Asset-Herausgeber

von Ina Scharrenbach

Ein neues Politikfeld als Antwort auf Globalisierung und Digitalisierung

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Heimat? Heimat! Ein neues Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung in Nordrhein-Westfalen: In den ersten Tagen und Wochen haben viele gefragt: „Was soll denn das?“ Aber: Die Entscheidung des Ministerpräsidenten und Landesvorsitzenden der Christlich-Demokratischen Union (CDU) in Nordrhein-Westfalen Armin Laschet, ein solches Ministerium zu gründen, hat den Nerv unserer Zeit getroffen.

Für die CDU ist „Heimat“ nichts Neues: Seit über siebzig Jahren ist die Union die gestaltende Partei unserer Heimat in der Bundesrepublik Deutschland. In ihrer Regierungszeit von 2005 bis 2010 in Nordrhein-Westfalen hatte bereits der damalige Bauminister und heutige Minister der Finanzen Lutz Lienenkämper „Heimat“ eng mit Fragen des Städtebaus verknüpft. Vor diesem Hintergrund schließen wir nahtlos an unsere damalige Regierungszeit an.

Für „Heimat“ gibt es keine allgemeingültige Definition: Jede und jeder wird die Frage „Was bedeutet für Sie Heimat?“ anders beantworten – für die einen sind es die Orte der Kindheit, die Familie, Freunde, Stadtviertel, für andere wiederum der Lieblingsfußballverein oder die Gemeinschaften, in denen man sich bewegt, sich aufgehoben und sicher fühlt.

Heimat ist Verwurzelung und Tradition. Heimat ist Beteiligung. Heimat sind Städte und Gemeinden. Heimat ist Stadtentwicklung. Heimat ist Gemeinschaft.

Aber eines eint alle Antworten: Heimat hat mit Traditionen, mit unsichtbaren Wurzeln eines jeden Menschen zu tun, die Halt, Orientierung und Überschaubarkeit in einer unübersichtlich gewordenen Welt bieten. Heimat bedeutet, einen Anker zu haben. Heimat hat mit Vertrautem und dem Bewahren von Orientierung zu tun.

Alltäglich ist die Welt zu Gast bei Ihnen im Wohnzimmer, auf Ihrem Smartphone oder Tablet. Nachrichten kommen aus fernen Teilen der Welt: Amerika, Russland, Syrien, Nordkorea, Afrika. Die Welt ist über die Medien zusammengerückt und scheint derzeit doch so weit auseinanderzuliegen wie lange nicht mehr.

Gefühl von Überforderung

Es ist, als würden Buchdruck, Uhr, Telefon und Auto in der gleichen Minute erfunden und innerhalb eines Jahres zur technischen Vollendung gebracht. Die Gleichzeitigkeit technologischer und gesellschaftlicher Umwälzungen erzeugt ein ständiges Gefühl von Überforderung. Sie führt dazu, dass wir nur noch einen kleinen Teil von dem wissen können, was sich in der Welt ereignet.

Viele sagen: Es ändert sich alles – nichts ist mehr so, wie es war. Zu viele Menschen haben das Empfinden, dass sich die Welt zu schnell dreht, dass sie nur noch funktionieren müssen.

Ja, zum Teil stimmt das. Sieben Milliarden Menschen leben auf dieser Welt. Sie verändern sich nicht binnen einer Generation. Aber: Facebook, Google und Twitter lassen uns kurzatmiger und abstrakter werden. Insofern verändert sich der Mensch durch den technologischen Wandel mindestens ebenso stark wie durch die Erfindung der Elektrizität, des Autos oder durch die Fortschritte der Medizin.

Und dennoch: Jede Generation wurde und wird mit den Veränderungen ihrer Zeit konfrontiert. Veränderungen zu gestalten, hat viel mit Heimat zu tun. Der Begriff „Heimat“ greift die Gefühle der Menschen auf, das Verlangen nach Überschaubarkeit. Heimat ist die Antwort auf Globalisierung und Digitalisierung. Traditionen zu bewahren und diese gleichzeitig weiterzuentwickeln und an die nächste Generation weiterzugeben, ist eine Herausforderung, der sich die Menschen vor Ort genauso stellen wie wir als Landesregierung und Mitglieder des Landtags. Heimat lebt!

Von Anfang an hat unsere neue Landesregierung Wert darauf gelegt, ländliche Räume und Städte wieder zusammenzuführen – nach sieben Jahren politischer Spaltung durch die Vorgängerregierung: Menschen im ländlichen Raum sind keine Menschen zweiter Klasse und Menschen im städtischen Raum keine Menschen erster Klasse.

„Heimat-Gestalter“

Ländliche Räume und Städte müssen sich unterschiedlichen Herausforderungen für die Zukunft stellen: Sie haben ein Anrecht darauf, dass die Landespolitik im Rahmen ihrer Möglichkeiten dabei hilft, diese Herausforderungen zu meistern. Unseren Städten und Gemeinden geben wir Handlungsspielräume zurück: Denn hier gestaltet die Bürgerschaftsgesellschaft ihre Zukunft.

