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Wie das Update für Deutschland gelingen kann

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In vielen Bereichen des Staates herrscht immenser Modernisierungsbedarf. Die Pandemie hat einerseits Schwächen unseres Staatswesens offengelegt – von der mangelhaften Digitalisierung der Schulen und Gesundheitsämter über langwierige Diskussionsprozesse zu Warn- und Kontaktnachverfolgungs-Apps bis hin zur schleppenden Auszahlung von Finanzhilfen. Sie hat andererseits auch enorme Stärken unseres Landes gezeigt und neue Ressourcen aktiviert: Die Forschungsleistung, die hinter der Entwicklung des mRNA-Impfstoffs steckt, ist sensationell. Das deutsche Gesundheitswesen erwies sich aller Kritik zum Trotz noch immer als eines der besten der Welt. Beeindruckend waren auch die Ideen und das Engagement der Zivilgesellschaft bei der Krisenbewältigung. Die Hackathons wie #WirVsVirus und #wirfürschule habe ich als große Lichtblicke in der Krise erlebt. Dort haben in wenigen Tagen interessierte Menschen – von der Programmiererin über den Lehrer bis hin zur Landrätin – Bedarfe und Ideen diskutiert und Lösungen entwickelt, die schnell wirkten: etwa eine Plattform für Erntehelfer, Softwarefeatures für die Infektionsnachverfolgung oder Online-Projekte für Homeschooling. Einiges wird seither ausgebaut, unterstützt durch Partner aus dem Social-Innovation-Bereich und durch staatliche sowie private Fördergelder.

Die Krise hat die Debatte darüber intensiviert, wie wir unser Land und unsere Strukturen besser aufstellen können, um künftig effizienter gerüstet zu sein. Wir spüren, dass der Veränderungsbedarf weit über die sichtbaren Probleme hinausgeht. In der digitalen Plattformökonomie sind es längst andere Akteure, welche die Spielregeln vorgeben. Auf die große Aufgabe, unser Industrieland klimafreundlicher zu machen, gibt es noch keine überzeugenden Antworten. In der Gesellschaft herrscht Unzufriedenheit. Mehr als jeder zweite Deutsche war im Sommer 2021 der Meinung, dass die Parteien keine Lösungskompetenz anbieten.

Dabei mangelt es weder am politischen Gestaltungswillen noch am Geld. Woran es fehlt, sind Strukturen, die mit der Veränderungsgeschwindigkeit Schritt halten und die es schaffen, in einer immer komplexeren Welt gute Lösungen zu finden und umzusetzen. Dies ist auch die Kernthese unserer Neustaat-Initiative vom Sommer 2020, aus der 103 konkrete Lösungsvorschläge hervorgegangen sind: raus aus der Komplexitätsfalle und rein ins NEUgestalten! Wir wollten eine Diskussion in Gang bringen, uns auf den Weg machen. Auf diesem Weg haben wir viele Mitstreiter gefunden. Der Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Ralph Brinkhaus hat in einem viel beachteten Artikel in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung eine Revolution der staatlichen Strukturen gefordert; seine Vorschläge haben wir in einem Fraktionspapier ausformuliert. Vieles wurde auch im Wahlprogramm von CDU und CSU verankert. Auch die Konrad-Adenauer-Stiftung hat ein ausführliches Positionspapier entwickelt (Für einen handlungsfähigen deutschen Staat. Vorschläge für eine Staatsmodernisierung in der Legislaturperiode 2021–2025).

 

Mentalitätswandel und neue Kompetenzen

 

Starten wir bei null? Nein, wir sind mittendrin. Die Union hat gerade in der vergangenen Legislaturperiode an vielen Stellen Modernisierungsprozesse in Staat und Verwaltung in Gang gesetzt, Gesetze ans digitale Zeitalter angepasst und neue Verfahren etabliert. Unser Anliegen war es, die Weichen übergreifend neu zu stellen; deshalb gibt es erstmals eine KI-Strategie und eine international beachtete Datenstrategie.

Viele der umgesetzten Maßnahmen waren grundlegender Natur. Es ist der Tiefbau, der geleistet worden ist, damit wirkliche Verwaltungsinnovationen und neue digitale Strukturen möglich werden. Entscheidend dabei: das OZG, das Onlinezugangsgesetz. Mit dem OZG werden alle Verwaltungsdienstleistungen von Bund, Ländern und Kommunen digitalisiert. Durch das Registermodernisierungsgesetz wird es künftig möglich sein, das „Once only“-Prinzip einzuführen: Bürger und Unternehmen müssen ihre Daten nur einmal angeben und können es Behörden erlauben, gegenseitig auf ihre gespeicherten Daten zuzugreifen.

Für eine bessere, digitaltaugliche Rechtsetzung haben wir den Weg geebnet: Das beginnt bei mehr strategischer Vorausschau in den Bundesressorts. Dazu wurden in allen Häusern eigene Einheiten geschaffen. Der Bundestag hat in seinem letzten Haushalt Geld bereitgestellt, um diese Strukturen zu überprüfen und mit Erfolgsmodellen aus dem Ausland abzugleichen. Wir wollen innovative Entwicklungen antizipieren und frühzeitiger in der Regulierung verankern.

