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Länderberichte

Präsidentschafts- und Parlamentswahlen in Nikaragua

von Reinhard Willig

Daniel Ortega vor dem Sieg im ersten Wahlgang ?

Am 05. November 2006 waren rd. 3,6 Mio Bürger aufgerufen, den Präsidenten und seinen Vize-Präsidenten, 90 Parlamentsabgeordnete und 20 Abgeordnete für das Zentralamerikanische Parlament (PARLACEN) zu wählen. Die neuen Mandatsträger treten ihr Amt am 10. Januar 2007 an.

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Erste Trendmeldungen sehen Daniel Ortega als Sieger im 1. Wahlgang

Bislang liegen zwei Trendmeldungen anhand von Teil- Ergebnissen vor:

  • ein vorläufiger Zwischenstand seitens des Obersten Wahlgerichts auf der Grundlage der Auszählung der Stimmen von rd. 60 % der 11.300 Wahlzentren (rd. 1,5 Mio Stim-men) sieht Daniel Ortega (Sandinistische Befreiungsfront - FSLN) mit 38,7 % in Führung, gefolgt von Eduardo Montealegre (Nationale Liberale Allianz - ALN) mit rd. 31%, José Rizo (Liberale Verfassungspartei - PLC) mit 22,8 % und Edmundo Jarquín (Sandinistische Erneuerungsbewegung - MRS) mit 7,3 %. Edén Pastora (Christliche Alternative - AC) liegt bei rd. 0,3 %.
  • ein Zwischenergebnis seitens der nationalen Wahlbeobachtergruppe Etica y Transparencia auf der Grundlage von 1.200 Wahlzentren (mit ca. 350.000 Wählern), das Daniel Ortega ebenfalls auf dem ersten Platz mit 38,5 % sieht, gefolgt von Eduardo Montealegre mit rd. 30 %, José Rizo mit 24, 2 % und Edmundo Jarquin mit 7,4 %. Edén Pastora werden 0,4 % zugerechnet.
Damit zeichnet sich ein Wahlsieg von Daniel Ortega bereits im ersten Wahlgang dank einer speziellen Klausel im Wahlgesetz ab. Danach kann ein Kandidat zum Präsidenten bereits im ersten Wahlgang gewählt werden, wenn er statt der erforderlichen 40 % der Stimmen mindestens 35 % auf sich vereinigt und die Differenz zum Zweitplazierten mehr als 5 % beträgt.

Gleichzeitig überrascht die geringe Stimmabgabe für den Sandinisten-Dissidenten Jarquín, der von über 15 % in den Umfragen auf knapp 8 % regelrecht abstürzte. Ebenso läßt sich im Vergleich der Stimmabgabe für den Präsidenten und das Parlament feststellen, daß sich rd. 10 % der Anhänger des Kandidaten Montealegre bei den Parlamentswahlen für die Listen von MRS und PLC entschieden haben, während die Anhänger der Sandinisten keine unterschiedlichen Präferenzen zeigten und „en bloc“ wählten.

OEA schließt Wahlbetrug aus

Die Wahlen dürften als eine der am meisten beobachteten in die Geschichte des Landes eingehen. Etwa 16.000 nationale und 1.800 internationale Beobachter überwachten den Wahlgang. Allein die OEA hatte 200 Beobachter mobilisiert, darunter die Ex-Präsidenten Jimmy Carter (USA), Alejandro Toledo (Perú) und Nicolás Ardito Barletta (Panamá). OEA-Generalsekretär José Miguel Insulza äußerte sich zufrieden über den Wahlgang, der entsprechend des geltende Rechts verlaufen sei.

Aussetzung der Stimmenauszählung in Managua

Am frühen Nachmittag des 06. Novembers wurden aufgrund mehrerer lokaler Stromausfälle und des Hinweises auf die Existenz eines Störprogramms im Computersystem, das die eingegebenen Ergebnisse der einzelnen Wahlakten veränderte, ausgesetzt. Eine Wiederaufnahme der Auszählung soll am 07. November erfolgen, wenn die Originalakten aus den einzelnen Stadteilen vollständig eingegangen sind und mit den bis dahin vorgenommenen Computer-Eingaben verglichen werden können.

Fortsetzung des politischen Paktes im zukünftigen Parlament ?

Die vorliegenden Trendmeldungen lassen eine schwierige politische Konstellation im Parlament erwarten. Für die Sandinisten ergeben sich zwischen 34 und 36 Sitze, die ALN kann mit 24 – 27 Sitzen rechnen, die PLC mit 20 – 24 und die MRS mit 5 – 9 Sitzen. Hinzu kommen entsprechend der Verfassung weitere Sitze für den gegenwärtigen Präsidenten und seinen Vize-Präsidenten.

Damit ergibt sich für Sandinisten und PLC, die im Jahre 2000 einen politischen Pakt zur partitätischen Besetzung der staatlichen Gewalten geschlossen hatten, eine klare Mehrheit und möglicherweise eine 2/3-Mehrheit. Angesichts der „Handverlesung“ der PLC-Parlamentskandidaten durch Ex-Präsident Arnoldo Alemán kein unwahrscheinliches Szenarium.

Der Wahlausgang bleibt noch offen

Viel wird davon abhängen, wie hoch letztendlich die Wahlbeteiligung ist. Sie wird von den Wahlbeobachtern auf rd. 70 % geschätzt, was angesichts der traditionell hohen Werte von 80 – 90 % als gering anzusehen ist. Wenn die Einschätzung stimmt, dürften die schleppende Ausstellung der für die Wahlteilnahme erforderlichen Personalausweise seitens des von den Sandinisten beherrschten Obersten Wahlgerichts sowie die verspätete Öffnung vieler Wahllokale (rd. 1/3 wurden erst nach 08:30 h statt um 07:00 h geöffnet) dazu beigetragen haben. Je geringer die Wahlbeteiligung ist, desto höher dürfte der Stimmenanteil der bestens organisierten Sandinisten sein.

In der zentralen Stimmauszählung im National-Stadion in Managua laufen nun die Ergebnisse der vorwiegend ländlichen Regionen des Landes ein (rd. 1,3 Mio Stimmen). Es bleibt abzuwarten, ob sich der generelle Trend zugunsten eines Wahlsieges der Sandinisten im ersten Wahlgang noch ändert, und die Stimmendifferenz zwischen Daniel Ortega und Eduardo Monetalegre unter die magische Zahl von 5 % drückt. Dazu wären weniger als 50.000 Stimmen ausreichend. Momentan beträgt die Differenz ca. 7,5 % . Als Folge ist dann eine Stichwahl zwischen Beiden Anfang Dezember erforderlich, bei der sämtlichen Umfragen zufolge Eduardo Montealegre als Sieger hervorgehen würde.

Traditionell ist die PLC in den ländlichen Gebieten stark und könnte durch einen Stimmenzuwachs zulasten der Sandinisten die Funktion eines „Steigbügelhalters“ für Eduardo Montealegre übernehmen. Obwohl die Sandinisten hier aufgrund ihres überwältigenden Wahlsieges bei den letzten Kommunalwahlen wichtigen Boden wettmachen konnten, ist die ländliche Bevölkerung noch stark überkommenen politischen Verhaltensweisen verhaftet und hat am meisten unter den Bürgerkriegswirren in der sandinistischen Regierung gelitten.

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Kerstin von Bremen

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