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Internationale Parteienzusammenarbeit

Ein Lagebild aus christlich-demokratischer Perspektive

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Parteien sind in vielen Ländern nicht gerade populär. Gleichwohl sind sie unentbehrlich, wenn es um die Repräsentation des Volkswillens, die Bündelung von Interessen und die Rekrutierung politischen Personals geht. Dies nimmt man besonders dann wahr, wenn in Umbruchzeiten die Zivilgesellschaft versucht, sich zu organisieren, und feststellen muss, dass Nicht-Regierungsorganisationen kein angemessener Ersatz für Parteien sein können. Parteienzusammenarbeit und Parteienförderung verdienen es daher ganz besonders, eine wichtige Rolle in internationalen Kooperationen einzunehmen, sei es im Rahmen deutscher Entwicklungszusammenarbeit oder europäischer Bemühungen zur Demokratieförderung in der Nachbarschaft. Hinzu kommt, dass sich Parteien von gleich zu gleich in internationalen Parteienfamilien organisieren, bei denen speziell die organisationsstärkeren und besser finanzierten Parteien den anderen „Familienmitgliedern“ solidarisch unter die Arme greifen. In einer Zeit globalisierter Vernetzung und angesichts der Tatsache, dass sich die wirklich wichtigen Fragen heute kaum noch national lösen lassen, lohnt sich für jede Partei die Frage, mit wem man international gemeinsam agieren kann, wo Freunde und Verbündete zu finden sind.

Denkt man an die christlich-demokratische Parteienfamilie, spielen zwei Kontinente eine zentrale Rolle: Europa und Lateinamerika. In Afrika und Asien gibt es für diese parteipolitischen Traditionen hingegen kaum nennenswerte Beispiele, wohl aber Parteien, mit denen eine hinreichende gemeinsame Wertebasis für dauerhafte Kooperationen besteht. Es ist daher kein Zufall, dass die Anfänge der internationalen Arbeit der Konrad-Adenauer-Stiftung in Chile und Lateinamerika liegen, wo die Existenz christlich-demokratischer Partner im Parteien- und Gewerkschaftsspektrum natürliche Anknüpfungspunkte bot. In Europa spielt die Europäische Volkspartei (EVP) für die Kooperation – und als zentrales Mitglied des internationalen Dachverbandes IDC (Internationale démocrate-chrétienne) – eine tragende Rolle, allerdings nicht nur für christlich-demokratische Parteien. Konservative und liberale Wurzeln, die neben den christlich-sozialen auch für die CDU konstitutiv sind, sowie die Notwendigkeit, im Europäischen Parlament Mehrheiten zu finden, um die europäische Entwicklung wesentlich mitgestalten zu können, führten im Laufe der Zeit zu einer vergleichsweise breiten Aufstellung – nicht immer zur Freude derer, die sich als die authentischen Bannerträger der Christdemokratie verstehen. Erschwert wird alles dann, wenn verschiedene Mitgliedsparteien der EVP im gleichen Land miteinander konkurrieren und sich auch schon einmal sowohl in der Regierung als auch in der Opposition wiederfinden – eine echte Herausforderung für die Parteienzusammenarbeit.

Kooperation und solidarische Hilfe

Diese Entwicklung – sie findet sich auch in Lateinamerika, zum Teil sogar in der Umbenennung von C-Parteien in Partidos Populares, nach spanischem Vorbild – spiegelt sich mittlerweile in der Namensgebung des Weltverbandes CDI-IDC (Centrist Democrat InternationalInternationale démocrate-chrétienne), bei der das „C“ je nach Geschmack als „Christian“ oder als „Centrist“ diese demokratische Internationale beschreiben kann. Noch breiter wird das Spektrum durch die International Democratic Union (IDU), die Doppelmitgliedschaften zur CDI kennt – wie im Falle der CDU – und diese mit eher konservativen Parteien aus dem angelsächsischen Spektrum verbindet.

Gemeinsam ist den Dachverbänden, dass sie in aller Regel nur so stark sind wie ihre Mitglieder, insbesondere die wichtigsten unter ihnen. Parteienverbände können nicht quasi von oben die Probleme lösen, die Mitgliedsparteien intern und zu Hause lösen müssen, um politisch stark und wettbewerbsfähig zu sein, zu bleiben oder zu werden. Sie können dennoch erheblichen Mehrwert für ihre Mitglieder produzieren: durch Kooperation und solidarische Hilfe, durch öffentliche Sichtbarkeit und „Imagetransfer“ auf einer internationalen Bühne, durch gegenseitige Wahlbeobachtungen, durch programmatischen Austausch, durch ein konkretes Serviceangebot.

Nicht zuletzt kleinere Parteien oder solche in besonderer Bedrängnis profitieren vom Verbund mit starken Partnern. Leichter wird der Zusammenhalt, wenn an gemeinsamen politischen Projekten gearbeitet wird und es sogar darum geht, im Verbund Mehrheiten etwa in regionalen Parlamenten zu bilden und eigene Vorstellungen gegen widerstreitende Interessen durchzusetzen, nicht zuletzt in Sachen Personalpolitik: Hier ist der Kitt, der die EVP zusammenhält, deutlich fester als in Lateinamerika, das über relevante gemeinsame Institutionen kaum verfügt.

