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Joseph Joos 1938 Joseph Joos 1938 © public domain

Joseph Joos

Schriftleiter, Zentrumspolitiker 13. November 1878 Winzenheim (Kreis Colmar/Elsass) 13. März 1965 St. Gallen
von Kordula Kühlem
Joseph Joos gehörte zu den Vorkämpfern der deutsch-französischen Aussöhnung und galt als Meister des innerparteilichen Ausgleichs. Selbst in der „Welt der Arbeit“, wie er es nannte, aufgewachsen widmete sich Joseph Joos sein Leben lang vor allem den Katholischen Arbeitervereinen. Aus diesem Einsatz heraus wurde er Reichstagsabgeordneter des Zentrums und für dieses Engagement wurde er für vier Jahre im KZ Dachau interniert. Nach der Wiedererstehung der Demokratie in Deutschland hielt er sich von der Politik zwar fern, begleitete aber den Aufbau der Bundesrepublik Deutschland.

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Vom Elsass ins Rheinland

Joseph Joos kam am 13. November 1878 im damaligen Reichsland Elsass-Lothringen in Wintzenheim zur Welt. Durch den sozialen Abstieg seines Vaters vom Mitinhaber einer Eisengießerei zum Gelegenheitsarbeiter musste Joos als eines von fünf Kindern trotz durchgängig guter Noten nach der Volksschule eine Lehre machen.

Von 1893 bis 1897 absolvierte er eine Ausbildung zum Modelltischler und arbeitete anschließend in diesem Beruf in einer großen Maschinenfabrik. Mit seinem eher kärglichen Lohn aus der täglich zehnstündigen Arbeit unterstützte er seine Familie, über seine Erfahrungen unter den Arbeitern notierte er später: „Sie (die Alten) reden … von den armen Leuten, von der verpfuschten Welt und der Ungerechtigkeit, die in ihr ist. Wie sinnlos und verrückt alles sei. Nein, einen Herrgott könne es nicht geben…. So lernte ich die Welt der Arbeit kennen.“

Diese „Welt der Arbeit“ fand jedoch nicht die Zustimmung des gläubigen Katholiken. Auch die SPD, von der Joos nach eigenen Angaben einige Versammlungen besuchte, überzeugte ihn nicht – die Ziele der Sozialdemokraten waren ihm zu revolutionär. Eine politische Heimat fand er schließlich im Zentrumswahlverein.

1901 trat Joos in die Redaktion der katholischen „Oberelsässischen Landeszeitung“ ein und bekam in diesem Zusammenhang zwei Jahre später die Gelegenheit in Mönchen-Gladbach beim Volksverein für das katholische Deutschland einen mehrwöchigen Ausbildungskurs zu besuchen. Auf Vorschlag von Heinrich Brauns blieb Joos anschließend im Rheinland und arbeitete in der Zentrale des Volksvereins mit. Bereits ein Jahr später wechselte er in die Redaktion der „Westdeutschen Arbeiterzeitung“ (WAZ), deren Chefredakteur er 1914 wurde.

Auch sein persönliches Glück fand Joos im Rheinland. 1908 heiratete er Barbara Grass aus Köln, mit der er sieben Kinder bekommen sollte.

 

Reichstagsabgeordneter des Zentrums

Während des Ersten Weltkriegs konnte Joseph Joos nach einer kurzen militärischen Grundausbildung seine Pressearbeit bei der WAZ fortführen. Die Zeitung verfolgte in der Frage der Kriegsziele einen gemäßigten Kurs und forderte Reformen, plädierte beispielsweise für die Aufhebung des preußischen Drei-Klassen-Wahlrechts. Allerdings sollten es Reformen bleiben und „Keine Revolution“ werden, wie das Blatt noch am 1. November 1918 forderte.

Die historischen Ereignisse gingen jedoch über die Forderung hinweg und Joseph Joos stellte sich von Anfang an in den Dienst der aus der Revolution von 1918 entstehenden Weimarer Republik. Bereits 1919 zog er als Abgeordneter der Zentrumspartei in die Nationalversammlung, anschließend bis 1933 in den Deutschen Reichstag ein.

