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picture alliance / dpa | Jens Büttner

Vom Kampfbegriff zum Möglichmacher

Warum die CDU eine Frauenquote braucht

Die Struktur- und Satzungskommission der CDU hat weitgehende Vorschläge zur Änderung der Parteisatzung angenommen, um den Frauenanteil in der Partei zu erhöhen. Die wichtigsten Ergebnisse und ihre Bedeutung für die Partei stellt Yvonne Magwas MdB, hier zur Diskussion.

Bereits seit dem Essener Parteitag 1985 diskutiert die CDU das Instrument einer verbindlichen Zielvorgabe für Frauen in Ämtern und Mandaten. 1996 wurde das Frauenquorum eingeführt, 2001 wurde es entfristet. Das Quorum hat dazu beigetragen, dass in der CDU inzwischen mehr Frauen Ämter und Mandate innehaben. Dennoch zählen unsere Fraktionen in Kommunen, Ländern, Bund und Europäischem Parlament zu denjenigen mit den geringsten Frauenanteilen. Das steht der CDU als Volkspartei der Mitte und Zukunftspartei nicht gut zu Gesicht.

Der sinkende Frauenanteil in Parlamenten auf Bundes-, Länder- und kommunaler Ebene kann nicht länger hingenommen werden. Aktuell liegt der Frauenanteil in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion mit 51 weiblichen Abgeordneten bei knapp 21 Prozent; bei den CDU-Parteimitgliedern beträgt der Frauenanteil 26 Prozent. In der 18. Wahlperiode des Deutschen Bundestages waren in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion noch 78 Abgeordnete weiblich, und im Bundestag waren von insgesamt 630 Abgeordneten 230 weiblich. Das entsprach einem Frauenanteil von rund 36 Prozent.

Aktuell liegt der Frauenanteil im Bundestag bei lediglich 31,3 Prozent. Von insgesamt 709 Bundestagsabgeordneten sind in der 19. Wahlperiode des Deutschen Bundestages nur 222 Frauen. Das ist der niedrigste Stand seit 1998. Das ist äußerst unbefriedigend und auf längerfristige Perspektive alarmierend!

Auf kommunaler Ebene sieht es leider nicht besser aus: Nicht einmal jede zehnte der rund 11.000 Gemeinden und Städte in Deutschland wird von einer Frau geführt. Aktuelle Zahlen vom Oktober 2020 zeigen auf, dass die Zahl der Bürgermeisterinnen in den Jahren 2015 bis 2020 von elf Prozent auf neun Prozent gesunken ist.

Frauen machen mehr als die Hälfte unserer Bevölkerung aus. Seit Menschengedenken ist dies eine Konstante. Unsere Parlamente spiegeln diese gesellschaftliche Wirklichkeit jedoch nicht annähernd wider. Denn für die Repräsentation öffentlicher Positionen ist die Bezugsgröße die Gesellschaft und nicht der Anteil von Frauen in einer Partei. 

Seit 1949 haben viele Parlamentarierinnen wesentlich zum Erfolg der Geschichte der Bundesrepublik und des vereinten Deutschlands seit 1990 beigetragen. Auch wegen ihres Einsatzes leben wir heute im besten Deutschland, das es je gegeben hat. Gerade deshalb stimmt 100 Jahre nach Einführung des aktiven und passiven Frauenwahlrechts der Blick ins Plenum des Deutschen Bundestages traurig und nachdenklich. Der niedrige Anteil an weiblichen Repräsentanten des Volkes wird so immer mehr zu einer Demokratiefrage.

Dass sich Beteiligung und Mitwirkung auswirken, inhaltlich wie strukturell, ist eine Tatsache. Mehr Frauen als Parteimitglieder und in den Parlamenten erhöhen die Wahrscheinlichkeit, dass Themen, die Frauen besonders oder anders als Männer ansprechen, auf die politische Tagesordnung und damit zur Entscheidung kommen. Schon die Einführung des Frauenwahlrechts im Jahre 1919 hat dies so bezweckt. Zahlreiche Rechtsänderungen kamen nur auf Initiative der Parlamentarierinnen zur Abstimmung, und gerade auch die spätere Grundgesetzänderung zu Artikel 3 Absatz 2 Grundgesetz ist Ausdruck des politischen Willens, noch bestehende tatsächliche Hemmnisse zur Verwirklichung der vollständigen Gleichberechtigung abzubauen.

Weitere wichtige Effekte eines insgesamt höheren Frauenanteils in Parteien und Parlamenten sind die mit dem Aufbrechen traditioneller Rollenbilder verbundenen Veränderungen im partizipativen Verhalten von Frauen. Mehr Frauen in Parteien und Parlamenten bieten neben mehr Sichtbarkeit für andere weibliche Rollen und Vorbilder auch neue Chancen der Akzeptanz für und Identifikation mit dem repräsentativ-demokratischen System. Deshalb muss es unser Ziel sein, dass sich Frauen und Männer gleichberechtigt und auf Augenhöhe für die gemeinsame Sache engagieren. Das ist ein Gebot der politischen Klugheit, der Weitsicht und der Gerechtigkeit.

