Zu Recht hat die Europäische Union in einem ergreifenden Trauerakt in Straßburg von Helmut Kohl, dem Ehrenbürger Europas und Vater der Deutschen Einheit, Abschied genommen. Wer hätte nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs für möglich gehalten, dass siebzig Jahre später einem Deutschen diese Ehre zuteil werden würde? Ein Italiener, ein Luxemburger, ein Pole, ein Spanier, ein Russe, sogar ein ehemaliger US-amerikanischer Präsident, ein Franzose und die deutsche Bundeskanzlerin kamen zu Wort. Besonders bewegend: Der französische Staatspräsident verneigte sich – nach drei mörderischen deutsch-französischen Kriegen – in Straßburg vor einem deutschen Bundeskanzler.
Zu Recht haben vor allem wir Deutschen im Speyerer Dom, der Hauskirche Helmut Kohls, zu seinem Gedächtnis ein Pontifikalrequiem gefeiert. Viele seiner Weggefährten, unter ihnen auch viele, die über Jahrzehnte heftig mit ihm gestritten hatten, gaben ihm die Ehre. In der Nähe des Speyerer Domes, im Schatten der Bernhardskirche, für die Robert Schuman und Konrad Adenauer 1954 den Grundstein gelegt haben, hat er seine letzte Ruhestätte gefunden.
Seine einmaligen Verdienste als deutscher Bundeskanzler sind zu Recht vielfach gewürdigt worden. Nicht vergessen werden darf, dass Helmut Kohl von 1974 bis zu seinem Ausscheiden aus dem Kanzleramt für ein Vierteljahrhundert Vorsitzender seiner Partei, der CDU, gewesen ist. Er war leidenschaftlich gerne Parteivorsitzender. Er hat, beginnend in Rheinland-Pfalz in den 1960er-Jahren, die CDU von einer Honoratiorenpartei zu einer Mitgliederpartei geformt. Die Parteiprogramme von Ludwigshafen (1978) und Hamburg (1994) tragen seine Handschrift. Auch in ihnen werden seine christlich- katholische Überzeugung, die ihn geprägt hat und für die er gelebt hat, und sein Bekenntnis zu unseren abendländischen Werten deutlich. Er hat zunächst Kurt Biedenkopf und nach ihm Heiner Geißler zu Generalsekretären berufen. Er kannte nicht nur jeden Landesverband, sondern auch jeden Kreisverband und die Vereinigungen der Partei wie kein Zweiter. Er hat sie zu vielen Erfolgen geführt und Niederlagen mit ihnen durchgestanden, aber er hat mitunter auch unter seiner Partei gelitten.
Der Entwicklung der Konrad-Adenauer-Stiftung galt seine besondere Sorge. Von 1968 bis zu seinem Tod, fast fünfzig Jahre, hat er sie als Mitglied des Vorstandes begleitet. Er stand zunächst Bruno Heck, dem langjährigen Vorsitzenden, mit dem er befreundet war, zur Seite, und er hat mich nach meiner Wahl zu Hecks Nachfolger und nach mir Hans-Gert Pöttering tatkräftig unterstützt. In zahllosen Vorstandssitzungen hat er sich für den weiteren Ausbau der Stiftung engagiert und ihre Unabhängigkeit verteidigt. Am 10. November 1989 wollte er an der Eröffnung unseres ersten Auslandsbüros im ehemaligen Ostblock teilnehmen, aber er musste seinen Staatsbesuch in Polen abbrechen und nach Berlin eilen. Nachdrücklich hat er darauf gedrängt, dass auch in Moskau, in Prag, in Budapest und in den anderen mittelosteuropäischen Staaten so schnell wie möglich weitere Auslandsbüros folgten. Und natürlich wollte er, dass wir unverzüglich in den wieder entstehenden neuen Ländern tätig würden.
Die Konrad-Adenauer-Stiftung hat allen Grund, sein leidenschaftliches Engagement zu bewahren und sein Erbe verantwortungsvoll für die Zukunft lebendig zu halten.
Danke, Helmut Kohl!
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Bernhard Vogel
Ministerpräsident a. D.,
Ehrenvorsitzender der Konrad-Adenauer-Stiftung,
Mitherausgeber der Zweimonatsschrift „Die Politische Meinung“