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Der Beginn einer 25-jährigen Ära – Helmut Kohl wird Parteivorsitzender der CDU

von Philip Rosin
Helmut Kohls Wahl zum Bundesvorsitzenden der CDU als Nachfolger von Rainer Barzel war sein zweiter Anlauf für den Parteivorsitz. Sie erfolgte in einer für die CDU sehr schwierigen Phase, die geprägt war, von innerparteilichen Debatten und Querelen. Nach seinem Amtsantritt betrieb Kohl eine organisatorische und programmatische Reform der CDU.

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Nach dem knappen Scheitern des konstruktiven Misstrauensvotums gegen Willy Brandt am 27. April 1972 und der Niederlage bei der vorgezogenen Bundestagswahl vom November 1972 war der einstige Hoffnungsträger der CDU und Kanzler in spe Rainer Barzel angeschlagen. Bei seiner Wiederwahl zum Fraktionsvorsitz nach der verlorenen Bundestagswahl erhielt er nur 165 von 234 Ja-Stimmen. Auf dem Weg an die Spitze von Fraktion und Partei hatte Barzel sich nicht nur Freunde gemacht, er wurde jedoch für sein politisches Wissen und seine Kompetenzen respektiert. Vor allem bei den Debatten um die Ost- und Deutschlandpolitik der sozialliberalen Koalition fiel es Barzel jedoch zunehmend schwer, Fraktion und Partei auf einer einheitlichen Linie zu halten. Die mehrheitliche Enthaltung der Unionsfraktion zu den Ostverträgen am 17. Mai 1972 führte nach innen zu Konflikten und signalisierte nach außen Schwäche und Unentschlossenheit.

Den Parteivorsitz wollte der machtbewusste Barzel weiterhin behalten, und mit der Einsetzung einer von dem aufstrebenden Bundestagsabgeordneten und Mitglied des Rates der EKD Richard von Weizsäcker geleiteten Grundsatzkommission hatte er ein sichtbares Zeichen zur Parteiarbeit und für Reformen gesetzt. Bei den Wahlen zum Bundesvorsitz im Jahr 1971 hatte sich Barzel mit 344 zu 174 Stimmen noch klar gegen den jungen Ministerpräsidenten von Rheinland-Pfalz, Helmut Kohl, durchsetzen können.

 

Kandidatur Kohls für den Parteivorsitz

 Im Zeitraum von 1969 bis zur Bundestagswahl 1972 bildete die Bundestagsfraktion das eigentliche Macht- und Diskussionszentrum der CDU. Nach der Walniederlage vom 19. November änderte sich dies aber. Bei der Klausur des CDU-Bundesvorstands am 27./28. Januar 1973, die die Analyse und die Konsequenzen des Ergebnisses der Bundestagswahl zum Gegenstand hatte, fand Kohl deutliche Worte. Wie sich gezeigt habe, habe es sich nicht ausgezahlt, alle Spitzenämter – Parteivorsitz, Fraktionsvorsitz und Kanzlerkandidat – in einer Person zu bündeln, so Kohl. Seine Schlussfolgerung bestehe darin, „daß ich für eine Trennung der Ämter zwischen dem Fraktionsvorsitzenden und dem Parteivorsitzenden bin“. Diese Aussage zielte ebenso direkt auf Barzel wie eine anschließende Aufzählung von Fehlern und Defiziten im Wahlkampf. Schließlich erklärte er, „daß ich – Rainer Barzel habe ich es dieser Tage in einem Brief mitgeteilt […] – mich zur Wahl als Bundesvorsitzender auf dem nächsten Parteitag stelle

Seine Motivation zur Kandidatur in dieser für die CDU schwierigen Situation beschrieb Kohl rückblickend folgendermaßen: „Ich habe mich immer als Parteisoldat verstanden. Die Partei war meine Heimat, der ich vieles zu verdanken hatte. […] Und ich wollte Verantwortung übernehmen, ich wollte die Partei führen, ich wollte der Vorsitzende werden und rechnete mir weit größere Chancen als 1971 aus, gewählt zu werden.“ Barzel selbst hatte zuvor bereits seine Absicht bekundet, wieder zu kandidieren.

Doch nachdem Barzel am 9. Mai 1973 seinen Rücktritt vom Fraktionsvorsitz bekanntgegeben hatte, setzte sich der innerparteiliche Machtverfall fort. Eine eilig anberaumte Krisensitzung des CDU-Bundesvorstands am 12. Mai 1973 trug teils chaotische Züge, gegenseitigen Vorwürfe wurden ausgetauscht, vermeintliche und reale Aussagen von Teilnehmern wurden noch während der laufenden Sitzung bereits von Presseagenturen verbreitet. Die Parteiführung war zerrüttet. Nur vier Tage später, am 16. Mai 1973, erklärte Barzel schließlich auch seinen Verzicht auf eine erneute Kandidatur zum Parteivorsitz.

