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Präsidentschaftskandidat Ottón Solís zweifelt die Ergebnisse der Präsidentschaftswahlen vom 5. Februar 2006 an

von Reinhard Willig
In einer knapp 5-minütigen Fernsehansprache über eine Senderkette der Kanäle des Landes forderte der Präsidentschaftskandidat Ottón Solís der PAC (Partei der Bürgeraktion) eine Überprüfung der Wahlzettel von 10 % der Wahlurnen, bei denen es nach seiner Meinung zu Unregelmäßigkeiten gekommen war. Zudem forderte er seinen Konkurrenten Oscar Arias auf, sich im Namen transparenter Wahlen ebenso dafür einzusetzen.

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Virtueller Wahlsieger Oscar Arias nach manueller Stimmenauszählung

Die Präsidentschafts-, Parlaments- und Stadtratswahlen vom 5. Februar 2006 endeten angesichts des knappen Wahlausgangs ohne ein vorläufiges amtliches Endergebnis. Stattdessen begann das Oberste Wahlgericht, das in Costa Rica den Rang einer unabhängigen Staatsgewalt hat, die vorgeschriebene manuelle Auszählung der mehr als 6.800 Wahlurnen. Das amtliche Endergebnis der Präsidentschaftswahlen sollte am 22. Februar 2006 bekannt gegeben werden. Angesichts der (vor allem seitens des PAC) eingegangenen mehr als 560 Anfechtungen wird sich der Zeitpunkt auf Anfang nächster Woche verschieben, aber immer noch in dem gesetzlich vorgeschrieben Zeitraum von 30 Tagen nach dem Wahlgang liegen. Es zeichnete sich ein überraschendes Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen dem Nobelpreisträger und ehemaligen Präsidenten des Landes, Oscar Arias von der sozialdemokratischen PLN (Partei der Nationalen Befreiung), und Ottón Solís von PAC ab. Der letzte Stand der manuellen Auszählung auf der Basis von rd. 95 % der Wahlurnen ergab einen Vorsprung von mehr als 10.000 Stimmen für Oscar Arias. Zwar konnte Solís die vier Provinzen des Hochtals um die Hauptstadt San José für sich entscheiden, doch trug Arias in den restlichen drei agrarisch strukturierten Provinzen einen klaren Sieg davon. Da beide Kandidaten voraussichtlich mehr als die von der Verfassung vorgeschriebenen 40 % der gültigen Stimmen auf sich vereinigen, wird es nicht zu einer Stichwahl kommen.

Stärkung der radikalen Kräfte

Schon während der Auszählung der Stimmen kam es zu Anfechtungen bezüglich der Ergebnisse an einzelnen Wahlurnen, über die vom Wahlgericht fortlaufend entschieden wurde.

Die Zweifel von Ottón Solís am rechtmäßigen Zustandekommen des Wahlergebnisses stellen in Costa Rica einen einmaligen und politisch äußerst sensiblen Vorgang dar, gerade vor dem Hintergrund des Bürgerkriegs von 1948, der aufgrund einer Wahlfälschung entstanden war. Darüber hinaus beinhalten sie eine Belastungsprobe für die Institutionalität des politischen Systems. Das Wahlgericht gab unmittelbar nach der Fernsehansprache die Ablehnung der Forderungen von Solís bekannt mit dem Hinweis, dass eine solche Forderung bereits formal eingereicht und negativ beschieden worden war. Die Wahlbeobachter des PAC hatten zudem die Revision der fraglichen Wahlurnen akzeptiert. In Kommentaren zur Fernsehansprache wehrten sich verschiedene gesellschaftliche Gruppen dagegen, dass punktuelle Probleme die Legitimität des gesamten Wahlprozesses und seiner Institutionalität infrage stellen. Auch Sprecher der im Parlament vertretenen Parteien forderten Respekt gegenüber der Arbeit des Wahlgerichts. Der virtuelle Wahlsieger Oscar Arias verwies auf die Kompetenzen des Wahlgerichts.

Der zukünftige Präsident verfügt somit angesichts des voraussichtlichen knappen Wahlresultats und den von Solís geäußerten Zweifeln an der Transparenz über eine äußerst begrenzte Legitimität und es ist anzunehmen, dass die soziale Konfliktivität weiter zunimmt, so dass ein Konsens zwischen PAC und PLN für die dringend erforderlichen Reformen nicht zu erwarten ist. Es besteht die Gefahr, dass der neue Präsident von Anfang zu einer „lame duck“ wird und eine Schattenregierung unter dem Oppositionsführer Solís die Regierungsfähigkeit einschränkt. Insgesamt beruhte die im Übrigen kostspielige Fernsehbotschaft offensichtlich auf einer grandiosen Fehleinschätzung der Situation und nützt hauptsächlich den radikalen Kräften des Landes.

In diesem Zusammenhang muss an eine Versammlung der linksoppositionellen Kräfte im letzten Jahr angesichts des Widerstandes gegen die Unterzeichnung und Ratifizierung des Freihandelsabkommens mit den USA erinnert werden. Herausragende Verlautbarung dieses Treffens war, dass man eine Wahl von TLC-Verteidiger Oscar Arias zum Präsidenten nicht anerkennen würde. Als formale Begründung diente die Entscheidung des Verfassungssenats, eine Wiederwahl des Staatspräsidenten zuzulassen, dem bis dahin eine entsprechende Verfassungsnorm entgegenstand. Die Infragestellung der Transparenz des Wahlprozesses und die dadurch begrenzte Legitimität des zukünftigen Präsidenten werden zweifellos als Kohäsionspunkt reformfeindlicher Gruppen dienen.

Entscheidende Bedeutung der politischen Mitte

Die in den Präsidentschaftswahlen klar ersichtliche Polarisierung zwischen Oscar Arias und Ottón Solís spiegelt sich allerdings nicht im Ergebnis der Parlamentswahlen wieder. Nach den bisherigen Tendenzen wird es neben PAC und PLN weitere politische Gruppen um die liberale Partei PML, die Christdemokraten und weitere einzelne Abgeordnete geben, die zusammen über 14 Sitze verfügen werden und gegenüber 25 der PLN und 18 des PAC den Ausschlag für Parlamentsmehrheiten geben. Damit kommt der durch die Wahlniederlage der christlich-demokratischen PUSC geschwächten politischen Mitte eine neue Bedeutung für Reform- und Regierungsfähigkeit zu.

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Kontakt

Dr. Werner Böhler

Dr

Leiter des Auslandsbüros in Costa Rica und Panama

werner.boehler@kas.de +506 2296 6676
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7. Februar 2006
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