Deklaration von Montevideo

Die Geschichte der Organización Demócrata Cristiana de América (ODCA) – Regionalverband der CDI in Lateinamerika – bietet für diese Aussagen seit ihrer Gründung im Jahr 1947 in Montevideo (Uruguay) zahlreiche Beispiele. Ihre Entwicklung und die ihrer Mitglieder sind seitdem aufs Engste mit den politischen „Megatrends“ in Lateinamerika verbunden. Von politischen Konjunkturen wurde die ODCA ebenso erfasst wie vom Auf und Ab nationaler Wahlerfolge, vom Auf- und Einstieg neuer Mitgliedern, aber auch vom Niedergang anderer, inklusive Gründungsmitgliedern. Eng verbunden ist die Entwicklung natürlich auch mit der Rolle wichtiger Führungspersönlichkeiten. Auch hier gleichen sich dann wieder Lateinamerika und Europa.

In der Deklaration von Montevideo – inspiriert von der Idee eines lateinamerikanischen Weges zwischen dem Individualkapitalismus der USA und dem Staatskapitalismus der Sowjetunion – verpflichtete man sich auf die Promotion einer „wirklichen politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Demokratie“ auf der Basis des christlichen Humanismus. Von einem „dritten Zentrum wirtschaftlicher Macht“ war die Rede. Der Kampf gegen die Gefahr totalitärer Regime stand Pate – Kommunismus, Neofaschismus und Kapitalismus sah man als Gefahren, denen eigene Konzepte entgegengestellt werden mussten, im Falle des Kapitalismus etwa in Form eines „christlichen Wirtschaftshumanismus“.

Gerade für Christdemokraten stellt sich weltweit immer wieder die Frage, wie sich wirtschaftliche Effizienz mit sozialem Ausgleich verbinden lässt, welche Rolle heute ein moderner Staat spielen muss, was einer staatlichen Regelung bedarf und was nicht. Globalisierung ist längst kein Selbstläufer mehr und nackte Wirtschaftszahlen auf der Makroebene reichen nicht mehr aus, um als erfolgreiche Bilanz Wähler zu mobilisieren. Fragen, die man sich in der Gründerzeit der genannten Parteien und Dachverbände noch wenig stellte, spielen heute in der Programmatik eine wichtige Rolle. Wie gehen wir mit der Schöpfung um, wie wirtschaften wir nachhaltig, darauf erwarten die Menschen heute Antworten.

Politische Bildung eröffnet Zugänge

Ihr traditioneller Platz in der Mitte machte die Christdemokraten in der Vergangenheit an den politischen Rändern nicht beliebter. Alleinstellungsmerkmale sind seltener geworden und gerade für Volksparteien ist es nicht einfach, ein unverwechselbares Profil anzubieten, zumal, wenn sie in Koalitionsregierungen Kompromisse schließen müssen. Dies ist in den parlamentarischen Systemen Europas noch öfter der Fall als in den Präsidialdemokratien Lateinamerikas. Die Soziale Marktwirtschaft allerdings ist etwas, an dem sich gerade heute Identität weiter gut festmachen lässt, stellt sie doch den Menschen als soziales Wesen in den Mittelpunkt, jenseits sozialistischer Gleichmacherei einerseits und schrankenlosem Individualismus andererseits. Ebenso charakterisiert der kompromisslose Einsatz für Menschenrechte überall christlich-demokratische Politik. Zwar sind traditionelle Konfliktlinien durch das Ende des Kalten Krieges weggefallen, ein Ende von Systemkonkurrenzen aber hat sich daraus nicht ergeben, wie wir inzwischen wissen. Programmatische Selbstvergewisserung ist damit keineswegs überholt.

Mit den gesellschaftlichen und strukturellen Veränderungen der vergangenen Jahrzehnte kamen manche christlich-demokratischen Parteien besser zurecht als andere. Einige von ihnen – das prominenteste Beispiel in Europa dürften die italienischen Christdemokraten sein, in Lateinamerika ist es Venezuelas Comité de Organización Política Electoral Independiente (Unabhängiges politisches Wahlorganisationskomitee, COPEI) – sind bis auf Restbestände gänzlich von der Bühne verschwunden. Anlass also, immer wieder zu überprüfen, was dauerhaft erfolgreiche Parteien von den anderen unterscheidet. Ein Erfolgsgeheimnis liegt in der Anpassung eigener Strukturen und Programme an die Bedürfnisse der Zeit, was nicht mit „Zeitgeistigkeit“ zu verwechseln ist. Solide Strukturen, ein hoher Grad von Institutionalisierung, ein enges Geflecht von Beziehungen in den sogenannten vorpolitischen Raum helfen, auch ungünstige politische Konjunkturen zu überstehen. Die althergebrachte Stabilität treuer Stammwählerschaften nennenswerten Ausmaßes ist vorbei, Mehrheiten müssen von Wahl zu Wahl neu errungen werden.

Zeitlos aktuell und wichtig bleibt die Rolle einer kontinuierlichen politischen Bildung für die Parteimitglieder und das Umfeld der Parteien, meist organisiert über parteieigene oder parteinahe Bildungsinstitute und Stiftungen, die für Nachwuchsrekrutierung und -förderung, aber auch für die programmatische Weiterentwicklung oft eine zentrale Rolle spielten. Politische Bildung eröffnete seit jeher Zugänge zu jungen Menschen, zu wichtigen Multiplikatoren, aber auch zu breiteren Bevölkerungsschichten, die für direktes politisches Engagement gewonnen werden können. Viele Führungskräfte christlich-demokratischer Parteien erhielten hier eine wichtige Prägung. Der Niedergang mancher Bildungsinstitute lief zu dem der korrespondierenden Parteien nicht selten parallel.

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Frank Priess, geboren 1957 in Wolfsburg, Stellvertretender Leiter der Hauptabteilung Europäische und Internationale Zusammenarbeit der Konrad-Adenauer-Stiftung.

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