 

Beginn der Ära Kohl

Für den Herbst 1973 war eigentlich ein regulärer Bundesparteitag vorgesehen. Auf diesem sollte erstens der Bundesvorstand neu gewählt und zweitens die Programmarbeit fortgesetzt werden. Nach Barzels Rücktritt wurde nun die Einberufung eines vorgezogenen Wahlparteitags beschlossen. Dieser fand dann am 12. Juni 1973 in der Bonner Beethovenhalle statt. Kohl erhielt mit 520 (von 600) Stimmen ein überzeugendes Ergebnis, das den Wunsch der Delegierten signalisierte, die internen Grabenkämpfe endlich zu überwinden und zur Geschlossenheit zurückzukehren.

Als neuen Generalsekretär der Partei präsentierte Kohl Kurt Biedenkopf und setzte damit ein Zeichen in Richtung innerparteiliche Reform und Innovation. Bei Biedenkopf handelte es sich um einen politischen „Quereinsteiger“. Mit nur 34 Jahren war er 1964 zum ordentlichen Professor für Wirtschafts- und Arbeitsrecht an der Universität Bochum berufen worden, wurde wenig später Rektor seiner Hochschule und Vorsitzender der Landesrektorenkonferenz Nordrhein-Westfalen, bevor er 1971 als führender Manager beim Henkel-Konzern in die Wirtschaft wechselte. Seine Vorstellung auf dem Parteitag sollte Dynamik und Tatkraft vermitteln. In diesem Sinne kündigte der er in Bonn an: „Für mich beginnt der nächste Bundestagswahlkampf morgen“ – die nächsten Wahlen zum Bundestag standen erst 1976 an.

Der Anfang der Ära Kohl im Parteivorsitz war trotz des guten Wahlergebnisses etwas holprig, wie Kohls Biograf Hans-Peter Schwarz schreibt: „Mit seiner beinahe zweistündigen Parteitagsrede gelingt es dem neuen Hoffnungsträger, selbst seine Anhänger ziemlich einzuschläfern. Kohl kommt letztendlich zum Zug, weil Barzel abgewirtschaftet hat.“ Gleichwohl erkannte Kohl richtig, was die Partei nun brauchte. Und das war nicht ein nostalgischer Rückblick auf die Ära Adenauer und die Trauer über die verpassten Chancen und enttäuschte Hoffnungen in der Oppositionszeit seit 1969, sondern ihm war klar, dass die Christdemokratie nach vorne blicken und inhaltliche Alternativen zur sozialliberalen Koalition präsentieren musste. In diesem Sinne rief er den Delegierten in seiner Parteitagsrede zu, es sei „nicht damit getan, vergangene Erfolge zu feiern. Es ist auch nicht damit getan, einige Köpfe auszuwechseln und ansonsten alles beim alten zu belassen. Wer so denkt, täuscht sich über die wirkliche Lage der CDU in Deutschland hinweg.“

Den Worten ders neuen Vorsitzenden folgten alsbald auch Taten. Die gerade neu bezogene CDU-Bundesgeschäftsstelle wurde unter Biedenkopfs Regie neu strukturiert und modernisiert. Und auf dem 22. Bundesparteitag vom 18. bis 20. November 1973 in Hamburg wurde der inhaltliche Prozess angestoßen, der zur Erarbeitung und schließlich Verabschiedung des ersten CDU-Grundsatzprogramms im Jahr 1978 („Ludwigshafener Programm“) führen sollte. Von 1974 bis 1976 tagte zunächst eine Programmkommission und erarbeitete einen ersten Entwurf. Dieser wurde anschließend breit von den Mitgliedern der CDU diskutiert. Den Höhepunkt bildete ein Grundlagenforum im September 1977 in Berlin. Als innovativer Parteireformer trug Kohl dazu bei, die CDU wieder zurück an die Macht zu führen

Schon bei der Bundestagswahl 1976 erreichte Kohl mit der CDU mit 48,6 Prozent der Stimmen eines der besten Wahlergebnisse der Partei in ihrer Geschichte. Nach dem erfolgreichen konstruktiven Misstrauensvotum gegen Helmut Schmidt wurde Kohl am 1. Oktober 1982 zum Bundeskanzler gewählt. Dieses Amt behielt er bis 1998. Der Höhepunkt seiner Kanzlerschaft war die Deutsche Einheit am 3. Oktober 1990, um die er sich große Verdienste erwarb. Nach der Wahlniederlage der CDU 1998 erklärte er seinen Rücktritt vom Parteivorsitz.

 

Quellen und Literatur:

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