 

Mehr Anreize und eine verbindliche Quote

 

Die CDU Deutschlands hat sich Anfang des Jahres in einer Struktur- und Satzungskommission auf den Weg gemacht, einen Vorschlag für mehr Frauen in der Partei zu erarbeiten. Die Kommission war paritätisch besetzt, bestehend aus 56 Mitgliedern aus den Landesverbänden und den Vereinigungen. Ihr Aufbau war vielfältig und zutiefst demokratisch. In vielen Sitzungen haben wir gerungen und einen guten Kompromiss aus Anreizen und verbindlicher Quote erarbeitet. Das Ziel ist die gleiche Beteiligung von Frauen und Männern in der CDU. Die wesentlichen Punkte sind:

Erstens: Die CDU wird auf allen politischen Ebenen aktiv auf Frauen zugehen, um sie für eine Mitgliedschaft zu gewinnen. Außerdem soll die Parteiarbeit für Frauen attraktiver gestaltet werden, zum Beispiel durch regelmäßige thematische Veranstaltungen, feste Anfangs- und Endzeiten für Sitzungen sowie mehr digitale Angebote, die die Vereinbarkeit von Familie, Beruf und Parteiarbeit erleichtern.

Zweitens: Alle CDU-Landesverbände sollen Mentoring- und Patenprogramme für Frauen, junge Menschen und Menschen mit Migrationshintergrund auflegen. Diese Programme sind Aufgabe der gesamten Partei.

Drittens: Durch Einführung einer politischen Elternzeit soll es für Eltern vom Orts- bis zum Bundesvorstand die Möglichkeit geben, ein politisches Amt für bis zu einem Jahr ruhen zu lassen und anschließend wieder voll wahrzunehmen. Eine Abwahl soll nur mit Zweidrittel-Mehrheit möglich sein.

Viertens: Das Quorum wird weiterentwickelt, indem für Gruppenwahlen ab Kreisvorstandsebene künftig folgende Quoten gelten sollen: ab 1. Januar 2021 eine Quote von einem Drittel, ab 1. Januar 2023 eine Quote von 40 Prozent, ab 1. Januar 2025 eine Quote von 50 Prozent. Sollten nicht genügend Frauen kandidieren, bestimmt die Anzahl der kandidierenden Frauen die Frauenquote. Wird die jeweilige Quote nicht eingehalten, bleibt die Position unbesetzt.

Fünftens: Jede/r Vorsitzende hat künftig eine Berichtspflicht über die Entwicklung des Frauenanteils und die Maßnahmen zur Frauenförderung im jeweiligen Verband.

Sechstens: Weiterhin soll für Delegiertenwahlen eine dynamische Quote eingeführt werden und für Listenaufstellungen eine über mehrere Jahre hinweg ansteigende Quote für Kandidatinnen vorgeschlagen werden.

 

Diese Vorschläge wurden im Bundesvorstand diskutiert und beschlossen. Jetzt werben wir auf dem Parteitag für Zustimmung.

Wir erwarten von einem neuen Parteivorsitzenden der CDU Deutschlands, dass er diese Ergebnisse der Struktur- und Satzungskommission kraftvoll verteidigt und dafür einsteht, denn sie sind in einem guten, von konstruktiven Debatten gekennzeichneten Prozess mit vielen Mitgliedern der Partei entstanden. Die Ergebnisse und die Ergebnisfindung gilt es von einer neuen Führungsspitze zu würdigen und anzuerkennen.

 

Kompetenz statt Quote? Kompetenz und Quote!

 

Bei der Diskussion um die Quote sollten wir in der CDU ein Stück weit ehrlich miteinander umgehen. In unserer Partei existieren bereits viele verdeckte Quoten. Die Frage nach der Kompetenz wird dabei im Übrigen nicht gestellt. So wurde etwa zur Gründungszeit unserer Partei darauf geachtet, dass Katholiken und Protestanten gleichermaßen sowohl in der Partei als auch in Ämtern und Mandaten vertreten waren. Aktuell ist es gang und gäbe, dass beispielsweise in Baden-Württemberg die Plätze auf der CDU-Landesliste faktisch zu gleichen Teilen auf die vier CDU-Bezirksverbände aufgeteilt werden. In der CDU/CSU-Bundestagsfraktion spielt ebenfalls der Regionalproporz bei der Besetzung der Führungspositionen eine entscheidende Rolle.

Quoten sind in der Union stets ein ausgleichendes Mittel. Eine Quote ermöglicht zunächst Teilhabe. Frauen müssen diese Chance nutzen und sich genauso wie Männer im Amt gleichermaßen einbringen und behaupten. Denn am Ende zählt das politische Ergebnis. Abschließend noch ein Aspekt grundsätzlicher Bedeutung: Die Mitgliedschaft in einer Partei basiert nicht auf Leistung oder speziellen Kompetenzen, sondern auf gemeinsamen Überzeugungen und Vertrauen.

Wir sind Union, wir sind Volkspartei der Mitte, wir sind Zukunftspartei. Deshalb steht uns Vielfalt gut zu Gesicht.

Tobias Koch
Yvonne Magwas, geboren 1979 in Rodewisch (Vogtland), Dipl.-Soziologin, Stellvertretende Bundesvorsitzende der Frauen Union der CDU, Vorsitzende der Gruppe der Frauen der CDU/CSU-Bundestagsfraktion.

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