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Gestaltung: StanHema
von Stephan Schaede

Die neue Fernbeziehung

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Anwältin für das Allgemeine? Deutlich mehr als das müsste die Kirche sein. Denn dem, was alle allgemein angeht, nachzujagen, ist ihre Bestimmung. Jenseits aller Bescheidenheit soll sie von Anfang an nicht unter folgendem Sendungsniveau arbeiten: „[…] gehet hin und machet zu Jüngern alle Völker“ (Mt 28,18).

Das apostolische Glaubensbekenntnis bekennt sich zur einen allgemeinen (katholischen) Kirche, die umfassend Menschen vor Gott versammelt: Credo in […] sanctam ecclesiam catholicam, sanctorum communionem […]. Einer der Grundtexte des reformatorischen Selbstverständnisses der Kirche, das sogenannte Augsburgische Bekenntnis, versteht vor diesem Hintergrund die Kirche als Sammlungsbewegung (congregatio) durch Gott geheiligter Menschen, in der das Evangelium angemessen verkündigt und die Sakramente sachgerecht verwaltet werden.1 Nach Überzeugung der Reformatoren ist das allesentscheidend. Dies muss sein. Mehr muss nicht sein. So aber kann die Kirche Einigkeit und Einheit vor und mit Gott verkörpern.2

Dieser, auf das Allgemeine gehende Versammlungsanspruch der Kirche kollidiert allerdings mit einer kirchlichen und gesellschaftlichen Realität, die religionspolitisch langsam langweilen dürfte: Reduktion der nackten Mitgliederzahlen durch Austritt und Sterben der Hochaltrigen, die noch in großer Zahl zu den Kirchen halten. Selbst wenn es keine sexuellen Missbrauchsskandale gäbe, mit der sich die römisch-katholischen wie evangelischen Kirchen in einer Art moralischem Haftungsverbund öffentlich in schrecklichen Misskredit bringen, selbst ohne diese, die Vertrauenswürdigkeit der Kirchen erschütternden Vorgänge würde sich die aktuelle gesellschaftliche Lage der sogenannten zweiten Moderne von einer vormodernen Lage elementar unterscheiden. Denn die Kirchen können dieser Tage keinen Anspruch mehr darauf erheben, in allen Lebensbereichen als die maßgebliche orientierende Stimme machtvoll mitzureden. Für gesellschaftsrelevante Sinnhorizonte und Werteskalen bieten die Kirchen längst nicht mehr die allein entscheidenden Deutungsmuster. So wurde Ende 2021 voller Neugier verfolgt, welcher Bundesminister oder welche Bundesministerin den Amtseid mit Berufung auf Gott ablegen werde. Beim Bundeskanzler war der Verzicht darauf ja bereits klar.

Jenseits dieses symbolpolitischen Zapfenstreiches für den Religionsbezug ist nüchtern festzustellen: Menschen, die Eheprobleme haben, gehen zum Therapeuten. Die funktionalen Sektoren unserer Gesellschaft – Ökonomie, Recht, Bildung und so weiter – bedürfen nicht der religiösen Deutung und Unterstützung, um zu agieren und zu funktionieren. Diese Entwicklung ist zwar nicht neu: Schon Immanuel Kant diagnostizierte für das ausgehende 18. Jahrhundert, dass es die Menschen zuerst zum Arzt, sodann zum Juristen und nur, wenn es ans Sterben geht, zum Pfarrer zieht. Frappant ist jedoch, dass die Relativierung eines allgemeinen Bedeutungsanspruches im Sinne eines umfassenden Sammlungsanspruches in das Innere der Kirchen durchschlägt. Die religionssoziologischen Milieustudien und die Mitgliedschaftsstudien der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), um bei den evangelischen Kirchen zu bleiben, lesen sich wie eine Kette von Hiobsbotschaften. Der Unionsanspruch der Kirche erodiert sogar in den eigenen Reihen. Wir haben sie nicht mehr alle. Und wir kriegen sie auch nicht mehr alle. Müde gelaufen ist der Gestus des Deutschen Evangelischen Kirchentages, die Kirche von den Menschen an den Rändern der Kirche her zu erneuern. Denn die Kirchentage sind zu Tummelplätzen der noch kirchlich Hochverbundenen mutiert. Und eine Besinnung auf den harten Kern der Christinnen und Christen in den Kirchen stimmt auch nicht hoffnungsfroh. Dieser Kern nämlich altert ob der Bildungsabbrüche in den volkskirchlich sozialisierten Familien heftig durch.

