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US-Außenministerium

Gegen Menschenrechtsverletzungen in Iran

Der „Global Magnitsky Act“ als neues Sanktionsregime

In den vergangenen zehn Jahre wurden Menschenrechtsverletzungen stärker sanktioniert als je zuvor. Das trifft vor allem Länder wie Russland, China und Iran. Sechs Millionen exilierte Iraner fordern derzeit Sanktionen gegen die iranischen Revolutionsgarden. Sie zu sanktionieren, würde das Regime hart treffen. Denn die Revolutionsgarden - und nicht die Mullahs - sind inzwischen die eigentliche Macht in Iran.

Sergei Magnitsky, ein Wirtschaftsprüfer im Unternehmen Hermitage Capital Management, verstarb 2009 in russischer Untersuchungshaft, weil er als Whistleblower Ungeheuerliches öffentlich gemacht hatte. Posthum wurde er zum Namensgeber eines neuen Instruments für menschenrechtspolitische Sanktionen.

Magnitsky hatte 2008 einen Korruptionsfall russischer Steuerbeamter entdeckt, bei dem es um einen Betrug in Höhe von rund 230 Millionen Dollar ging. Die russischen Behörden leiteten daraufhin ihrerseits gegen Magnitsky Ermittlungen wegen angeblicher Steuerhinterziehung ein. Die folgenden, äußerst tragischen Entwicklungen – von der Verhaftung Manitskys bis zu seinem Tod – riefen in Russland wie auch international erhebliches Aufsehen hervor. Eine unabhängige Aufklärung der genauen Todesumstände und die Bestrafung der Schuldigen erfolgten nicht, sodass sich die USA – insbesondere das Repräsentantenhaus – veranlasst sahen, mit gezielten Korruptions- und Menschenrechtssanktionen gegen Verantwortungsträger in Russland der Straflosigkeit in der „Causa Magnitsky“ entgegenzuwirken.

Vor rund zehn Jahren, am 14. Dezember 2012, unterzeichnete der damalige US-Präsident Barack Obama den Sergei Magnitsky Rule of Law Accountability Act of 2012 (Russia Magnitsky Act). Damals war noch keineswegs absehbar, dass sich hieraus das heute vielleicht wirkmächtigste Konglomerat globaler Menschenrechtssanktionsregime entwickeln sollte: die als Magnitsky-Style bezeichneten Sanktionsregime. Anfangs sprach einiges gegen die menschenrechtspolitische Erfolgsgeschichte. Insbesondere die in Washington umstrittene Fokussierung auf Russland ließen den Russia Magnitsky Act als ein zu konfliktträchtiges Instrument erscheinen. Die harsche russische Reaktion war geeignet, diese Sorge zu verstärken. So verabschiedete Moskau noch im Dezember 2012 als Gegenmaßnahme das „Dima-Jakowlew-Gesetz“, das ein Verbot der Adoption russischer Kinder durch US-Bürger vorsah.

Der Russia Magnitsky Act ist bis heute in Kraft. Gleichzeitig arbeitete die US-Administration an der Entwicklung eines global ausgerichteten Sanktionsinstruments. 2016 wurde der Russia Magnitsky Act um eine globale Version – den Global Magnitsky Act – ergänzt.

 

„Magnitsky-Style“

 

Während der Russia Magnitsky Act mit gezielten Sanktionen gegen russische Verantwortliche für Korruptionsfälle und Menschenrechtsverstöße vorgeht, weitet der Global Magnitsky Act die sanktionspolitische Perspektive weltweit aus. Betroffen sind in Ausnahmefällen auch Personen und Institutionen in befreundeten Staaten wie etwa in der Europäischen Union. Die größte Listung korrupter Personen erfolgte 2021 gegen zahlreiche bulgarische Staatsbürger.

Die Einführung des Global Magnitsky Act hat in den vergangenen Jahren Nachahmer gefunden. Kanada (2017), Großbritannien (2020/21), die Europäische Union (2020) und Australien (2021) verfügen ebenfalls über globale Magnitsky-Style-Menschenrechtssanktionsregime. Japan ist inzwischen der einzige G7-Staat, der solche Sanktionen noch nicht verhängen kann.

Mit dieser Ausweitung ist somit ein neues menschenrechtspolitisches Instrument mit globaler Reichweite entstanden, das unabhängig von Sanktionen der Vereinten Nationen Anwendung findet. Wenngleich die Staaten, die Magnitsky-Style-Sanktionen eingeführt haben, diese weiterhin unilateral verhängen, so bildet sich doch zunehmend eine Tendenz zu ihrer multilateralen Koordinierung heraus. Insbesondere gegen Staaten, die lange Jahre andauernde Menschenrechtsverletzungen zu verantworten haben – wie China und Russland –, ist eine abgestimmte Verhängung von gezielten Menschenrechtssanktionen zu beobachten.

Dieses sanktionspolitische Instrument im Vorgehen gegenüber China und Russland einzusetzen, ist auch deshalb besonders wichtig, weil beide Staaten als Vetomächte eine multilaterale Sanktionierung ihrer Menschenrechtsverletzungen über den UNO-Sicherheitsrat blockieren.

