Wäre es nicht schön, wenn wir nur ordentliche und saubere Städte hätten? Wieso gelingt das mal mehr, mal weniger? Was können wir dazu beitragen, dass es gelingt? Und warum ist das eigentlich wichtig? In kommunalen Beschwerdeportalen nehmen die Themen „Müllablagerung“ und „Vandalismus“ breiten Raum ein. Deshalb muss sich eine Stadtverwaltung mit diesen Fragen intensiv auseinandersetzen.
Im Vergleich zu früher verbringen viele Menschen ihre Freizeit immer häufiger im öffentlichen Raum. Mittlerweile gehört es zu einer lebendigen und lebenswerten Stadt, dass sich die Bürgerinnen und Bürger ungezwungen und frei vom sonstigen Berufs- und Alltagsstress im Freien aufhalten, einen Kaffee oder ein Bier trinken, etwas essen, in Parks grillen oder Musik hören. Dieses „neue“ Freizeitverhalten wird in den Innenstädten quer durch alle gesellschaftlichen Schichten gelebt. Dazu gehören auch längere Ladenöffnungszeiten und liberalisierte Sperrzeitregelungen in der Gastronomie.
Alle Bürgermeisterinnen und Bürgermeister wünschen sich, dass die Innenstädte lebendige Zentren der Begegnung sind. Auch mir persönlich als Oberbürgermeister einer kreisfreien Stadt ist sehr daran gelegen, dass die Menschen in die Innenstadt kommen und sich dort wohlfühlen. Wir brauchen attraktive öffentliche Räume und Plätze, weil sie eine Vielzahl von Kontaktmöglichkeiten bieten.
Verändertes Verhalten, neue Konflikte
Ein verändertes Freizeitverhalten bringt jedoch auch neue Konflikte mit sich. Häufig führen Freizeitlärm im Umfeld von Außengastronomie und Parkanlagen oder in Fußgängerzonen, der ständige Geräuschpegel größerer Menschenansammlungen sowie lautes Grölen und Singen einzelner Gruppen zu Unverständnis bei Anwohnern, aber auch bei Bürgerinnen und Bürgern, die sich zum Teil bedroht fühlen. Hinzu kommt in nicht unerheblichem Maße, dass mehr Menschen im öffentlichen Raum mehr Abfall produzieren. Der Eindruck eines sichtbar verwahrlosten öffentlichen Raumes mindert die Aufenthaltsqualität deutlich.
Bei der Vielfalt des öffentlichen Lebens und der damit einhergehenden Konflikte und Probleme steht die Sauberkeit in der Stadt in der öffentlichen Wahrnehmung sehr weit vorn. Sie ist oft von zentraler Bedeutung, und nicht selten werden hierüber das Wohlbefinden und die Identifikation der Menschen mit ihrer Stadt definiert.
Die Städte sind zuständig für die Abfallbeseitigung und -verwertung und schaffen mit Abfallbehältern sowie deren regelmäßiger Leerung die notwendigen Grundvoraussetzungen für saubere Nachbarschaften. Natürlich kostet das Geld und bedeutet einen hohen Personalaufwand, der auch über Gebühren finanziert werden muss. Kommt es vermehrt zu illegaler Abfallentsorgung, wie etwa durch nicht angemeldeten Sperrmüll auf dem Bürgersteig oder im Wald, und zur „Vermüllung“ öffentlicher Plätze, steigen Aufwand und Kosten für die Reinigung. Das wollen die Städte verhindern. Sie engagieren sich mit Kampagnen zur Aufklärung der Bürgerinnen und Bürger, bieten eine aktive Abfallberatung an und führen Gespräche mit der lokalen Gastronomie, um Abfallvermeidung zu organisieren.
In Münster führen wir seit einigen Jahren die Aktion „Sauberes Münster“ gemeinsam mit den Abfallwirtschaftsbetrieben durch, an der sich viele Bürgerinnen und Bürger sowie Kitas, Schulen und Vereine beteiligen. 2018 sammelten über 12.000 Freiwillige innerhalb einer Woche knapp 25 Tonnen Müll ein. Dies ist nur ein Beispiel unter vielen. Es zeigt aber, dass die „Vermüllung“ öffentlicher Räume eine große lokalpolitische Herausforderung darstellt. Das achtlose Wegwerfen von Abfall geschieht durch einige wenige, doch der Verschandelung des Stadt- und Landschaftsbildes durch die „Vermüllung“ sind alle ausgesetzt. Ziel muss es sein, die Verursacher zu sensibilisieren, damit sie ihren Abfall sachgerecht entsorgen, und parallel dazu Ideen zu entwickeln, wie Abfall gar nicht erst entstehen kann.
Charta für eine saubere Nachbarschaft
Viele Städte praktizieren das etwa bei Mehrweglösungen, wie zum Beispiel beim Coffee-to-go-Becher. Gerade in diesem Zusammenhang ist die lokale Kooperation mit der Gastronomie ein wichtiger Pfeiler. Die kommunalen Spitzenverbände haben sich 2013 mit dem Bundesverband der Systemgastronomie auf eine gemeinsame Charta für eine saubere Nachbarschaft verständigt. Wichtig ist, dass sich nicht allein die Kommune in der Verantwortung für eine saubere Stadt sieht. Auch die Bürgerinnen und Bürger sowie die lokalen Unternehmen leisten einen zentralen Beitrag. Einerseits wollen wir die Innenstädte attraktiv gestalten und die Menschen zum Verweilen an bestimmten Orten einladen. Wir wollen die belebte und lebendige Stadt! Andererseits müssen wir den Auswirkungen durch Lärmbelästigungen oder Müllablagerungen entgegentreten. Denn eins ist offenkundig und wird durch zahlreiche kommunale Erfahrungen auch in anderen Ländern bestätigt: Es gibt einen engen Zusammenhang zwischen öffentlicher Ordnung und Sicherheit. Wenn wir uns für die Gestaltung eines sauberen und freundlichen Lebensumfeldes unserer Bürgerinnen und Bürger einsetzen, können wir verhindern, dass kriminalitätsbelastete Orte entstehen. Die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung bringt einen Zugewinn an Sicherheit!