Aber auch aus einem prinzipiellen Grund können die Kirchen es sich nicht im frommen Winkel sektiererischer Kommunitäten gemütlich machen. Die sogenannte Kerngemeinde kann nicht beanspruchen, katholisch-allgemein-umfassend zu sein. Eine solche Konzentration in der Mitgliedschaft schlägt dem in den Evangelien verbürgten Ursprungsanspruch des eigenen Religionsstifters Jesus von Nazareth ins Gesicht. Die Frage, wie die Kirchen Kirchen für alle sein können, muss weiter kirchenleitendes Handeln bestimmen. Kirchenleitungen verstehen sich dementsprechend falsch, wenn sie sich als religiöse Rückbaugesellschaften begreifen, die mehr oder weniger geistlich ambitioniert eine schwindende Kirchenmitgliedschaft verwalten. Wer in der Kirche Verantwortung trägt, muss für die Frage brennen, wann, wie und warum sich Menschen in unterschiedlichsten Formen der Kirche zugehörig fühlen. Und diese Zugehörigkeitsfrage besteht ihren phänomenologischen Härtetest in der Vitalität kirchlicher Fernbeziehungen.

 

Sieben Vitalitätsmerkmale

 

Es lohnt sich deshalb in der Frage der Fernbeziehungen, einschlägigen Gazetten von Gala über Men’s Health bis WOMAN Gehör zu schenken. Denn diese rufen regelmäßig sieben Vitalitätsmerkmale für Fernbeziehungen auf:

Fernbeziehungen zehren erstens von Geschenken, die ihre Wirkung auch über die Distanz hinweg entfalten. Das mag ein Hinweis für Kirchentümer sein, deren erste Kontaktaufnahme in der freundlichen Zusendung eines Überweisungsträgers für das sogenannte freiwillige Kirchgeld ist. Auch die Wirkung von Taufwaschlappen mit dem rot aufgestickten Schriftzug „Gottesgeschenk“, die dieser Tage von Landeskirchen ihren Gemeinden gratis zur Weitergabe überlassen werden, könnte überdacht werden. Stabilisiert ein Waschlappen als Geschenk eine Fernbeziehung?

Zweitens ist auch bei Fernbeziehungen eine gewisse geteilte Zeit notwendig. Fehlen soziale Begegnungsflächen, ist die Beziehung am Ende. Mitglieder, die stark eingebunden in Arbeit niemanden je in ihrem Wohnviertel sehen, werden sich nicht mehr lange zugehörig fühlen. Dementsprechend sind Arbeitsrefugien für katholische Priester von der Größe des altisraelischen Galiläa ein zerstörerisches Einzugsgebiet. Selbst Jesus war nicht allein, sondern mit zwölf geistlichen Sparringspartnern unterwegs.

Drittens stärkt die Fernbeziehung, gemeinsame Pläne zu schmieden und gemeinsame Träume zu haben. Also, liebe Kirchen: Worauf seid ihr aus? Welche eurer Pläne, welche Träume elektrisieren Menschen? Wie können sie an entsprechenden Planungen und Visionsformaten teilhaben? Die Möglichkeit gemeinsamer Träume hat zur Bedingung, überhaupt selbst Träume zu entwickeln und nicht nur mit verzagten bis schlecht gelaunten Selbsteinschätzungen oder den einen oder anderen Albträumen in die Kommunikation zu gehen. So etwas stimuliert schwerlich geistliche Fernbeziehungen.

Viertens, so ist zu lesen, sei es wichtig, zu telefonieren, zu texten oder zu skypen. Das ist nicht nur ein Votum für eine immer auch digitale Kommunikationsbereitschaft der Kirchen, die in keiner Konkurrenz, sondern als andere Kommunikationsgestalt zur Begegnung in leiblicher Präsenz stehen mag. Regelmäßige Ansprache ist notwendig – und hier wird es sehr anspruchsvoll: Diese Ansprache sollte einigermaßen persönlich ausfallen. Hektografierte Grußkarten sind sinnlos. Gefühlte Dauerdistanz mündet in einen Abbruch einer Fernbeziehung, folglich zum Kirchenaustritt. Denn es fehlt zuletzt vollständig das, was dieser Tage gern das „Wir-Gefühl“ genannt wird.

Fünftens geben klare Riten Sicherheit. Darauf ist am Ende dieser Überlegungen zurückzukommen.

