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Opposition im Aufwind?

Polen nach dem Rechtsruck - die Parteienlandschaft verändert sich

Auf einem Forum in Potsdam zum Thema "Opposition im Aufwind", das die Konrad-Adenauer-Stiftung in Kooperation mit der Deutsch-Polnischen Gesellschaft Brandenburg, dem Institut für Slavistik der Universität Potsdam und dem Opole-Club Potsdam durchführte, wurde am 10. Mai 2016 über die aktuelle politische Situation in Polen diskutiert.

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Ein halbes Jahr nach der Machtwechsel in Polen, eingeleitet durch den überraschenden Sieg Andrzej Dudas (43) von der national-konservativen Partei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) bei den Präsidentschaftswahlen im Mai 2015 und vollendet durch den Gewinn der absoluten Mehrheit der Parlamentssitze durch die PiS mit 37,6 Prozent im Oktober 2015 bei den Parlamentswahlen, ist das Land in einer kritischen politischen Situation. Die neue Regierung versucht ihre politische Macht auch über die öffentlich-rechtlichen Medien, den Beamtenapparat, die Justiz und sogar über das Verfassungsgericht auszubreiten. Insbesondere letzteres rührt an die Grundfesten der Gewaltenteilung und führt zu deshalb zu einem Konflikt mit der EU. Aber auch im Land selbst regt sich öffentlicher Widerstand in Form einer außerparlamentarischen Opposition unter Führung des Komitees zur Verteidigung der Demokratie (KOD).

Rechtsruck in Polen

Die Parteienlandschaft in Polen hat sich unterdessen grundsätzlich verändert: Die Niederlage der bisherigen Regierungspartei, der liberal-konservativen „Bürgerplattform“ (PO, 24,1 %), das Ausscheiden der „Vereinigten Linken“ (ZL, 7,6 % - da als Parteienbündnis angetreten, gilt eine 8 % Hürde für den Einzug ins Parlament) und das gute Wahlergebnisse der neuen rechtspopulistischen Partei „Kukiz 15“ (mit 8,8 % drittstärkste Kraft) hat zu einem Rechtsruck geführt. Denn PiS, Kukiz und die paläokonservativ-libertäre Korwin-Mikke Partei (KORWiN, mit 4,8 % knapp an der 5 % Hürde gescheitert) kommen zusammen auf 51,2 % der abgegebenen Wählerstimmen. Die Opposition von PO, der neuen liberalen Partei „Nowoczesna“ (Die Moderne, 7,6 %) und der bäuerlichen Volksparatei (PSL, 5,1 %) kommen nur auf 36,8 Prozent, also etwas mehr als ein Drittel der abgegebenen Stimmen.

Über die Gründe und Aspekte des Rechtsrucks in Polen diskutierten aus unterschiedlichen Perspektiven

Piotr Buras, Journalist und Leiter des Warschauer Büros des European Council on Foreign Relations, Florian Kellermann, Osteuropa-Korrespondent von Deutschlandfunk und Deutschlandradio Kultur mit Sitz in Warschau und Prof. Dr. Arkadiusz Stempin, Professor am Konrad-Adenauer-Lehrstuhl für Europäische Integration an der Józef-Tischner-Hochschule in Krakau unter der Moderation von Prof. Dr. Magdalena Marszałek von der Universität Potsdam.

Gründe für den politischen Wechsel

Neben dem Überdruss an der bisherigen Regierung von Bürgerplattform (PO) und Volkspartei (PSL), die mit einigen Skandalen und einem Mangel an Zukunftsperspektiven das Vertrauen beim Wähler verloren hatte, waren die mentalen und auch regionalen Unterschiede zwischen der jüngeren und der älteren Generation, Stadt und Land sowie Ost und West in Polen, dem sogenannten "Polen A und B" ein wichtiges Thema der Diskussion. Ein anderer Aspekt betrifft die nach wie vor bedeutende Rolle der katholischen Kirche im Land, wobei jedoch nicht so genau festzumachen ist, wie sich deren Einfluss politisch tatsächlich auswirkt.