Öffentliche Ordnung beinhaltet jedoch wesentlich mehr als die Pflege des äußeren Erscheinungsbildes. Störungen der öffentlichen Ordnung beeinflussen das subjektive Sicherheitsgefühl der Menschen. Der unmittelbare Zusammenhang zwischen öffentlicher Ordnung und Sicherheit, subjektiv zwischen dem Bedürfnis nach Sauberkeits- und Sicherheitsempfinden, bildet deshalb heute ein wichtiges Element kommunaler Sicherheitspolitik.
Sicherheitsgefühl stärken
Für Sicherheitsfragen sind in erster Linie Polizei und Strafverfolgungsbehörden zuständig. Bei ihnen liegen die erforderlichen Kompetenzen und Instrumente. Dennoch sehen sich die Städte immer stärker gefordert, wenn es um das Sicherheitsempfinden der Menschen auf öffentlichen Straßen und Plätzen geht. Die Bürgerinnen und Bürger unterscheiden nicht nach Zuständigkeiten. Sie richten ihre Forderungen unmittelbar an uns, an ihre Stadt, und erwarten schnelle Hilfe.
Die Lebens- und Wohnqualität in den Städten hängt entscheidend davon ab, ob sich die Menschen in der Öffentlichkeit frei und ohne Angst bewegen können. Kriminalitäts- und Gewaltprävention und der Erhalt der öffentlichen Ordnung sind Handlungsfelder, die in den Städten erheblich an Bedeutung gewonnen haben. Es muss gelingen, das gesellschaftliche Miteinander zu fördern und gleichzeitig die öffentliche Ordnung und Sicherheit für die Bürgerinnen und Bürger zuverlässig zu gewährleisten. Hierzu sind Bund und Länder in der Pflicht, flächendeckend für mehr Polizei zu sorgen. Die Polizeipräsenz im Stadtbild muss sich deutlich verbessern und die Arbeit der Polizei dadurch für die Menschen sichtbarer werden. Die Verfolgung von Straftaten durch die Justiz muss konsequent und zeitnah erfolgen. Bestrebungen einzelner Länder, Aufgaben der Polizei auf die Kommunen abzuwälzen, sind entschieden abzulehnen, da sie in das wohlbedachte, fein austarierte Kompetenzgefüge nachteilig eingreifen.
In zahlreichen größeren Städten übernehmen kommunale Ordnungsdienste Aufgaben, die bislang die Polizeibehörden der Länder wahrgenommen haben. Dies betrifft vor allem den überwiegenden Teil der Ordnungswidrigkeiten wie etwa Ruhestörungen oder Belästigungen der Allgemeinheit, aber auch die Gefahrenabwehr. Insofern stellen kommunale Ordnungsdienste einen wichtigen Baustein im Gefüge der Sicherheitsarchitektur dar. Wir müssen dennoch nachhaltig darauf hinwirken, dass die Polizei weiterhin für die Sicherheit und Ordnung sowie die Ahndung von Ordnungswidrigkeiten zuständig bleibt und unmittelbar und sichtbar einschreitet.
Gleichwohl ist es unser Ziel als Stadtverwaltung, durch mehr Präsenz kommunaler Ordnungsdienste auf der Straße die Sicherheit und das Sicherheitsgefühl der Menschen zu stärken. Die Bürgerinnen und Bürger nehmen das deutlich wahr, und es hat vielerorts zu positiven Entwicklungen geführt. Die städtischen Ordnungshüter übernehmen darüber hinaus wertvolle präventive Leistungen. Dazu zählen zum Beispiel Gespräche und Aufklärungsarbeit, auch an Schulen und Kitas, Informationsstände auf Veranstaltungen und Öffentlichkeitskampagnen. Dieses verantwortungsvolle Engagement ist nur dann zu leisten, wenn die Ordnungsdienste ihren vielfältigen Aufgaben entsprechend ausgebildet und ausgestattet werden und damit die notwendige Akzeptanz bei den Bürgerinnen und Bürgern in unseren Städten und bei den Sicherheitsbehörden erhalten.
Abgestimmte Aktionen als entscheidendes Fundament
Wirksame Sicherheitsmaßnahmen setzen voraus, dass die unterschiedlichen Behörden, Institutionen und Einrichtungen mit ihren speziellen Kompetenzen aufeinander abgestimmt agieren. Dies ist das entscheidende Fundament zum Aufbau und zur Weiterentwicklung von Ordnungs- und Sicherheitspartnerschaften oder anderen partnerschaftlich vernetzten Kooperationen.
Letztlich bleibt sicherer und sauberer öffentlicher Raum eine kontinuierlich zu leistende Aufgabe der Stadt in ihrer ganzen Vielfalt. Verwaltung, Betriebe, Handel und Gastronomie und nicht zuletzt die Bürgerinnen und Bürger müssen alle ihren Beitrag leisten – für offene und lebenswerte Plätze in der Stadt.
Markus Lewe, geboren 1965 in Münster, seit 2009 Oberbürgermeister der Stadt Münster, seit 2018 Präsident des Deutschen Städtetages.