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Impulse für eine Staatsmodernisierung aus gewerkschaftlicher Sicht

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Der Staat – das sind wir alle, nicht nur die Verwaltungen auf allen Ebenen und die Politik. Umso wichtiger ist es, dass sich möglichst viele Menschen Gedanken darüber machen, wie unser Zusammenleben strukturiert, organisiert und verwaltet wird. Viele haben mittlerweile das Gefühl, dass der Staat zu einem „Bürokratiemonster“ geworden ist, das sich zwar einerseits um die Menschen im Land kümmert, andererseits aber auch hohe bürokratische Hürden aufgebaut hat, die viele Bereiche lähmen.

Aufgabe der Gewerkschaften ist es, Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen zu wahren und zu fördern. Aus dieser Aufgabenstellung leitet sich ein direkter Anspruch ab, im Namen der Beschäftigten einen verlässlichen Rahmen für gute Wirtschafts- und Arbeitsbedingungen von der Politik einzufordern. Da diese keinesfalls losgelöst vom Staat und von seinen Institutionen betrachtet werden können, machen sich die Gewerkschaften und ihre Dachverbände Gedanken darüber, welche Rolle der Staat hierbei spielt, ob er seinen Aufgaben gerecht wird und was die Beschäftigten im Land von der Staatsgewalt erwarten dürfen.

Die Veröffentlichung der Konrad-Adenauer-Stiftung Für einen handlungsfähigen deutschen Staat. Vorschläge für eine Staatsmodernisierung in der Legislaturperiode 2021–2025 formuliert zehn Forderungen. Auf einige von ihnen möchte ich im Folgenden eingehen und dabei meine Sicht als Gewerkschafterin einfließen lassen.

Der Forderung, das Ressortprinzip für Querschnittsaufgaben zu öffnen und die Entscheidungskompetenz an nachgeordnete Oberbehörden zu übertragen, kann aus gewerkschaftlicher Sicht zugestimmt werden, wenn nicht nur die Aufgaben in den Fokus genommen werden, sondern auch die Betroffenheit der einzelnen Personengruppen. Beispiel Digitalisierung: Von der Aufgabe her betrachtet, sind vor allem das Ministerium für Inneres und Heimat sowie das Ministerium für Verkehr und Digitales zuständig. Von der Betroffenheit aus betrachtet, sind es alle Menschen im Land, insbesondere jedoch Arbeitgeber und Beschäftigte. Demnach müssten sich auch das Ministerium für Wirtschaft und Klimaschutz sowie das Ministerium für Arbeit und Soziales einmischen. Querschnittsaufgaben sollten also durchaus an nachgeordnete Behörden delegiert werden – sofern auch immer die hauptsächlich betroffenen Personengruppen in dieser Behörde Gehör finden.

 

Den Bürger im Blick

 

Aus gewerkschaftlicher Sicht spricht nichts gegen eine Verwaltungsreform; es gibt aber berechtigte Zweifel, ob die Übernahme bundesbehördlicher Aufgaben durch politisch steuerbare Einheiten anderer Rechtsformen der Weisheit letzter Schluss ist. In vielen Bereichen, in denen der Bund, die Länder oder die Kommunen Behörden privatisiert und/oder in Eigenbetriebe umgewandelt haben, verbesserte sich nicht zwingend etwas – weder für die Bürgerinnen und Bürger noch für die Beschäftigten. Beispiel Deutsche Bahn sowie die Energie- und Wasserversorgung: Allein das um die Jahrtausendwende vielerorts praktizierte Cross-Border-Leasing hat mehr Schaden angerichtet, als etwas verbessert. Tafelsilber wurde verscherbelt und teuer zurückgeleast.

