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Rechtfertigung ist die falsche Strategie

Landwirtschaft benötigt mehr kommunikative Kompetenz

Die Branchenkommunikation steht heute vor größeren, professionell anzupackenden Aufgaben und auch die Medienlandschaft hat sich dramatisch verändert. Was bedeutet es für die Landwirtschaft und kann man schon in der Ausbildung wichtige Punkte beachten?

„Es ist der Branche nicht gelungen, die Gesellschaft bei der technologischen Entwicklung der Produktionssysteme ‚mitzunehmen‘, der Kontrast zwischen Realität der Tierhaltung und gesellschaftlichen Erwartungen ist sehr groß geworden. Diese Entwicklungen haben einen massiven Vertrauensverlust hervorgerufen.“ Dieses Urteil des wissenschaftlichen Beirats beim Bundeslandwirtschaftsministerium aus dem Jahr 2015 legt den Finger in die Wunde. Da ist etwas schiefgelaufen in der Öffentlichkeitsarbeit über Jahre und Jahrzehnte.


Wenn „die Gesellschaft“ und „der Verbraucher“ bei Landwirtschaft zuerst an die bald 100 Jahre alte „Old MacDonalds-Farm“ denken, wird es schwierig. Es ist ja nicht die Landidylle, die Landwirtschaft möglich macht. Ausgefeilte Produktions-, Wertschöpfungs- und Logistiksysteme sind erforderlich, um wettbewerbsfähig liefern zu können; auch an Fastfood-Ketten wie eben die mit dem fast zum Verwechseln ähnlichen Namen. Die besungene und wohl auch erwartete Landromantik ist eine schlechte Basis für einen fairen Austausch mit der Öffentlichkeit. Wenn sich daran etwas ändern soll, brauchen künftige Fach- und Führungskräfte ein Verständnis für die Arbeitsweise und die Mechanismen, die in der Kommunikation mit der Öffentlichkeit den Takt angeben. Damit sind auch die Hochschulen und Universitäten gefordert, im klassisch ingenieur-, sozial- und wirtschaftswissenschaftlich angelegten Agrarstudium Angebote zur Vermittlung dieser Kompetenzen zu platzieren.


Die bewährte Weisheit gilt: Man kann nicht nicht kommunizieren. Wo Kontakt ist, geht es schon los mit der Kommunikation, ganz von alleine. Landwirtschaft hat die Eigenschaft, „in der Öffentlichkeit“ stattzufinden. Alle, die mit offenen Augen, Ohren und manchmal auch Nasen durch die Landschaft fahren, können wahrnehmen, wo Landwirtschaft wirkt, was sie tut und wozu das führt. Ohne Grundverständnis der Landwirtschaft ist es für Laien schwierig einzuordnen, warum die Pflanzenschutzspritze manchmal erst im Schutz der hereinbrechenden Dunkelheit rausfährt, warum die Gülle ausgerechnet auf den Acker (wohin sonst?) ausgebracht (gefühlt verklappt) wird und warum Schweinemastställe mit (gefühlt) Nato-Draht gesichert werden müssen. Wo das Verständnis fehlt, wächst das Risiko von Fehlinterpretationen. Auch das steckt wohl hinter der Kritik des wissenschaftlichen Beirats.


Ohne qualifizierte Ausbildung zu Grundlagen und Anwendung von Kommunikation droht das Risiko eines Versuchs, die Dinge aus Ingenieur-Perspektive richtig zu stellen. Diese rein sachorientierte Kommunikationslogik löst das Problem aber nicht. Klar, man kann einen Landwirt, einen Ingenieur oder einen Wissenschaftler die Fakten vortragen lassen. Dass Pflanzenschutz aus Gründen des Natur- und Insektenschutzes in die Abend- oder Morgenstunden verlegt wird, dass Gülle wichtiger Nährstoffträger in einer Kreislaufwirtschaft ist und dass Tierhaltung im Interesse der Tiergesundheit unter hohen und höchsten Hygienestandards stattfindet: alles das könnte man vortragen, aber löst das die Probleme der Branche? Schafft das Vertrauen in die Landwirtschaft von heute?


