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Corona-Krise und Geschäftemacherei

Ein kritischer Blick aus Verbrauchersicht auf die Finanzbranche

Haben die Kreditinstitute versucht die Verbraucher um ihre Rechte zu bringen?

Das Frühjahr 2020 wird uns als eine Zeit der Ungewissheit in Erinnerung bleiben. Eine Pandemie, die sich zunächst scheinbar fernab abspielte und deren Bilder wir nur aus dem Fernsehen gekannt hatten, erreichte schlagartig unseren Alltag. Für viele Verbraucher blieb es nicht bei abstrakten Sorgen. Sie mussten wegen Kurzarbeit auf einen Teil des Gehalts verzichten, wurden arbeitslos, während Selbstständigen die Aufträge wegbrachen. Denjenigen, die durch Corona unverschuldet in die persönliche Krise geraten waren, drohte der Verlust ihrer Wohnung, weil sie die Miete oder den Kredit für ihr Haus nicht mehr stemmen konnten. In diesem Moment erheblicher Ungewissheit hätten vernichtete Existenzen in großer Zahl das Vertrauen in die Leistungsfähigkeit der Sozialen Marktwirtschaft untergraben. Es war deshalb keine soziale Wohltat, sondern ökonomisch geboten, dass die Bundesregierung handelte. Neben einer Reihe von Akutmaßnahmen, wie dem Kurzarbeitergeld und vereinfachten Transferzahlungen, wurden betroffene Verbraucher durch verschiedene Moratorien unterstützt. Mieter konnten Mietzahlungen aufschieben, Kreditnehmer Zins und Tilgung aussetzen.

Im Rückblick zeigt sich: Das Kreditmoratorium hat Wirkung gezeigt, selbst wenn es lückenhaft war und Kreditinstitute vieles versucht haben, um Verbraucher um ihr Recht zu bringen. Da wurden Zinsen einfach weiter berechnet, Verträge zum Nachteil der Verbraucher mit neuen Konditionen versehen und Stundungsanträge abgelehnt.

Das Kreditmoratorium birgt drei Lehren für die Finanzpolitik: Es war erstens wichtig, das Vertrauen der Verbraucher zu stabilisieren, um selbsterfüllende Prophezeiungen einer eskalierenden Krise zu verhindern. Das Vertrauen in die Soziale Marktwirtschaft wurde dadurch vor größerem Schaden bewahrt und volkswirtschaftliche Verwerfungen vermutlich verhindert. Wer zweitens genauer hinsieht, muss leider feststellen: Einige Unternehmen versuchen, selbst in Krisenzeiten zulasten verwundbarer Verbraucher Profit herauszuschlagen, und verstoßen dabei auch gegen geltendes Recht. Daraus folgt, dass Banken für regelwidriges Verhalten zulasten von Verbrauchern nicht belohnt werden dürfen – hier ist vor allem die Bankenaufsicht gefordert. Drittens zeigt das dreiste Vorgehen von Kreditinstituten: Sollte sich die wirtschaftliche Lage wieder verschlechtern und ein weiteres Moratorium aufgelegt werden müssen, sollten die Anforderungen unbedingt schärfer definiert und Spielräume für Geschäftemacherei geschlossen werden. Andernfalls drohen erneut die redlichen Kreditinstitute die Dummen zu werden.

Auch wer durch Corona nicht um seine Existenz fürchten musste, spürte die Pandemie beim Geld. Verbraucher zahlten in größerem Maße als bislang elektronisch. Das liegt einerseits schlicht daran, dass Verbraucher stärker online einkaufen, was elektronisches Bezahlen erforderlich macht. Andererseits fordern Handel und Banken Kunden dazu auf, möglichst „kontaktlos“, also per Karte oder Smartphone mittels NFC-Technologie, zu bezahlen. Der Wunsch, möglichst auf Berührungen zu verzichten, ist in Zeiten von Abstandsgeboten und Desinfektionsmitteln naheliegend. Doch die von interessegeleiteten Anbietern verbreitete Behauptung[1], von Bargeld gehe ein erhöhtes Infektionsrisiko aus, ist wissenschaftlich nicht belegt. Von einer vermeintlichen Warnung haben sich die falsch zitierte Weltgesundheitsorganisation[2] sowie Bundesbank[3] und Europäische Zentralbank[4] distanziert. Besonders ärgerlich für Verbraucher: Laut einer Untersuchung[5] erhebt jede zweite Bank Entgelte für elektronisches Bezahlen – Hinweise darauf sind oft schwer auffindbar oder fehlen ganz. Wer bislang vor allem bar zahlte und mit diesen Gebühren nicht rechnet, könnte sein blaues Wunder erleben. Eine Befragung[6] der Marktbeobachtung des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv) fand heraus: Dreiviertel der Verbraucher mit einem Girokonto wären überrascht, wenn ihre Bank Entgelte für Kartenzahlungen an der Kasse erheben würde. Wer mit falschen Behauptungen zu bargeldlosem Bezahlen auffordert, ohne die Kosten klipp und klar zu benennen, muss sich den Vorwurf der Geschäftemacherei gefallen lassen. Die Erfahrungen mit dem elektronischen Bezahlen in Corona-Zeiten zeigt: Probleme am Markt wie zu hohe und versteckte Kosten bei Girokonten, werden durch die Krise deutlicher und dringlicher!