Bei der ersten abgestimmten Sanktionierung chinesischer Personen und Institutionen im März 2021 kooperierten die USA, Kanada, Großbritannien und die Europäische Union; sie wurden auch gemeinsam von gegnerischen Strafmaßnahmen getroffen. Für China, Russland und weitere Staaten bedeutet die zunehmende sanktionspolitische Kooperation einen erhöhten Sanktionsdruck; sie selbst weisen die verhängten Menschenrechtssanktionen regelmäßig als „Einmischung in innere Angelegenheiten“ zurück.

Obwohl die Magnitsky-Style-Sanktionen gezielt gegen einzelne Individuen und Institutionen gerichtet werden, scheinen sie menschenrechtspolitisch wirksamer zu sein als beispielsweise länderspezifische Sanktionsregime, die teilweise erhebliche wirtschaftliche und humanitäre Kosten für die gesamte Bevölkerung verursachen, die Verantwortlichen für Menschenrechtsverletzungen und Korruption jedoch selten oder gar nicht treffen.

 

Menschenrechtssanktionen gegen Iran

 

Iran ist ein besonders stark unter Sanktionsdruck stehender Staat. Von der EU und den USA wurden insbesondere nach der brutalen Niederschlagung der „Grünen Bewegung“ im Jahr 2009 gezielte Sanktionen gegen verantwortliche Individuen und Institutionen in Iran verhängt.

Auch im Fall der unilateral gegen Iran verhängten Sanktionen und Menschenrechtssanktionen haben China und Russland erhebliche wirtschaftliche und militärische Interessen, die eine multilaterale Sanktionierung durch die Vereinten Nationen unmöglich machen.

Die oppositionelle Bewegung in Iran ist aktuell das beste Beispiel dafür, wie eine breitgefächerte Oppositionsbewegung positiv und geschlossen auf diese gezielten Menschenrechtssanktionen gegen korrupte und gewalttätige Elemente im Mullahregime reagiert. Im iranischen Fall gehen die oppositionellen Forderungen nach Sanktionen – insbesondere gegen die brutal agierenden Revolutionsgarden und Bassidsch-Milizen – über die bislang verhängten Sanktionen hinaus. Die Forderung der iranischen Opposition, die Revolutionsgarden zu sanktionieren, ermutigt auch immer mehr europäische Politiker, sanktionspolitisch auch hier dem Vorbild der USA zu folgen, die diese weitgehenden Sanktionen bereits verhängt haben.

Die politische Führung in Iran hatte sich in den vergangenen vier Jahrzehnten immer wieder gegen wirtschaftliche Sanktionen gewehrt und die ökonomischen Folgen der Sanktionen für die wirtschaftliche Misere im Land verantwortlich gemacht. Vom religiösen Führer Chamenei wurde eine sogenannten „Wirtschaft des Widerstandes“ verkündet. Korruptionsvorwürfe und Misswirtschaft wurden den gegnerischen Sanktionsregimen angelastet. Die sanktionskritische Argumentation verfing lange Zeit sogar bei Gegnern des Regimes, die beispielsweise die mangelhafte medizinische Versorgung in Iran auf die Sanktionen zurückführten.

Die Verhängung gezielter und international koordinierter Magnitsky-Menschenrechtssanktionen gegen das Regime in Teheran könnte nun zum Testfall für die Wirksamkeit von koordinierten Magnitsky-Style-Sanktionen werden.

Für die Menschen in Iran, die seit Monaten für „Frau – Leben – Freiheit“ auf die Straße gehen, wäre dies ein wichtiges menschenrechtspolitisches Signal, das perspektivisch der zuletzt weniger öffentlichkeitswirksam agierenden Protestbewegung in Iran und im Exil neuen Auftrieb geben könnte. Allein seit der letzten Protestbewegung wurden rund 20.000 Menschen inhaftiert, über 1000 Schulmädchen und Studentinnen wurden vergiftet, zahlreiche Hinrichtungen wurden vollstreckt. Nun droht dem Deutsch-Iraner Jamshid Sharmahd ebenfalls der Henker. Die bisherigen diplomatischen Mittel – bis hin zur Ausweisung von zwei iranischen Diplomaten aus Deutschland - reichen keineswegs: Über gezielte Sanktionen muss der Druck auf den Repressionsapparat des iranischen Unrechtsregimes massiv erhöht werden.

Die USA, Kanada, die Europäische Union, Großbritannien und Australien haben bereits das notwendige Menschenrechtsinstrumentarium; nun bedarf es dringend der politischen Abstimmung und Durchsetzung koordinierter Magnitsky-Style-Sanktionen.

 

 

Oliver Ernst, geboren 1967 in Duisburg, promovierter Politikwissenschaftler, Referent Demokratie und Menschenrechte, Hauptabteilung Analyse und Beratung, Konrad-Adenauer-Stiftung und Host unseres Podcasts "Menschenrechte: nachgefragt", der alle zwei Wochen erscheint.

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