag aßen. Die Kirche in Brieg schließlich überraschte mit seiner völlig erhaltenen Tromp-l`oeil-Malerei.

Die größeren Städte Oppeln, Kattowitz und Gleiwitz, die wir nacheinander kennenlernten, sind dagegen keine so interessanten Orte, derentwegen man eine Reise dorthin planen muss. Sie leiden unter dem Niedergang der Schwerindustrie und dem Abzug ihrer Bevölkerung. Was aber an dieser Reise von besonderem Interesse war, das ist die Auseinandersetzung mit der wechselvollen Geschichte dieses Landstrichs. Erst polnisch, dann böhmisch, habsburgisch und schließlich preußisch. Nach dem Ersten Weltkrieg dann die Abstimmung zugunsten Deutschlands, aber dennoch die zwangsweise Abtretung Oberschlesiens an Polen. Ein Zankapfel bis in die jüngste Vergangenheit. Nun aber herrscht Friede und selbst die deutsche Zeit wird, wie ich schon erwähnte, nicht mehr unter den Teppich gekehrt und wird überall getreulich geschildert, als wäre es die eigene Angelegenheit der Polen. Also im Vordergrund steht die objektive Geschichte Schlesiens zu der selbstverständlich die Deutschen gehören und nicht nationaler polnischer Egoismus. Sehr erfreulich!

In diesem Zusammenhang muss ich die Schlesienausstellung im Museum in Kattowitz erwähnen, die diese Sachverhalte bewundernswert schildert. Mit vielen Bildern aus allen Epochen des Landes und Artefakten sowie Erlebnisecken und Filmen. Wirklich bewundernswert. So gekonnt und objektiv, dass ich den Verlust dieses ehemaligen deutschen Landes nun lockerer sehe. Es kommt nicht oft vor, dass mich eine Ausstellung so fasziniert, wie diese in Kattowitz. Und noch ein Ereignis nahmen wir mit gleicher Begeisterung auf. Es war eine Tanz- und Gesangsdarbietung oberschlesischer Folklore des Ensembles Schlesien im Hof des Schlosses Koschentin/Koszecin. Eine hinreißende Musik mit packendem Rhythmus und dem Ausdruck voller Lebensfreude. So unaussprechlich die slawische Sprache für uns ist, so sehr schätze ich sie bei diesem Volksgesang. Hier war das keine billige Unterhaltung für gelangweilte Touristen, sondern mehr ein Volksfest, bei dem die Zuschauer jeden Alters begeistert dabei waren. Und unsere Reisegruppe genauso, wenngleich wir recht bald aufbrechen mussten, damit unser Fahrer bis zum nächsten Tag seine elf Stunden Ruhepause hatte. Die polnische Sprache ist in der Tat für uns fast unaussprechlich und so erklärt sich auch der polnische Name für die Deutschen: Niemiecki = die Stummen/Sprachlosen.

Als wir heute Abend den Reisebus am Berliner Hauptbahnhof verließen, hatten wir das Gefühl eine lohnenswerte Exkursion unternommen zu haben, bei der wir obendrein noch nette Menschen kennengelernt haben. Besonders Sie Herr Raabe mit ihrem zweiten Ego dem polnischen Marek muss ich hier erwähnen, die stets die Ruhe bewahrten und mit ihren informativen Vorträgen die Reise zu einer echten Studienreise entwickelten und obendrein mit Humor und ansteckendem Frohsinn die Zeit zu einem Erlebnis werden ließen. Wir danken Ihnen!

Glück auf! Glück auf! Volkslied (1740) Volksweise (18. Jh.)

Liedtext

Glück auf, Glück auf, der Steiger kommt.

: Und er hat sein helles Licht bei der Nacht, :|

: schon angezünd’t :|

Schon angezünd’t! Das gibt ein’n Schein,

: und damit so fahren wir bei der Nacht, :|

: ins Bergwerk ein :|

Ins Bergwerk ein, wo die Bergleut’ sein,

: die da graben das Silber und das Gold bei der Nacht, :|

: aus Felsgestein :|

Der Eine gräbt das Silber, der and’re gräbt das Gold,

: doch dem schwarzbraunen Mägdelein, bei der Nacht, :|

: dem sein wir hold :|

Ade, nun ade! Lieb’ Schätzelein!

: Und da drunten in dem tiefen finst’ren Schacht, bei der Nacht, :|

: da denk’ ich dein :|

Und kehr ich heim, zum Schätzelein,

: dann erschallet des Bergmanns Gruß bei der Nacht, :|

: Glück auf, Glück auf! :|

Asset-Herausgeber

Kontakt

Stephan Georg Raabe

Stephan Georg Raabe bild

Landesbeauftragter und Leiter Politisches Bildungsforum Brandenburg

Stephan.Raabe@kas.de +49 331 748876-0 +49 331 748876-15
Oberschlesien Reisegruppe

comment-portlet

Asset-Herausgeber