Sechstens benötigen Fernbeziehungen Geduld und Verbindlichkeit. Nicht das Hüpfen von Mitgliederbindungsprojekt zu Mitgliederbindungsprojekt wird Mitglieder an die Kirchen binden. Nicht unterschätzt werden darf nämlich: Fernbeziehungen sind auf eine noch stärkere verlässliche Verbindlichkeit angewiesen als die Nahbeziehungen.

Siebtens gilt es, gemeinsame Erinnerungen zu schaffen. Dies führt auf einen alles entscheidenden Punkt. Gibt es irgendetwas, an das man sich gemeinsam erinnern kann – eine beeindruckende gemeinsame Erfahrung, eine anrührende Beerdigung, eine mitreißende Trauung, eine berührende Taufe, einen festlichen Weihnachtsgottesdienst, ein unvergessliches Gespräch?3

 

Die Bedeutung der Ambiguitätstoleranz

 

Diesen sieben elementaren Verhaltens- und Kommunikationseinsichten zur Seite zu stellen, ist im Blick auf den Allgemeinheitsanspruch der Kirchen folgende Herausforderung: Mit einem gesteigerten Interesse an den Fernen in der Kirche ist es ja nicht getan. Das Interesse, die unterschiedlichsten Menschen nicht nur erreichen, sondern geistlich (ver)sammeln zu wollen, erhebt den gewaltigen Anspruch, Menschen von Maria 1.0 bis zu Angehörigen von Opus Dei und den Legionären Christi beziehungsweise leidenschaftliche IDEA-Leser und Follower von Anders Amen unter einen kirchlichen Hut zu bringen. Das erfordert in der Spannbreite der Lebenseinstellungen, Lebensformen und Lebenshaltungen das, was in den sozialen Fachwissenschaften auf den Begriff der Ambiguitätstoleranz gebracht wird. Um die aber ist es in den Kirchen wie überhaupt in unserer Gesellschaft schlecht bestellt.

Ambiguitätstoleranz verlangt von Menschen, dazu in der Lage zu sein, mit unhintergehbaren Mehrdeutigkeiten, Deutungs- und Gestaltungsdifferenzen in der Gesellschaft und Welt umzugehen.4 Ambiguitätstoleranz lässt so gesehen mehrdeutige Situationen und widersprüchliche Handlungsmaximen ohne Aggression und bei einigermaßen akzeptablen Stresskoeffizienten aushalten. Wichtig ist: Ambiguitätstoleranz führt nicht zu einem Verzicht auf starke Überzeugungen und klare Haltungen. Sie hält vielmehr den Konflikt solcher Überzeugungen in einer sich immer weiter pluralisierenden Lebenslage mit ihren diversen Meinungen, Einstellungen zu Werten und Herkünften aus. Die damit einhergehenden Mehrdeutigkeiten im soziokulturellen Miteinander strengen Verstand und Gemüt an.

Menschen zerfasern sich im Getümmel unübersichtlicher religiöser Orientierungsangebote jenseits klassisch-kirchlicher Rituale – von Tai-Chi, fernöstlicher Weisheit, Zen, Astrologie, Edelsteintherapie bis zur Arbeit mit Chakren. Noch verwirrender ist, dass Politik, Ethik, Ökonomie, Ästhetik, Pädagogik und Religion allen Bemühungen zum Trotz, die mit den Präfixen „inter-“ und „trans-“ verknüpft sind, eigenen sozialen Praktiken folgen, die jeweils unterschiedliche Regeln haben. Das schürt die Sehnsucht nach einer möglichst klaren, niedrigschwellig zu habenden Zentralperspektive, die nicht durch die kognitive Last durchdachter Argumentationen Mühe macht. Genau deshalb haben fundamentalistische Gruppierungen politischer oder religiöser Provenienz dieser Tage eine derartige Chance. Fundamentalistische Orientierungsmuster bieten eine starke emotionale Bindung und kognitive Entlastung von einer Aufmerksamkeitsüberspannung, die nicht alle aushalten wollen.5

 

Bekennertum und Selbstkonstruktionsnarzissmen

 