In Deutschland hat man in den vergangenen acht Jahren einer ruhigen und eigentlich erfolgreichen politischen Entwicklung im Nachbarland Polen unter der Regierung von Donald Tusk (PO) vielleicht etwas die Aufmerksamkeit für die politische Entwicklung dort verloren und neben dem liberalen, modernen Polen das eher ländlich, konservativere und stark national geprägte Polen fast ganz aus den Augen verloren. Die Überraschung ist deshalb umso größer, dass nun gerade dieser Teil Polens bei den Wahlen Mehrheiten gewonnen hat und politisch den Ton angibt.

Dabei spielen gerade auch soziale Fragen, etwa Kindergeld und Familienpolitik, womit die PiS punkten konnte, eine nicht unwesentliche Rolle. Aber auch die Flüchtlings- und Migrationspolitik in Europa hatte Auswirkungen auf die Wahlen. Gründe für die Zurückhaltung bei der Aufnahme von größeren Zahlen von Migranten gibt es einige: das Land hat bisher kaum Erfahrung mit der Integration größerer Populationen aus anderen Kulturen und nimmt gleichzeitig skeptisch die diesbezüglichen Probleme in anderen europäischen Ländern wahr; da in den letzten Jahren mehr als zwei Millionen meist junge Menschen aus Polen auf der Suche nach Arbeit und Lebensperspektive ausgewandert sind, kann das Land Flüchtlingen oder Zuwanderern kaum Perspektiven bieten, auch weil über eine Millionen Menschen zwischenzeitlich aus der Ukraine eingewandert sind, die meisten auf der Suche nach Arbeit, einige aber auch als Flüchtlinge wegen des von Russland in der Ost-Ukraine geführten Krieges; darüber hinaus sind Regierung und Opposition gegen eine Politik offener Grenzen, eine automatische und zwangsweise Umverteilung von Flüchtlingen/Migranten und die Aufnahme vieler Menschen: Kontrolle der EU-Außengrenzen, Hilfe und Unterbringung vor Ort werden bevorzugt angestrebt.

Opposition im Aufwind?"

Vor diesem Hintergrund, der politischen Spaltung in Polen, den Protesten auf der Straße gegen die neue Regierung, und den skeptischen Blicken aus den Partnerländern überrascht die doch relative stabile Zustimmung zur PiS-Regierung in den Umfragen. Sie führte im Mai weiter mit 36 % das Ranking der Parteien an (Umfrage des Instituts CEBOS), gefolgt von der PO mit 16 % und Nowoczesna mit 14 %, deren Aufwind als neue Partei erstmal nachgelassen hat. Kukiz'15 ist mit 6 % etwas schwächer vertreten, die Volkspartei (PSL) liegt bei 5 %, das Linksbündnis (SLD) weiter bei nur 4 %. So fehlt im Parteienspektrum eine sozialdemokratische oder linke Partei, im sozialen Bereich wird dieser Part von der PiS ausgefüllt. Ebenso fehlt traditionell eine Grüne Partei. Solche Bewegungen sind in Polen bisher auf keinen grünen Zweig gekommen, da andere Themen und Probleme im Vordergrund standen. So ist es doch zumindest parteipolitisch eine andere Welt, die wir in Polen vor uns haben, die aber genauso zur Europäischen Union gehört und diese politisch mit prägt, handelt es sich doch bei Polen immerhin um das fünftgrößte Land der Union mit einer aufstrebenden Wirtschaft.

Grund genug, die politische Lage in ihrer Differenziertheit im Auge zu behalten, was auf das rege Interesse von über 100 Teilnehmern im Saal des Alten Rathauses, heute Stadtmuseum am Alten Markt in Potsdam, stieß und zu einer lebhaften Diskussion führte.

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Kontakt

Stephan Georg Raabe

Stephan Georg Raabe bild

Landesbeauftragter und Leiter Politisches Bildungsforum Brandenburg

Stephan.Raabe@kas.de +49 331 748876-0 +49 331 748876-15
Podiumsdiskussion, Eröffnung durch Stephan Raabe von der Konrad-Adenauer-Stiftung Brandenburg Deutsch-Polnische Gesellschaft Brandenburg e.V.

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