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Ein kritischer Rückblick auf den Evangelischen Kirchentag

Franca Bauernfeind kritisiert in ihrem Kommentar den Evangelischen Kirchentag als zu politisch und einseitig. Sie fragt: Ist die Kirche noch ein Ort für alle Gläubigen?

Der Evangelische Kirchentag in Hannover ist beendet, wirft aber weiterhin viele Fragen auf. In seinem Vorfeld hatten vorsichtig-kritische Äußerungen der frisch ins Amt gewählten Bundestagspräsidentin Julia Klöckner aufgeregte Reaktionen ausgelöst. Dabei hatte sie – übrigens ähnlich wie Jahre zuvor der jüngst verstorbene Papst Franziskus – lediglich darauf hingewiesen, dass die Kirche nicht „wie eine NGO“ agieren könne. Keinesfalls hatte sie die politische Dimension der Kirche infrage gestellt, sondern allein die notwendige Grenze zum politischen Aktivismus gezogen.

Wer den Kirchentag in Hannover verfolgt hat, wird sich des Eindrucks leider nicht erwehren können, dass diese Grenze zum Aktivismus längst überschritten ist. Ich jedenfalls bin sauer auf meine Kirche, und – wie für viele andere – stellt sich mir die Frage: Ist diese Kirche noch für alle da? Passe ich mit meinen politischen und gesellschaftlichen Grundüberzeugungen überhaupt noch dort hinein?

„Eine Zielgruppenbegrenzung nach Hautfarbe im Kindesalter. Ist das nicht Rassismus?“

Franca Bauernfeind

Schon im Programm entfalteten woke und linke Themen eine Dominanz: „Einführung in die queere Exegese“, „Erlebnisausstellung zu Vielfalt, Gefühlen und Sexualität“ etc. Im „Zentrum Kinder und Familie“ konnten sich Kinder, Jugendliche und Eltern mit dem Thema „Trans als Kind“ auseinandersetzen. Ein weiterer Programmpunkt richtete sich an „nicht von Rassismus betroffene“ Erwachsene, die sich über ihr „Kritisches Weißsein“ bewusst werden sollten. Besonders der Workshop „Werde mutig und stark“ verschlug mir den Atem. An ihm konnten „ausschließlich … Black, Indigenous und Kinder of Color“ teilnehmen. Eine Zielgruppenbegrenzung nach Hautfarbe im Kindesalter also. Ist das nicht Rassismus?

Dass die Bekämpfung des Rechtsextremismus eine Rolle spielte, lässt sich nicht kritisieren, doch hatte das Thema allein schon im Wording eine linke Schlagseite. So hielt man es nicht für nötig, eine Grenze zwischen konservativen und rechtsextremen Positionen zu ziehen, und sprach allgemein von einem „Kirchlichen Engagement gegen Rechts“. Andere Extremismen wie Linksextremismus oder Islamismus kamen nicht zur Sprache oder wurden lieber umgedeutet wie sich an einer „Interaktiven Ausstellung zu antimuslimischem Rassismus“ zeigte.

Ich betone noch einmal: Ich bin gläubige Protestantin, und der Kirchgang mit meiner Schwester und meiner Mutter gehört zu meinen prägenden Kindheitserfahrungen. Nach meiner Konfirmation habe ich als „Konfi-Patin“ junge Konfirmanden betreut, bin auf Freizeiten mitgefahren und habe in der Jugendarbeit geholfen. Kirche bedeutet für mich auch Heimat – jedenfalls noch.

Auch das gesellschaftspolitische Engagement von Luisa Neubauer begann nach ihren Angaben als Jugendliche in der Kirche. In einem Video des offiziellen Kirchentag-Accounts auf Instagram wird sie gefragt, ob sich Kirche zu politischen Themen äußern sollte. „Unbedingt!“, antwortet sie mit ernster Miene, „also, wenn Kirche da sein möchte, wo die Menschen sind und viele Menschen gerade große politische Fragen haben, die ja sehr oft ethisch-moralischer Natur sind, dann ist doch der große Auftrag der Kirche, da auch zu sein.“

Mir scheint, dass inzwischen viel zu viele Fragen der politischen Auseinandersetzung „ethisch-moralisch“ bewertet werden und dass sich ein moralischer Rigorismus und gänzlich moralentleerter Populismus gegenseitig hochschaukeln. Dazwischen bleibt am Ende wenig Raum für eine unvoreingenommene Diskussion und für Kompromisse. Rhetorisch war der Kirchentag dem Zusammenhalt verpflichtet; in Wirklichkeit war er getragen von der Zurschaustellung einer überlegenen Einsicht, die denen die Legitimität entzieht, die andere politische Überzeugungen und gesellschaftliche Vorstellungen haben: Je lauter die Rufe nach Zusammenhalt, desto stärker wurde der Unwille spürbar, sich mit denen auseinander zu setzen, die anderer Meinung sind. Erstaunlich und für mich niederschmetternd ist das Resultat: Dieser Kirchentag mied die offene Begegnung. Hinter der Behauptung von Gemeinsamkeit verbarg sich viel Ausgrenzung. Es lohnt sich, wie es Julia Klöckner angeregt hat, darüber nachzudenken, dass Kirche kein Forum für einen – noch dazu einseitigen – politischen Aktivismus sein darf.

Daniel Beck

Franca Bauernfeind (geb. 1998) studierte Staatswissenschaften im Master an der Universität Erfurt. Sie war Bundesvorsitzende des Rings Christlich-Demokratischer Studenten (RCDS) und Mitglied im Bundesvorstand der CDU. Zur Bundestagswahl 2021 trat sie als Spitzenkandidatin der Jungen Union in Thüringen an. Seit dem Sommersemester 2025 hat sie einen Lehrauftrag an der Universität Erfurt, beginnt eine Laufbahn als Reserveoffiziersanwärterin und arbeitet hauptberuflich für einen Verband. Im März 2024 erschien ihr Buch „Black Box Uni: Biotop linker Ideologien“.

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