Nun ist diese Vielfalt von Weltdeutungsansätzen, die miteinander kollidieren, ebenfalls nicht neu. Neuer ist jedoch, dass die von der inter-/transkulturellen Theoriebildung aufgearbeitete soziale, ethische und religiöse Unübersichtlichkeit in das Gelände der alltagspraktischen Lebensbewältigung vordringt.6 Genau das führt jenseits der Extremfälle eines argumentationsfreien Fundamentalismus hinein in die Welt einer immer „kleinformatigen Selbstkonstruktion von Differenz (vgl. in den sog. Diversity- oder LGBTQIA-Diskursen)“.7 Die berechtigten Anliegen dieser Antidiskriminierungsdiskurse müssen noch viel deutlicher in der gesamtgesellschaftlichen Diskussionslage stark gemacht werden. Diese Antidiskriminierungsambition darf gerade nicht durch Selbstkonstruktionsnarzissmen gefährdet werden, die bekenntnisartige Gefolgschaft einfordern. Ein solches Bekennertum kollidiert nämlich empfindlich mit der oben genannten Ambiguitätstoleranz. Denn das, was prima vista als entschiedene Zurückweisung von Diskriminierung daherkommt, schlägt in die Bildung hermetischer Gruppenidentitäten um.

Diskriminierungsverurteilung erzeugt so gesehen neue soziale Wagenburgen. Der Antidiskriminierungsanspruch betreibt in bester Absicht ungewollt selbst massiv sozial-narzisstische Zersplitterung in starke Gruppenidentitäten. Die Gruppe schmiedet nicht etwa eine komplexe pluralaffine Weltsicht zusammen, sondern die Empörung über die eigene Diskriminierung. Und sie macht im günstigen Fall die positive Erfahrung, dass ihr zunehmende Sonderrechte in der Wahrnehmung des eigenen Standpunktes eingeräumt werden. Aus diesen Dynamiken erwächst kein Interesse am Allgemeinen.

Auf diese Lage ist eine über Jahrzehnte hinweg im Wesentlichen an individualethischen oder aber globalethischen Fragestellungen orientierte evangelische Ethik schlecht vorbereitet. Sie hat Übung darin, das (Über-)Leben des Einzelnen vor Gott oder aber das (Über-)Leben der globalen Schöpfung vor Gott zu reflektieren. In der Frage, was in einer gruppenzerfaserten gesellschaftlichen Situation, die in ihre eigenen Reihen hineinreicht, zu tun ist, um zu einer lebenszuträglichen Sozialität beizutragen und deren Zusammenhalt zu stärken, ist sie ungeübt.8 Was passiert?

 

Freimütige Selbstdistanz oder Inklusionssensibilität

 

An die Stelle von besonnener, von der Haltung der freimütigen Selbstdistanz gekennzeichneter selbstkritischer Urteilskraft und Ambiguitätstoleranz tritt ein Moralismus, der vorgibt, „inklusionssensibel“ zu sein, allerdings nicht klärt, was das rational und handlungsfeldbezogen eigentlich bedeuten müsste – nämlich zum Beispiel, bis in eine ehrlich gelebte und gestaltete Gastfreundschaft hinein Menschen mit anderen Auffassungen innerhalb der eigenen Religion und Konfession nicht zu diskreditieren, sondern zu respektieren. Die Würde eines anderen Menschen würdigt gerade auch die Person, die respektiert und signalisiert, dass ihr seine Auffassungen fremd sind und fremd bleiben.9

Gerade dieses Geständnis führt auf die allgemeinheitsstiftende Erfahrung der Unverfügbarkeit und Unbedingtheit Gottes. Der unverfügbare Gott, die unbedingte Geistkraft Gottes, so muss die christliche Einsicht lauten, steht nicht auf der Seite aller Menschen. Vielmehr steht sie in einer schwer nur zu durchschauenden Weise an der Seite aller Menschen. Die sozial- und friedensethische Wucht dieser schlichten Einsicht, die es in sich hat, ist noch lange nicht ausgelotet. Sie hat zusammenführende Kraft.

Als die Kirchen und die deutsche Gesellschaft zu Beginn des 20. Jahrhunderts in einer tiefliegenden Krise des Zusammenhalts steckte, war es der sozialpolitisch eminent interessierte evangelische Theologe Ernst Troeltsch, der die Kirchen unter anderem auf zweierlei aufmerksam machte: auf die einheitsstiftende Energie ihrer Rituale und auf die einheitsstiftende Kraft ihres Ursprungs, die sie zusammenhält.