Nicht jede Privatisierung oder Änderung der Rechtsform führt automatisch zu einer besseren Aufgabenbewältigung. Daher ist entscheidend, den Fokus nicht nur auf die beste Rechtsform zu richten, sondern insbesondere auch darauf, wie man den Menschen im Land und ihren Anliegen am besten gerecht wird. Ob beispielsweise ein Bauantrag von einer Behörde, einer Körperschaft öffentlichen Rechts oder einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung bearbeitet wird, ist weniger entscheidend für die Menschen als vielmehr die Frage nach dem Aufwand und der Genehmigungsdauer. Der Schwerpunkt einer Verwaltungsreform sollte also nicht aus einer rein juristischen Sicht erfolgen, sondern es muss dabei auch im Fokus bleiben, was sie für die Kunden dieser Behörden bedeutet. Dass der Mensch im Mittelpunkt steht, ergibt sich nicht nur aus dem christlichen Menschenbild, sondern wird auch von den Gewerkschaften so gesehen. Zudem dürfen sich durch die Veränderung der Rechtsform die Arbeitsverträge und die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten in diesen Behörden nicht verschlechtern.

 

Fehlende Transformationskonzepte

 

Der Einführung von Klimahaushalten, die schon bei der Projektplanung Klimaneutralität bedingen, Kosten-Nutzen-Analysen voraussetzen und einer Ziel- und Wirkungskontrolle unterliegen, ist aus ökologischer Sicht zuzustimmen. Die enormen Auswirkungen auf die Wirtschaft und den Arbeitsmarkt müssen jedoch im Auge behalten werden. Die digitale Transformation und die Dekarbonisierung der Industrie machen sich schon seit einiger Zeit am Arbeitsmarkt bemerkbar: Bestimmte Berufe wird es schon in wenigen Jahren nicht mehr geben, dafür werden neue hinzukommen. Innerhalb der Betriebe und entlang der Wertschöpfungsketten ist ein Beschäftigungsumbau deshalb dringend notwendig.

Zusätzlich zu einer Staatsreform müssen deshalb Schwerpunkte im Bereich der schulischen und betrieblichen (Aus-)Bildung sowie der betrieblichen Weiterbildung gesetzt werden. „Man wechselt von der Fertigung nicht so einfach in das Gesundheitswesen. Aber mit einer gewissen Zeitspanne und in verwandte Branchen ist das praktikabel“, so Jörg Hofmann, Vorsitzender der IG Metall. Es muss also darauf geachtet werden, nicht nur die Verwaltungen neu aufzustellen, sondern alle Folgen, die mit diesem – zwingend notwendigen – Schritt einer Verwaltungsreform verbunden sind, in den Blick zu nehmen. Vor allem die Automobilindustrie und ihre Zulieferer setzen auf die Transformation und die Dekarbonisierung; vor diesem Hintergrund werden sie staatliche Unterstützung für den Beschäftigungsumbau einfordern. Subventionsinstrumente wie Steuererleichterungen, Infrastrukturbereitstellung, Forschungsförderung und so weiter erhalten die Unternehmen zwar schon heute. Um die Klimaziele einzuhalten, ist jedoch mit weiteren Steigerungen dieser Mittel zu rechnen. In erschreckend vielen Betrieben fehlt dafür die notwendige nachhaltige Personal- und Qualifizierungsstrategie, insbesondere für neue Kompetenzen in der Informationstechnologie (IT), in der E-Mobilität und in der Robotik. Ohne staatliche Unterstützung wird es nicht gelingen, die Industrie auf ein neues Zeitalter umzustellen. Hierauf wirken sich auch die Klimahaushalte aus.

Die ehemalige Bundesregierung hatte die Notwendigkeit erkannt, den Strukturwandel zu fördern und in dringend notwendige Zukunftsqualifizierungen zu investieren. Das zum 1. Januar 2019 eingeführte Qualifizierungschancengesetz sei als lobenswertes Beispiel genannt; allerdings ist es nach wie vor in vielen Betrieben weitgehend unbekannt und wird selten genutzt, obwohl sich die Anforderungen an die Qualifikationen der Beschäftigten in den letzten Jahren stark verändert haben. Mit zunehmender Automatisierung und Digitalisierung werden vermehrt Fachkräfte in der IT, in der Elektronik und in der Elektrotechnik benötigt, es werden also künftig weniger Beschäftigte im unmittelbaren Fertigungsprozess gebraucht, sondern vor allem zur Prozessüberwachung und -verbesserung. Bisher fehlen in den meisten Betrieben Transformationskonzepte, insbesondere für gering Qualifizierte. Personal- und Bildungsplanungen sind selten, es gibt viel zu wenig Qualifizierungsangebote. Deshalb wird die Politik weitere arbeitsmarktpolitische Instrumente finden müssen, damit die Wirtschaft den Transformationsprozess bewältigt und international wettbewerbsfähig bleibt. Am Beispiel der Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik wird deutlich, wie sinnvoll die Einführung von Klimahaushalten ist, welche Aspekte dabei aber aus Sicht der Gewerkschaften zu berücksichtigen sind.