Wir haben neue Strukturen geschaffen, um uns Problemen anders zu nähern als bisher: Mit der DigitalSevice4Germany GmbH wurde eine neue agile Einheit ins Leben gerufen, die nicht nur Software für Bundesbehörden entwickelt, sondern zugleich den Kompetenzaufbau in den Behörden unterstützt. Fellows aus der Digitalwirtschaft bringen bei Pilotprojekten in Behörden eine neue Denke und neue Methoden wie Design Thinking hinein.

Die Verwaltung haben wir ermutigt, offener zu denken, und die Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft gezielt initiiert. Es wurden neue, agile Arbeitsweisen erprobt und Digitallabore eingerichtet. Es ging uns um einen Mentalitätswandel, aber auch um neue Kompetenzen, wie sie künftig über die Digitalakademie der öffentlichen Verwaltung vermittelt werden.

 

Frühzeitige Erkennung operativer Probleme

 

Mit dem GovTech Campus des Bundesinnenministeriums vernetzen wir Bund, Länder und Kommunen mit den innovativen Akteuren der Techszene, der Zivilgesellschaft, der Open-Source-Community und der angewandten Forschung. Digitalisierung kann uns viele praktikable Lösungen bieten – zum Beispiel mit Müllfahrzeugen, die permanent alle Straßen einer Gemeinde durchfahren und mit ihren Kameras Daten über den aktuellen Straßenzustand sammeln. Sanierungsmaßnahmen können so effizienter durchgeführt werden.

Gesetze sollen künftig einen Digitaltauglichkeitscheck durchlaufen. Dieser stellt anhand eines verbindlichen Prüfrasters sicher, dass Gesetze digital umgesetzt werden können. Operative Probleme werden so frühzeitig erkannt und gelöst. Auch das ist vorbereitet.

Dies ist nur eine kleine Auswahl dessen, was wir in den vergangenen Jahren bewegt haben – immer in dem Gedanken, Verwaltungshandeln effizienter, agiler und bürgernäher zu gestalten. Denn weder die Verwaltung hat etwas davon, Tausende Register parallel zu pflegen und millionenfach Unterschriften einzuholen, noch sind die Bürger zufrieden, wenn sie diverse Anträge, etwa für Elterngeldleistungen, stellen oder monatelang auf Termine beim Amt warten müssen. Das kostet Zeit und Ressourcen, die dem Innovationsland Deutschland an anderer Stelle verloren gehen.

 

Eine leistungsfähige und serviceorientierte Verwaltung

 

Jetzt ist es notwendig, die nächsten Etappen zu gehen. Die Grundlagen sind geschaffen, einiges wurde getestet, viele Ideen wurden erarbeitet, die Netzwerke stehen. Was es jetzt braucht, sind Köpfe, die dieses Thema zur Chefsache machen und umsetzen. Die Ampel-Regierung sendet hier unterschiedliche Signale. Auf der einen Seite findet man im Koalitionsvertrag viele wichtige Punkte, die auch in unseren Papieren zu lesen sind.

Ein eigenes Digitalministerium auf Bundesebene hätte Teil der Lösung sein können, ausgestattet mit eigenen finanziellen und personellen Ressourcen. Stattdessen wurden zusammenhängende Themen, vom Infrastrukturausbau über Verwaltungsmodernisierung und IT-Sicherheit bis zum Bürokratieabbau, auf verschiedene Ressorts verteilt. Bundeskanzler Olaf Scholz lagert seine Steuerungsaufgabe für Modernisierung und Digitalisierung der Verwaltung aus dem Bundeskanzleramt derzeit aus, statt sie zu nutzen. Das könnte künftig vieles wieder komplizierter machen und den vorhandenen Schwung nehmen. Tatsache ist: Das Thema Digitalisierung braucht eine Strategie, klare Zuständigkeiten, Budget, Koordinierung und Verantwortlichkeiten.

In den nächsten Jahren wird sich zeigen, ob es gelingt, die Innovationen weiter in die Amtsstuben und in unsere politischen Prozesse zu tragen. Dafür braucht es Motivation und Freiräume, in denen sich Vertrauen und Freude an Veränderung entwickeln können. Denn Modernisierung ist eine Frage der Einstellung, des Mindsets und der Akzeptanz von Transformation. Nicht eine neue Software oder eine App macht den Unterschied, sondern dass die Menschen die Prozesse verändern wollen. Wir tun gut daran, in Politik und Verwaltung an einem Strang zu ziehen und insbesondere auch die Bürgerinnen und Bürger sowie die klugen Köpfe aus der Digitalwirtschaft und Zivilgesellschaft mit einzubeziehen.

Deutschland muss heraus aus der Bürokratie und hinein in den digitalen Staat, denn angesichts der enormen Herausforderungen, die uns Pandemie, Klimawandel und Globalisierung stellen, müssen sich Bürger ebenso wie Unternehmen auf eine leistungsfähige, sichere und serviceorientierte Verwaltung verlassen können.

 

Nadine Schön, gebürtige Saarländerin, studierte Rechtswissenschaften und absolvierte parallel die journalistische Ausbildung der Konrad-Adenauer-Stiftung. 2004 bis 2009 Mitglied des Saarländischen Landtags. Seit 2009 Mitglied des Deutschen Bundestags, dort seit 2014 Stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Fraktion, aktuell für die Bereiche Digitales, Bildung und Forschung.

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