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„Soll nicht aufhören Saat und Ernte“

Gedanken zum Erntedank 2020

Am ersten Sonntag im Oktober feiert man in Deutschland traditionell das Erntedankfest. Es ist mehr als das Ereignis des reinen Ernteeinholens, es ist ein umfassender Dank für das Leben.

Das Erntedankfest meint mehr als das Ereignis des Ernteeinholens. Es ist ein umfassender Dank für das Leben. In diesem Jahr, in dem die Pandemie weltweit Millionen Todesopfer gefordert hat, steht unvermindert Sorge im Vordergrund, auch Trauer und Gedenken. Doch vor diesem Hintergrund leuchten die positiven Erfahrungen umso mehr. Politisch dürfen wir danken für 75 Jahre Frieden, für 30 Jahre Einheit in Deutschland, für eine stabile Demokratie. Vor allem aber auf die vielen verantwortungsbewussten und hilfsbereiten Mitmenschen sollten wir in diesem Jahr schauen, die in der Pandemie füreinander eintreten und Politik mit Vernunft begleiten. All dies ist nicht selbstverständlich, sondern bedarf der Pflege, des Hinschauens, des sensiblen Umgangs, aber vor allem des Dankes – danke, dass Sie da sind!

Erntedank ist gewöhnlich ein buntes Fest, das Gottes Gaben meint und dabei die Landwirtinnen und Landwirte ins Blickfeld rückt. Dass es uns in Deutschland nicht an Essen und Trinken und allem, was über dieses rein Lebenserhaltende hinausgeht, mangelt, an Genuss und Schönheit der Früchte und Speisen, scheint uns kein großes Wunder zu sein. Vielleicht ist es wirklich kein Wunder, aber jedenfalls ein großes Verdienst: Ohne Landwirtschaft wären die Regale im Supermarkt leer und unsere Teller auch. Der Lockdown in diesem Frühjahr, der den Globus umspannende Stillstand, hat verdeutlicht, dass Landwirtschaft Arbeiterinnen und Arbeiter braucht und Lieferketten der Produkte funktionieren müssen, damit gesät, gepflanzt und geerntet wird und wir in Stadt und Land unser täglich Brot haben.

Das große Innehalten dieses Jahres muss als Chance genutzt werden, dass wir das Leben als Geschenk betrachten und eine lebendige Landwirtschaft erhalten, sie nicht zu einer Industrie umfunktionieren. Dass wir die Grenzen des Planeten und seiner Ressourcen erkennen und daraus wirklich Konsequenzen ziehen. Das Leben, das wir nicht erschaffen können, sondern verdanken, ist kein Gegenstand, keine Sache. Der Mensch greift ein, das ist laut biblischer Erzählung auch gewollt, aber Zerstörung, Ausbeutung, gewaltsame Ungleichgewichte sind nicht gemeint, nicht zuletzt um seiner selbst willen.

Der dritte Dürresommer in Folge hat unsere Versorgung noch nicht gefährdet. Es wurde geerntet, und wir dürfen dafür danken. Aber die Erträge sind kleiner als in anderen Jahren, mancherorts sind Kirschen am Baum vertrocknet. Einige Löschwasserbrunnen, die die Feuerwehren in Brandenburgs Wäldern vor wenigen Jahren gebohrt haben, sind ohne Wasser. Es wird Zeit für uns als Gesellschaft, miteinander neue Wege zu gehen, die Erde pfleglicher zu behandeln, altes Wissen und neue Technologien intelligent zu verbinden.

„Solange die Erde steht soll nicht aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht.“ (1. Mos. 8, 22). Im ersten Buch der Bibel, das Juden und Christen gemeinsam lesen, sagt Gott den Erhalt seiner Schöpfung zu, die zu bewahren er uns anvertraut hat. Dieses in uns gesetzten Vertrauens müssen wir uns würdig erweisen. Die Chance dazu bekommen wir jedes Jahr neu geschenkt, ein weiter Grund zum Danken am Erntedankfest.

 

von Sigrun Neuwerth, Präses der Landessynode Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz

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