Troeltsch schreibt: „Eine Religion ohne Kultus und ohne die von ihm ausströmende Verlebendigung der gemeinsamen Lebensgehalte, ohne die von ihm geschaffene massenpsychologische Verstärkung der Gefühle und Gedanken wäre rettungslos eine absterbende Religion.“10 Relevant wird Kirche nach Troeltsch wesentlich als eine sozial eingebettete und von starken Ritualen getragene Gemeinschaft. Kirche braucht entsprechende soziale Arrangements, soziale Felder und Reibungsflächen, die zu Orten christlicher Vergewisserung werden. Und Troeltsch prägt ferner ein: Christus sei einmalig. Er sei die „von den Jahrtausenden immer wieder ausgemalte Verkörperung überlegener religiöser Kraft, deren Herzschlag durch die ganze Christenheit hindurchgeht, wie das Vibrieren der Schiffsmaschine durch jeden Winkel des ganzen Schiffes fühlbar ist.“11 Wo der Glaube an ihn lebendig sei, sei auch Christus lebendig. Emphatisch fordert Troeltsch: Jeder der Kirche noch so fern stehende Mensch müsse die Chance haben, sich als „Ausstrahlung von diesem Zentralpunkt empfinden“ zu können, und so möglicherweise ein Interesse gewinnen können, sich „in der Verehrung Jesu als der welthistorischen Gottesoffenbarung mit anderen“ zu verbinden.

Ein Mensch, der in dieser Form auf das Allgemeine aus ist, hat verstanden. Es geht hier, es geht im Leben eines Menschen auch um ihn selbst. Aber es geht immer in der gemeinsamen Suche mit anderen, die ganz anders denken und fühlen als er selbst, gemeinsam um ihn und die anderen. In dieser gemeinsamen Suche nach dem, worauf Menschen am aktuellen Tag, in der aktuellen Woche, im aktuellen Monat oder Jahr aus sein sollten, bündelt sich die Kraft, die zum Leben (ver)sammelt. Kirchen, die auf diese Weise unterwegs sind, haben die Chance, auszustrahlen, was sie glauben. Sie predigen nicht nur Freude, sondern leben sie auch, klagen Hoffnung nicht nur ein, sondern haben sie selbst in vermaledeiten Zeiten für sich und die Menschen, die sie beherbergen und versammeln sollen.

 

1 Vgl. Confessio Augustana VII: Est autem ecclesia congregatio sanctorum, in qua evangelium pure docetur et recte administrantur sacramenta.
2 Vgl. Confessio Augustana VII: Et ad veram unitatem ecclesiae satis est consentire de doctrina evangelii et de administratione sacramentorum.
3  An dieser Stelle auf die Fernbeziehungen einer Partei übertragen: Bei aller Innovationslust –  ist es wirklich ein neues Parteiprogramm, was Menschen für eine Partei gewinnt? Ist eine nicht enden wollende Kette von Frohbotschaften und Heldentaten und erfolgreichen Taten eines Parteigeneralsekretärs, das Signal, ständig alles besonders richtig gemacht zu haben, etwas, das ernsthaft die Zugehörigkeit stärkt? Oder ist es nicht vielmehr der Verweis auf eine soziale politische Errungenschaft, an die sich gern gemeinsam erinnert wird?
4 Vgl. hierzu Bernhard Dressler: „Ambiguitätstoleranz? Zum Umgang mit Mehrdeutigkeit in religionspluraler Kultur“, in: ders.: Religion verstehen. Beiträge zur Religionshermeneutik und zu religiöser Bildung, Stuttgart 2020, S. 217–228.
5 Vgl. Dressler, a. a. O., S. 218 f.
6  Vgl. Dressler, a. a. O., S. 222.
​​​​​​​7  Vgl. Dressler, a. a. O., S. 220.
​​​​​​​8 Das zeigt sich dieser Tage auch an den friedensethischen Haltungsirritationen in Teilen der evangelischen Kirche, die die Folgen eines radikalen Pazifismus nur für Individuen reflektiert (passiver Widerstand), das Recht auf Selbstverteidigung ganz abspricht oder nur für Individuen halbwegs zulässt, aber mit dem Selbstverteidigungsrecht im Sinne rechtserhaltender Gewalt eines ganzen Volkes nichts anzufangen vermag.
​​​​​​​9 Vgl. Dressler, a. a. O., S. 224.
​​​​​​​10 Vgl. Ernst Troeltsch: „Die Zukunftsmöglichkeiten des Christentums“, in: ders.: Zur religiösen Lage. Religionsphilosophie und Ethik, Tübingen 1913, S. 837–862, 856.
​​​​​​​11 Vgl. Troeltsch, a. a. O., S. 847.

 

 

 

 

 

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