 

Reform des Dienst- und Arbeitsrechts?

 

Der Vorschlag, dem Bundesrat in Krisenzeiten zu ermöglichen, exekutive Einzelentscheidungen mit verbindlichen Wirkungen in allen Bundesländern zu treffen, ist zu begrüßen. Nicht zuletzt die Corona-Pandemie hat gezeigt, dass es in der Krise keine Zeit für Kompetenzgerangel zwischen Bund und Ländern gibt. Beispiel Arbeits- und Gesundheitsschutz: In Betrieben mit mehreren Standorten in Deutschland ist es oft schwierig, mit den unterschiedlichen Verordnungen der Länder umzugehen. Eine bundesweit einheitliche und übersichtliche Lösung wäre mehr als wünschenswert, zumal sie ja trotzdem die Unterschiede in Bezug auf Inzidenz, Hospitalisierungsrate und Belegung der Intensivbetten berücksichtigen könnte, zum Beispiel durch bundesweit einheitliche Warn- und Alarmstufen.

Eine vom Bund zur Verfügung gestellte sichere und zuverlässige digitale Netzinfrastruktur und eine konsistente IT-Architektur mit gemeinsamen Standards und Schnittstellen sind grundsätzlich wünschenswert. Allerdings müssen die Konsequenzen für die Beschäftigten im öffentlichen Dienst im Auge behalten werden: Auf möglicherweise wegfallende Arbeitsplätze, entsprechende Qualifizierungen und geänderte Arbeitsbedingungen muss achtgegeben werden. Es darf auf keinen Fall sein, dass notwendige Veränderungen der IT-Infrastruktur auf Kosten der Beschäftigten durchgeführt werden.

Ob das öffentliche Dienst-, Arbeits- und Tarifrecht reformiert werden muss, um eine weitreichende Wettbewerbsfähigkeit der Verwaltung herzustellen, ist in zweierlei Hinsicht mehr als fraglich: Zum einen stellt sich die Frage, ob die Verwaltungen grundsätzlich dem Wettbewerb unterliegen beziehungsweise unterliegen sollten. Die verschiedenen Verwaltungen auf allen Ebenen müssen zwar effizient arbeiten, sie sollten jedoch vor allem bürgerfreundlich sein. Wettbewerb innerhalb der Verwaltungen könnte dazu führen, dass zwar Kosten eingespart werden, dies aber zulasten der Bürgerinnen und Bürger und/oder der Beschäftigten im öffentlichen Dienst geschieht. Es erschließt sich mir daher nicht, inwiefern eine Reform des öffentlichen Dienst- und Arbeitsrechts sinnvoll ist. Für das Tarifvertragsgesetz sehe ich überhaupt keinen Reformbedarf. Sollte eine Reform des Dienst- und Arbeitsrechts wirklich notwendig sein, beispielsweise durch neue Arbeitsformen wie Homeoffice, wird es vor allem darauf ankommen, die Beschäftigten im öffentlichen Dienst bei diesen Veränderungen nicht nur mitzunehmen, sondern sie direkt zu beteiligen. Oft wissen sie am besten, was geändert werden müsste, um effektiver und effizienter arbeiten zu können. Solch eine Reform darf deshalb keineswegs auf der politischen Ebene stattfinden, sondern sie muss den Tarifpartnern überlassen werden. Auch bei diesem Punkt ist entscheidend: Veränderungen müssen bei den Betroffenen positiv ankommen. Eine Reform zulasten der Beschäftigten im öffentlichen Dienst ist aus gewerkschaftlicher Sicht nicht akzeptabel.