Branchenkommunikation sieht sich heute größeren, professionell anzupackenden Aufgaben gegenüber. Ernährungssicherung ist heute noch immer eine, keinesfalls aber die einzige oder auch nur eindeutig dominierende Aufgabe der Landwirtschaft. Eine Wohlstandsgesellschaft hat andere Erwartungen an eine nachhaltige Landbewirtschaftung. Das ist nicht verwerflich, es ist im Gegenteil eine Chance für die Kommunikation. Profis wissen das. Die Medienlandschaft hat sich dramatisch verändert. Kurz gesagt: „Vertikale“ Strukturen, d.h. vermittels ausgewählter Medien mehr oder weniger einseitige Verkündung von Wahrheiten funktioniert in Zeiten sozialer Medien nicht mehr. Seit mehr als einem Jahrzehnt erobern „horizontale“ Kommunikationsstrukturen den Meinungsmarkt. Facebook, Twitter, Instagram und Co. erlauben es jedermann nahezu barrierefrei seine – üblicherweise sehr subjektive – Meinung gegenüber seinen Followern oder den Followern der Follower zu verbreiten. Je steiler die These, umso größer das Erregungspotenzial, desto deftiger der Shitstorm. Hier wartet niemand auf eine sachliche Richtigstellung. Im Gegenteil: Fachwissen kann den empfindlich stören, der soeben im Begriff ist, sich über die nächste „Sauerei“ aufzuregen. Die Kunst der Deeskalation gehört zu den Gebieten, in denen Grundkenntnisse der Kommunikation segensreich wirken können. Wenn die agrarwissenschaftliche Ausbildung zumindest dazu führt, dass man solche Situationen und die in ihr liegenden Konflikt-Risiken zuverlässig erkennt, wäre einiges gewonnen.
Zur professionellen Kommunikationsarbeit gehört es, Kommunikationsziele zu formulieren und systematisch zu verfolgen. Egal wer in Gummistiefeln oder im weißen Kittel, mit erhobenem Zeigefinger erklärt, was die Landwirtschaft im Einzelnen tut, warum das so und nicht anders zu erfolgen hat, und wie schwer die Arbeit durch die Bürokratie gemacht wird, der gerät in Gefahr, sich zu rechtfertigen. Das ist eine gefährliche Strategie, denn die Rechtfertigung ist leicht zu verwechseln mit dem Gemütszustand des besserwissenden Oberlehrers, der beleidigten Leberwurst oder – die schwierigste Rolle – des Bemitleidenswerten. Professionelle Kommunikationsarbeit sollte vielmehr selbstbewusst daraufhin angelegt sein, Anerkennung und Wertschätzung für die Arbeit zu fördern. Daraus erwächst das „Kapital“, dessen Wert in einer kommunikationsgeprägten Gesellschaft wie der aktuellen gar nicht überschätzt werden kann: Dieses Kapital heißt Vertrauen, und Vertrauen folgt aus vertrauenswürdiger guter fachlicher Praxis und einer ebenso guten fachlichen Kommunikation.


Die gute fachliche Kommunikation kann als „Beimengung“ zum anspruchsvollem Studium der Agrarwirtschaft und Agrarwissenschaften wichtige Beiträge leisten, um Brücken zu schlagen. Die Leitgedanken akademischer Ausbildung und wissenschaftliche Arbeit sind per se nicht so leicht in Kommunikationsformate zu überführen, die mit der medialen Logik zusammenpassen. Wie wäre der Widerspruch aufzulösen, dass die Wissenschaften nach der Gesetzmäßigkeit und Regelhaftigkeit suchen, während die Medienwelt als Aufmerksamkeitsbringer eher das Außergewöhnliche und Einzigartige sucht? Wie wirken die sachlich nüchterne Arbeits- und Veröffentlichungsweise der Wissenschaften zusammen mit der Medienlogik, die sich häufig viel mehr für die Person hinter den Erkenntnissen interessiert? Was in der wissenschaftlichen Arbeitsweise als Ringen um die Wahrheit notwendigerweise auf eine kritische Auseinandersetzung mit Thesen und Gegenthesen hinauslaufen muss, steigert im bunteren Teil der Medienwelt gelegentlich erst dann die Auflage, wenn sie als persönliche Fehde der Betroffenen untereinander inszeniert wird; zur Not hilft die Formulierungsgabe erfahrener Journalisten nach.


Genug zu tun also für die Agrarwissenschaften. Eine Aufgabe, die Perspektiven für die Landwirtschaft erhält und erweitern kann. Mehr denn je sind die Absolventen fit zu machen, um dem – gleichfalls altbewährtem – Grundsatz gerecht werden zu können: Tue Gutes und rede darüber!

Andreas-Hermes-Akademie

Prof. Dr. Rainer Langosch, Hochschule Neubrandenburg, Neubrandenburg

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