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Mit Familienpolitik ist kein Blumentopf zu gewinnen. Kein sensationsgeladenes Thema, keine kurzfristig zu erwartenden, medienmäßig zu inszenierenden Erfolge.

Gleichgeschlechtliche Ehen sind für die rot-grüne Regierung freilich ein weitaus modischeres und – auf den ersten Blick – viel unkomplizierteres Thema als die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Warum sollte man sich auf ein so weites und schlammiges Feld begeben? Die Antwort ist einfach: Selbst wenn man der wertgebundenen Idee von Familie als „Keim der Gesellschaft", als Ort der Sozialisation, als Ort der Freude und Gemeinsamkeit und all den anderen vermeintlich muffigen Konnotationen nichts abgewinnen kann, bleibt immer noch die rein zweckrationale Komponente der Familie als Ort künftiger Rentenzahler und Arbeitskräfte. (Es sei denn, man denke ohnehin eher daran, lieber Einwanderungs- als Familienpolitik zu betreiben, aber auch Einwanderer sind Familien.) Denn die Bevölkerung der Bundesrepublik schrumpft. Das Argument, es handele sich um ein Phänomen aller westlichen Industrieländer, geht fehl. Der Bevölkerungszuwachs der USA betrug zwischen 1995 und 2000 0,8 Prozent, der Europas null Prozent. Das Argument, es liege an den „emanzipierten Frauen" und ihren Lebensentwürfen, zieht ebenso wenig: Denn die höchsten Geburtenraten haben Länder wie Dänemark und Frankreich mit gleichzeitig hohen Raten von Frauenberufstätigkeit, die niedrigsten Geburtenraten weisen gerade die traditionellen Gesellschaften etwa Spaniens und Italiens auf. Darunter auch Deutschland. Das hat seine Gründe: Deutschland ist ein Entwicklungsland, wenn es darum geht, den Kinderwunsch zu unterstützen durch ein kinder- und familienfreundliches Klima in der Gesellschaft und durch die entsprechende Infrastruktur, die Müttern und Vätern grundsätzlich beides ermöglicht: Kindererziehung und Beruf. Was aber herrscht, so sagte es Bundespräsident Roman Herzog, ist eine „strukturelle Rücksichtslosigkeit unserer Gesellschaft gegenüber der Familie und den Kindern, die es verhindert, dass sich Paare für Kinder entscheiden“. Damit Paare oder die einzelne Frau nicht abgeschreckt werden, sind strukturelle Änderungen nötig: ob in der Arbeitswelt oder bei der Gestaltung familiengerechter Wohnungen, Straßen, Busse.

Was wir brauchen, ist ein „Bündnis für die Familie“, wie es Alois Glück schon seit längerem fordert. Dazu bräuchte man vieles nur abzuschauen in Europa: ein differenziertes und qualitätsorientiertes System der Kinderbetreuung ab null Monate (statt des heutigen Massenbetriebes von 23 Kindern pro Gruppe in den Kindergärten), Ganztagsschulen wie in den meisten Ländern um uns herum, deutliche steuerliche Besserstellung der Familie und Ausweitung der Teilzeitarbeit sind nur wenige und gar nicht neue Stichworte. Das aber macht die rot-grüne Regierung: Sie verabschiedet eine Steuerreform, die Singles besser stellt als arbeitende Familieneltern. Und sie verabschiedet ein Gesetz, das nur scheinbar den Anspruch auf Teilzeit garantiert, denn dem Arbeitgeber bleibt weiterhin das letzte Wort.

Dass also die rot-grüne Regierung familienpolitisch etwas anpackt, ist nicht zu erwarten. Die CDU sollte dieses Feld – das eigentlich sowieso ihres ist – besetzen. Wenn sich auch die Dynamik in den Neunzigern abschwächte, war es doch die CDU, die in den achtziger Jahren gezeigt hatte, dass Familienpolitik innovativ sein kann. Heute erst recht ist eine substanzielle familienpolitische Wende notwendig.

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Marianne Kneuer, Mitglied der Redaktion

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