Der Vereinheitlichung des Vergaberechts durch Angleichung der Landes- an die Bundesvergaben steht hingegen grundsätzlich nichts entgegen. Es fehlt jedoch ein elementarer Punkt aus Sicht der Gewerkschaften: Auch Tariftreuegesetze sind auf allen Ebenen dringend notwendig! Diese können bundesweit einheitlich geregelt sein, es darf aber auf keinen Fall Lücken geben. Die Christlich Demokratische Union Deutschlands (CDU) ist die Partei, die für die Soziale Marktwirtschaft steht. Untrennbar damit verbunden ist das Bekenntnis zur Sozialpartnerschaft und zu Tarifverträgen. In ihrem Wahlprogramm zur Bundestagswahl 2021 hat die CDU eine Stärkung der Tarifverträge gefordert. Durch Tariftreuegesetze werden die Tarifverträge gestärkt und somit gute Arbeitsbedingungen und faire Entgelte garantiert.

Sobald die CDU die Möglichkeit hat, sollte sie eine Staatsreform angehen. Der Ampel-Koalition ist dies nicht zuzutrauen, hierzu bedarf es der Kompetenz der Union. Wichtig ist, eine solche Reform auch von den betroffenen Menschen her zu betrachten – von den Bürgerinnen und Bürgern einerseits, andererseits jedoch auch von den Beschäftigten im öffentlichen Dienst.

Eine Staatsreform allein unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten durchzuführen oder sogar einem Wettbewerb zuzuführen, wäre grundlegend falsch. Konrad Adenauer meinte einmal: „Die Wirtschaft muss dem Menschen dienen, nicht der Mensch der Wirtschaft.“ Diesen Leitsatz kann man auch auf die Organisation des Staates und seiner Verwaltungen anwenden.

 

Sozialer Zusammenhalt und Demokratie

 

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) fordert von der Politik eine „klare und mutige Strategie, um das Land zu modernisieren – mit massiven Investitionen in Arbeit, Bildung, Gesundheit und (digitale) Infrastruktur“. Dafür braucht es beispielsweise digitale Zugangsrechte zu den Beschäftigten, ambitionierte Zukunftsinvestitionen und eine stärkere Mitbestimmung im digitalen Zeitalter. Die Menschen benötigen soziale Sicherheit im Wandel, es dürfe jedoch nicht nur darum gehen, den Zustand von vor der Krise wiederherzustellen. Vielmehr muss der Übergang in eine digitale und klimaneutrale Wirtschaft und Arbeitswelt gerecht gestaltet werden. Die Krise hat deutlich gemacht, wo es hapert: Personalmangel im Gesundheitswesen und im Öffentlichen Dienst, eine defizitäre Infrastruktur, nicht digitalisierte Schulen, nicht genug bezahlbarer Wohnraum. In allen Bereichen sind massive Investitionen nötig. Ein starker, handlungsfähiger Staat trägt auch dazu bei, den sozialen Zusammenhalt zu verbessern und so die Demokratie zu stärken.

Diesen Forderungen darf sich auch die CDU nicht verschließen, die Blockade gegen das Betriebsrätestärkungsgesetz müssen wir beenden. Sicherlich gibt es Punkte, über die diskutiert werden kann, aber wir dürfen es nicht weiterhin grundsätzlich infrage stellen.

Das Ergebnis der Bundestagswahl hat gezeigt, dass wir uns mittlerweile weit von den Bürgerinnen und Bürgern dieses Landes entfernt haben. Wenn es uns nicht gelingt, ihre Lebenswirklichkeit in den Mittelpunkt unserer Politik zu stellen, wird uns die beste Staatsreform nichts nützen. Es wird deshalb darauf ankommen, wieder mehr Zugang zu den Menschen zu finden, ihre Sorgen und Nöte ernst zu nehmen und Reformen mit ihnen gemeinsam zu gestalten. Es darf keine Reform um der Reform willen geben, sondern ausschließlich aus einem Grund: um das Leben der Menschen zu verbessern.

 

Monica Wüllner, geboren 1969 in Stuttgart, seit 2012 Mitglied des Bundesvorstandes der Christlich Demokratischen Union Deutschlands (CDU), stellv. Landesvorsitzende der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA) Baden-Württemberg, Mitglied im CDA-Bundesvorstand.

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