Asset-Herausgeber

Interview mit Landwirt Carsten Stegelmann

Die deutschlandweiten Bauernproteste sind kaum abgeflaut, noch vor wenigen Tagen blockierten die Traktoren das Land, und jetzt – wie jedes Jahr – ist Grüne Woche in Berlin. Landwirte wollen, dass man mit ihnen spricht statt über sie. Das haben wir getan.

Carsten Stegelmann ist Landwirt. Er bewirtschaftet einen Betrieb in der Nähe von Greifswald, in Mecklenburg-Vorpommern. Für Stegelmann ist die Rückvergütung der Dieselsteuer an Landwirte ökologisch sinnvoll. Und von der Debatte über „bio“ und „konventionell“ hält er nicht viel.

 

Die Bauern protestieren in Berlin und in ganz Deutschland: Sind Sie mit dabei?

Carsten Stegelmann: Ja klar sind wir dabei, und es demonstrieren nicht nur die Landwirte. Wir sind eine breite Allianz, wir vertreten den ländlichen Raum. Wir protestieren, und wir möchten gehört werden. Wir sind bereit für einen zielorientierten fachlichen Dialog.

Sie haben bereits einen Kompromiss erreicht: Danach wären landwirtschaftliche Nutzfahrzeuge auch künftig von der Kfz-Steuer befreit, nur die Dieselsteuerrückvergütung würde auslaufen. Und es wurde eine Tierwohlabgabe angeboten.
Stegelmann: Die Tierwohlabgabe hat ja nichts mit der aktuellen Diskussion zur Dieselsteuer zu tun. Ob eine am Ende von den Verbrauchern zu zahlende Tierwohlabgabe sinnvoll wäre, sei dahingestellt. Aber die Dieselsteuerrückvergütung ist wichtig und richtig. Schon aus ökologischen Gründen.

Warum aus ökologischen Gründen? 
Stegelmann: Politisches Ziel ist es, den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln zu reduzieren. Unkraut auf landwirtschaftlichen Flächen soll künftig statt mit Pflanzenschutzmitteln mechanisch entfernt werden. Das machen wir mit von Traktoren gezogenen Hacken. Und es braucht dafür mehr Überfahrten pro Fläche als beim Einsatz von Pflanzenschutzmitteln. Also steigt der Dieselverbrauch. Auch die bisherige Begründung sagt ja nichts anderes: Die anteilige Dieselsteuer wird zurückerstattet, weil landwirtschaftliche Nutzfahrzeuge überwiegend auf Ackerflächen und auf Grünland, also auf Wiesen und Weiden, unterwegs sind.

Die Sympathien der Bevölkerung scheinen Ihnen ja laut Umfragen gewiss zu sein.
Stegelmann: Wir Landwirte sind Teil der Gesellschaft. Wir sind froh, dass so viele unsere Anliegen unterstützen. Wir haben ja auch deutlich gemacht, worum es uns geht. Die Dieselsteuerbefreiung ist eine klare Forderung.

Wäre es nicht an der Zeit, auch in der Landwirtschaft verstärkt auf alternative Treibstoffe und andere Antriebsformen wie E-Mobilität zu setzen?
Stegelmann: Mehr auf Biokraftstoffe zu setzen, ist eine gute Sache. Aber noch sind wir nicht so weit. Da wird noch kräftig geforscht. Wenn Biokraftstoffe eines Tages flächendeckend verwendet werden, können wir auch nochmal über die Dieselsteuer reden. Für Biodiesel wurde die Steuerbefreiung übrigens schon vor Jahren abgeschafft. Da passt also einiges nicht zusammen.

Was die E-Mobilität angeht: Auf die setzen wir mit kleineren Maschinen und in Hofnähe schon. Aber für Traktoren und Erntemaschinen ist das noch utopisch. Ladekapazität und Leistungskraft sind zu gering. Und die notwenigen Batterien wären zu schwer, sie würden den Boden verdichten. Wir machen damit die Böden kaputt.

Sie haben von einer „breiten Allianz des ländlichen Raums“ gesprochen: Worum geht es Ihnen?
Stegelmann: Ein wichtiges Ziel haben wir ja bereits erreicht: Es wird nicht mehr über uns, sondern mit uns geredet. Und wenn ich von „wir“ rede, meine ich alle, die den ländlichen Raum nach vorne bringen. Nicht nur die Landwirte, sondern auch die Pflegekräfte, die Handwerker, den ganzen Mittelstand im ländlichen Raum.

Leistungsfähige- und willige Menschen gibt es doch auch in der Stadt.
Stegelmann: Das stelle ich nicht in Frage. Wir wollten mit den Demonstrationen aber auch zeigen, dass auf den Dörfern und in der Landwirtschaft unglaublich viel geschieht. Nehmen Sie nur mal den überstrapazierten Begriff „Nachhaltigkeit“. Wenn man einige Diskussionen so verfolgt, hat man den Eindruck, die Landwirtschaft sei nur damit beschäftigt, zu Lasten der Umwelt möglichst viel zu produzieren. Aber so ist es nicht! Natürlich müssen wir produzieren. Die vielen Krisen der vergangenen Jahre haben gezeigt, wie fragil Versorgungsketten sind. Aber wir arbeiten fortlaufend an unserer Nachhaltigkeit, das ist ein sehr dynamischer Prozess. Wir produzieren heute anders als vor 30 Jahren und werden in 30 Jahren anders produzieren als heute. Das geht nur mit bester Ausbildung und wenn wir den technischen Fortschritt zulassen.

Ist „bio“ die Zukunft der Landwirtschaft in Deutschland und Europa?
Stegelmann: Den vermeintlichen Gegensatz zwischen biologischer und konventioneller Wirtschaftsweise gibt es so nicht. Alle Betriebe, ob sie nun konventionell oder bio produzieren, müssen am Ende mit dem, was sie tun, wirtschaftlich erfolgreich sein. Und wir lernen ja auch alle voneinander. Das Ergebnis ist eine „hybride Landwirtschaft“, die Verfahren aus beiden Wirtschaftsformen nutzt. Und dafür braucht es wiederum Forschung. Ohne die geht’s nicht. Auf die sind wir Landwirte angewiesen. In der Landwirtschaft gibt es „52 Grüne Wochen im Jahr“, weil wir unseren Job mit Know-how und Leidenschaft machen.

 

Das Gespräch führte Dietrich Holler, vox viridis, Berlin.

privat | Stegelmann

Aktuelle Themen

comment-portlet

Asset-Herausgeber