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Hans von der Gröben, in Haarlem. 16 September 1965 Hans von der Gröben, in Haarlem. 16 September 1965 © Dutch National Archives, public domain.

Hans Georg Max Joachim von der Groeben

Jurist, Ministerialdirigent, Diplomat 14. Mai 1907 Langheim (Landkreis Rastenburg) 6. März 2005 Rheinbach
von Reinhard Schreiner
Hans von der Groeben zählt zu den Vätern der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und zu den Pionieren der Europäischen Einheit. Er hat die Europäische Integration konzeptionell mit vorbereitet, ihre institutionelle Ausprägung in den ersten zwölf Jahren von 1958 bis 1970 als Mitglied der Kommission der Europäischen Gemeinschaften wesentlich geformt und danach mit wissenschaftlicher Analyse und Kritik begleitet.

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Der Wirtschaftsjurist von der Groeben, der aus einem alten ostpreußischen Adelsgeschlecht stammt, kam 1952 als Leiter der Unterabteilung Schuman-Plan ins Bundeswirtschaftsministerium. Von 1953 an vertrat der Ministerialdirigent die Bundesregierung im Koordinierungsausschuss der Montanunion. Mit dem Franzosen Pierre Uri, einem engen Mitarbeiter Jean Monnets, erarbeitete er 1956 im Auftrag des belgischen Außenministers Paul-Henri Spaak den für die Gründung und Struktur der EWG maßgeblichen Spaak-Bericht; er war gleichzeitig Vorsitzender des Ausschusses „Gemeinsamer Markt“ auf der Regierungskonferenz in Brüssel. Vor allem ihm ist es zu verdanken, dass die EWG einen marktwirtschaftlichen Ordnungsrahmen erhielt.

Mit Wirksamwerden des EWG-Vertrages 1958 wurde von der Groeben an der Seite des Präsidenten Walter Hallstein als Mitglied der Kommission zuständig für die Wettbewerbspolitik sowie für Rechtsangleichung und Steuerharmonisierung, seit 1967 auch für die Regionalpolitik. Mit großem Einsatz überzeugte der Marktwirtschaftler die Regierungen der zunächst sechs EWG-Staaten vom Abbau der Regulierung und vom Wert offener Märkte. Der vielleicht weitestreichende Erfolg von der Groebens war die Einführung des europäischen Mehrwertsteuersystems 1967, das zu einer nahezu vollständigen Harmonisierung dieser Steuer in den Mitgliedsstaaten geführt hat.

Von der Groeben setzte Marksteine für das europäische Kartellrecht und das europäische Gemeinschaftspatent. Daneben schaltete er sich auch in die Diskussion um andere Rechtsmaterien ein, wandte sich gegen eine europäische Landwirtschaftspolitik, die Subventionen an hoheitlich festgesetzte Garantiepreise knüpfte und damit die bäuerlichen Familienbetriebe benachteiligte, und entwickelte Vorstellungen für eine europäische Regionalpolitik, die schließlich 1975 zur Gründung des Regionalfonds führten. Bei der Landwirtschaftspolitik, die von der Groeben besonders nachhaltig interessierte, wirkten die Erfahrungen nach, die er in den Jahren 1933 bis 1939 als Assessor im Reichsernährungsministerium in Berlin mit der Zuständigkeit für Kreditfragen und Entschuldung sammeln konnte. Auch in der Regionalpolitik konnte er an frühere Erfahrungen anknüpfen, namentlich an seine Arbeit im niedersächsischen Finanzministerium, wo er von 1945 bis 1952 für die Ansiedlung von Flüchtlingen und für den Wohnungsbau zuständig war. Auf diesem Hintergrund wird deutlich, welches Gewicht von der Groeben der Einordnung der Wettbewerbspolitik und der Rechtsangleichung in die allgemeine Wirtschaftspolitik und in den Prozess der Integration beigemessen hat.

All diese Entscheidungen wirken in die Gegenwart und in die Zukunft hinein – Entscheidungen, die von der Groeben nach seinem Ausscheiden aus der Kommission im Jahre 1970 bis ins hohe Alter geistig und publizistisch begleitet und fortentwickelt hat. In vielen Büchern, Aufsätzen, Stellungnahmen und Interviews kritisierte er und unterbreitete neue Vorschläge. Immer hatte er das eine Ziel vor Augen: ein vereinigtes Europa. Dafür wurden ihm viele Ehrungen zuteil, so erhielt er 1987 den Jean-Monnet-Preis der Johann-Wolfgang-von-Goethe-Stiftung in Basel.

Hans von der Groeben ist kurz vor seinem 98. Geburtstag am 6. März 2005 in Rheinbach verstorben.

Lebenslauf

  • 1925-1926 Ingenieurstudium an der Technischen Hochschule Charlottenburg, Praktikum bei Siemens
  • 1926-1929 Studium der Rechtswissenschaft an den Universitäten Berlin, Göttingen und Bonn, Erstes Staatsexamen
  • 1929-1933 Referendariat in Ostpreußen, Potsdam und Berlin, Zweites Staatsexamen
  • 1933 Eintritt in das Reichsernährungsministerium als Wissenschaftlicher Hilfsarbeiter
  • 1938 Leiter des Referats für das Kredit- und Genossenschaftswesen (Oberregierungsrat)
  • 1939 und 1942-1945 Kriegsteilnahme, zuletzt als Oberleutnant
  • 1946-1951 Tätigkeit im niedersächsischen Finanzministerium (Regierungsdirektor)
  • 1952 Wechsel zum Bundesministerium für Wirtschaft als Generalreferent für den Schumanplan
  • 1953-1958 Leiter der Europa-Abteilung (Ministerialdirigent)
  • 1958-1967 Mitglied der EWG-Kommission
  • 1967-1970 Mitglied der EG-Kommission
  • 1967 Ehrendoktor der Universität Frankfurt/M.
  • 1967 Großes Bundesverdienstkreuz mit Stern und Schulterband
  • 1987 Prix Jean Monnet.

 

Veröffentlichungen

  • Deutschland und Europa in einem unruhigen Jahrhundert. Erlebnisse und Betrachtungen von Hans von der Groeben, 2. unveränderte Auflage 2014.

 

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