Außerdem stoßen Bemühungen, kommerzielle Bezahlmöglichkeiten wie etwa Kreditkarten im Markt durchzusetzen, in Zeiten der Pandemie auf fruchtbaren Boden. Das Bargeld gerät dadurch weiter unter Druck. Eine Welt ohne Bargeld ist jedoch keine gute Aussicht für Verbraucher: Höhere Abhängigkeit von Anbietern und Technik, höhere Kosten, mehr Überwachung durch Konzerne und Staaten sowie der Ausschluss breiter Bevölkerungsgruppen drohen. Die Europäische Kommission fordert in ihrer jüngst vorgestellten Strategie zur Zukunft des Zahlungsverkehrs[7] deshalb die Mitgliedstaaten zu Recht dazu auf, gegenzusteuern und dafür zu sorgen, dass Verbraucher auch in Zukunft die Wahl haben, ob sie bar oder elektronisch bezahlen möchten.

Corona hat uns vor Augen geführt, dass die Zukunft offen und nicht planbar ist. Und doch brauchen wir Pläne, wie Verbraucher wirtschaftliche Konsequenzen meistern können. So ist die Lage am Arbeitsmarkt durch diverse Stützungsmaßnahmen glücklicherweise heute noch gut. Leider kann sich das schnell ändern. Besondere Sorge bereiten Szenarien des wirtschaftlichen Abschwungs Verbrauchern, die selbstgenutzte Immobilien finanzieren. Politisches Ziel sollte es sein, diesen Menschen genügend Zeit einzuräumen, ihre Finanzen gegebenenfalls neu aufzustellen, damit sie ihre Immobilien möglichst halten können. Sollte dies erkennbar langfristig nicht möglich sein, so sollte geregelt sein, dass Verbraucher ohne erhebliche finanzielle Nachteile ihr Eigenheim abgeben können. Hier ist die Politik gefordert, indem sie Kündigungsfristen verlängert und für einen fairen Lastenausgleich zwischen Verbrauchern und Banken sorgt.

 

 

[1] https://www.wiwo.de/finanzen/geldanlage/die-zahlenfrau-verdraengt-die-coronakrise-das-bargeld/26026228.html

[2] https://www.theguardian.com/business/2020/jul/28/coronavirus-banknotes-covid-19-cash-paper-money

[3] https://www.bundesbank.de/de/aufgaben/themen/von-bargeld-geht-kein-besonderes-infektionsrisiko-fuer-buerger-aus--828542

[4] https://www.ecb.europa.eu/press/blog/date/2020/html/ecb.blog200428~328d7ca065.en.html

[5] https://www.biallo.de/girokonto/news/jede-zweite-bank-kassiert-beim-bargeldlosen-zahlen

[6] Methode: Computergestützte Telefoninterviews (CATI-Bus) Grundgesamtheit: in Privathaushalten in Deutschland lebende Personen ab 18 Jahren, die über ein eigenes Girokonto verfügen. Stichprobengröße: 1.101 Befragte. Statistische Fehlertoleranz: max. +/-3 Prozentpunkte in der Gesamtstichprobe. Erhebungszeitraum: 22.07. – 28.07.2020. Institut: Kantar

[7] http://ec.europa.eu/finance/docs/law/200924-retail-payments-strategy_en.pdf

Dorothea Mohn, Teamleiterin Finanzmarkt, und Claudio Zeitz, Finanzmarktreferent im Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände – Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. (vzbz)

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