Der Mensch stand und steht im Mittelpunkt einer christlich-demokratischen Politik – unabhängig davon, ob sie oder er im ländlichen Raum oder in einer Stadt wohnt. Diese Wertschätzung des Menschen und unserer Regionen – in ihrer Vielfalt und in ihren Unverwechselbarkeiten – wird in dem Ministerium für Heimat zum Ausdruck kommen. Nur eine Politik, die wertschätzt, was Menschen jeden Tag in unserem Land im Großen und vielmehr im Kleinen leisten, wird dazu beitragen, dass Heimat bewahrt und gleichzeitig für die Zukunft gestaltet werden kann.

Nordrhein-Westfalen hat viele „Heimat-Gestalter“: Frauen und Männer, ob jung oder lebenserfahren, setzen sich vor Ort für ihre Heimat ein. Jede Region hat ihren eigenen Charakter, ihre Stärken; dafür engagieren sich jeden Tag Zigtausende Ehrenamtler. Ohne Ehrenamt sei kein Staat zu machen, heißt es immer wieder, und dies ist durchaus wörtlich gemeint. Ehrenamt bedeutet nicht, einzuspringen, wo Staat fehlt. Ehrenamt ist vielmehr Ausdruck von Bürgertum, Ausdruck eines bürgerlichen Selbstverständnisses als starkes und solidarisches Mitglied der Gemeinschaft. Ehrenamt ist somit letztlich die Wahrnehmung und Ausübung von Freiheit für ein Ziel, das einem selbst wichtig ist und das man mit der Gemeinschaft teilt.

Bürgerengagement ist kein Opfer, keine Wohltätigkeit. Es ist eine logische Ableitung aus dem bürgerlichen Verständnis von Solidarität der Starken mit den Schwachen.

„Entdecke, was uns verbindet“

Es ist keine Solidarität gegen etwas, sondern für etwas, auch für ein soziales Miteinander. Es ist die Freiheit jeder Bürgerin und jeden Bürgers, sich eigenverantwortlich einzubringen, sich zu engagieren. Diese Freiheit ist unverzichtbar. Sich diese Freiheit aber auch zu nehmen, ist nicht selbstverständlich.

„Entdecke, was uns verbindet!“ – ein treffenderes Motto zum Europäischen Jahr des Kulturerbes 2018 hätte man nicht finden können. Bei „Heimat“ geht es um das Verbindende, um die Gemeinschaft und den Zusammenhalt. Heimat schenkt uns Halt, ist überschaubar, ist sicher. Aber Heimat sperrt niemanden aus. Heimat muss offen sein. Heimat heißt auch neue Heimat. Wir respektieren die Geschichte jedes Menschen, jeder bringt etwas mit. Heimat hat offene Arme, sie grenzt nicht aus, sie schließt ein. Heimat entwickelt sich weiter. Um Menschen bei diesen Veränderungen mitzunehmen, müssen wir Traditionen bewahren. Nehmen wir das Beispiel Denkmalschutz: Jugendliche entdecken durch den Besuch eines Denkmals nicht nur einen Ort, sondern auch Geschichte und Werte. Das schafft Heimat für jeden.

Das Jahr 2018 stellen wir daher unter das Stichwort „Heimat.Europa“. Viele wiederkehrende Ereignisse erinnern an unser historisch-kulturelles Erbe, an unsere Traditionen, unsere Geschichte und an das Zusammenwachsen auf unserem Kontinent nach zwei Weltkriegen: 370 Jahre Westfälischer Friede, 200 Jahre Aachener Kongress, 170 Jahre Deutsche Revolution, 100 Jahre Ende des Ersten Weltkrieges, 100 Jahre Frauenwahlrecht, 50 Jahre UNESCO-Weltkulturerbe „Aachener Dom“ und vieles mehr.

2018 wird ebenso der Steinkohlebergbau in Nordrhein-Westfalen beendet. Das bedeutet das Ende einer jahrhundertealten Industrie, die viel mit Tradition zu tun hat. Bergleute, die mit Stolz jeden Tag einfahren und eingefahren sind. Ein Zusammenhalt, ohne den es unter Tage nicht geht, weil man sich aufeinander verlassen muss. Ein Ende, das mit viel Wehmut und Tränen einhergehen und das mit neuen Anfängen verbunden sein wird. Auch das gehört zur vielfältigen Heimat in Nordrhein-Westfalen.

„Heimat. Zukunft. Nordrhein-Westfalen“: Es ist unser Land, es ist unser Anspruch. Heimat zu gestalten heißt, Traditionen zu bewahren und diese weiterzuentwickeln. Für eine Heimat, die alle einschließt.

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Ina Scharrenbach, geboren 1976 in Unna, Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung des Landes Nordrhein-Westfalen.

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