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„Berlin würde sich am Ende Weimar nähern“, warnte der stets mit größter Bedachtsamkeit formulierende Hans Maier die im Asylstreit entzweite Union. Der Bruch ließ sich abwenden, doch beunruhigt, dass es überhaupt zu dieser Zuspitzung kommen konnte.

Eine Union „am Abgrund“ (Wolfgang Schäuble) ist Symptom einer Gegenwart, in der historisch-politische Selbstverständlichkeiten ins Wanken geraten. Die Mahnung mit Weimarer Verhältnissen wirkt zwar noch, aber sie hat offenbar an Schrecken verloren. Ermüdungsrisse zeigen auch die aus den Erfahrungen der Weltkriege und Diktaturen gegossenen Grundfesten der Bundesrepublik Deutschland und der Europäischen Union – Menschenrechte, Friede, Freiheit, Solidarität. Allzu mechanisch beschworen, werden sie inzwischen hämisch infrage gestellt. „Gutmenschen“ und „gute Europäer“ stehen bisweilen als Gestrige da; „Wutmenschen“ glauben sich im Besitz der Zukunft. In allen europäischen Staaten treten Kräfte hervor, die beleben, was vermeintlich überwunden war: Ausgrenzung, Nationalismus und Verachtung der repräsentativen Demokratie. Skrupel schwinden, der Tabubruch – jüngstes Stichwort: „Vogelschiss“ – wandelt sich vom verräterischen Ausraster zum routinierten populistischen Instrument.

Allenthalben werden unverhohlen Hassbotschaften geäußert und finden über das Internet enorme Verbreitung. Wieder betrifft es Juden in besonderer Weise. Josef Schuster, Präsident des Zentralrates der Juden in Deutschland, beklagt eine neue „Sichtbarkeit“ des Antisemitismus, angefacht nicht zuletzt durch Muslime, die von Hass auf Israel getrieben sind: Mobbing gegen jüdische Schüler, etliche judenfeindliche Übergriffe auf den Straßen…

Das entschlossene „Nie wieder!“, das die Erfolgsgeschichte der Bundesrepublik begründet hat, erodiert. Zwar ist das 20. Jahrhundert längst zu Ende, doch darf deshalb die Imprägnierung gegenüber autoritären Sehnsüchten, die nach 1945 erreicht worden ist, schwinden?

Nicht wenige der hochbetagten Überlebenden aus den Konzentrationslagern äußern sich resigniert. Ihre Hoffnung, dass die Welt aus ihrer Erfahrung lerne, sehen sie enttäuscht. In einer Zeit, in der Selbstverständlichkeiten wanken, ist eines gewiss: An der aktiven Verbundenheit mit denen, die unsagbar gelitten haben, erweist sich damals wie heute das Gelingen der demokratischen Ordnung. Wie 1945 sind auch 2018 als Erstes die Unionsparteien in der Pflicht. „Klarheit schaffen und Orientierung geben“ (Hans Maier) – darin liegt ihre historische Leistung, vor allem aber ihr Auftrag.

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Bernd Löhmann, Chefredakteur

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