1922 war Joos an der Aushandlung des „Aufrufs“ des Reichsausschusses der Zentrumspartei beteiligt, der sich unumwunden zum neuen demokratischen Staat bekannte: „Dementsprechend stehen wir auf dem Boden der heutigen Verfassung; denn sie ist durch die von dem einheitlichen Willen des Volkes dazu berufenen Nationalversammlung gesetzmässig zustande gekommen.“ Er unterstützte die Politik seiner Partei, Regierungsverantwortung zu übernehmen, was dazu führte, dass das Zentrum an fast allen Regierungen der Weimarer Republik beteiligt war. Gleichzeitig bemühte sich Joos jedoch auch, die Strömungen im politischen Katholizismus zu integrieren, die der Weimarer Republik eher kritisch gegenüberstanden, wobei ihm nach der Aussage von Weggefährten sein ausgleichendes Wesen zugutekam.

Parallel engagierte er sich weiter im Bereich der Katholischen Arbeitervereine. Bereits vor dem Krieg war er bei dem von den Vereinen ausgerichteten „Deutschen Arbeitskongress“ sowie auf dem Katholikentag 1913 als Redner aufgetreten. In den 1920er Jahren widmete er sich der Organisation der Katholischen Arbeitervereine und deren Zusammenfassung in einem einheitlichen Reichsverband. 1928 gelang ihm außerdem in Köln die Gründung der „Katholischen Arbeiterinternationale“, der vor allem Verbände aus Europa und Lateinamerika angehörten. Joos wurde zum ersten Vorsitzenden gewählt und betonte in seiner Antrittsrede, er wollte in seiner Funktion dafür wirken, die „letzten Reste von Völkerzwietracht und Völkerhaß“ auszumerzen.

Diese Bemühungen überzeugten das Zentrum in Deutschland aber nicht. 1928 wählte der Parteikongress nicht den Kandidaten Joseph Joos zu seinem Vorsitzenden, sondern entschied sich für den deutlich konservativ ausgerichteten Ludwig Kaas. Als im Sommer 1932 das Zentrum Gespräche mit der NSDAP führte, war allerdings auch der zweite Vorsitzende Joos beteiligt. Er war der Überzeugung, durch eine gemeinsame Regierung die rechtsradikale Partei bändigen und einbinden zu können. Das Zentrum führte solche Sondierungen auch in den nächsten Monaten fort, doch Joos war nicht mehr daran beteiligt.

 

„Leben auf Widerruf“

Im Gegenteil, er ging in den ersten Monaten nach der Machtübernahme Adolf Hitlers und seiner Partei deutlich auf Distanz. Er stimmte sogar in der Probeabstimmung seiner Fraktion gegen das Ermächtigungsgesetz vom 23. März 1933, beugte sich aber in der Abstimmung im Reichstag der Mehrheit, da die Zentrumsfraktion beschlossen hatte, geschlossen stimmen zu wollen.

Nachdem Ludwig Kaas von einer Romreise im April 1933 nicht wieder zurückkehrte und den Parteivorsitz niederlegte, war auch Joos erneut als Parteivorsitzender im Gespräch. Doch er blieb der zweite Mann des Zentrums, nunmehr hinter Heinrich Brüning. In dieser Funktion musste er jedoch ebenfalls an der Auflösung des Zentrums mitwirken, die am 5. Juli 1933 erfolgte.

Das drei Tage später abgeschlossene Reichskonkordat sicherte zwar vorerst die Existenz der Katholischen Arbeitervereine und somit eine Aufgabe von Joseph Joos. Doch durch die Untersagung der Doppelmitgliedschaft von Arbeitern in der Deutschen Arbeitsfront und anderen Vereinen im April 1934, wurde der katholischen Arbeiterbewegung die Existenzgrundlage entzogen. Vier Jahre später folgte das endgültige Ende der Zeitung, bei der Joos seit 1904 gearbeitet hatte. Schon 1933 hatte die WAZ auf Druck der nationalsozialistischen Machthaber ihr Erscheinen einstellen müssen, war aber von den Verantwortlichen unter dem Namen „Ketteler-Wacht“ weitergeführt worden – 1938 wurde auch diese Zeitung verboten.

Im selben Jahr wurde Joseph Joos die deutsche Staatsbürgerschaft entzogen. Er hatte es 1919 versäumt, wie im Versailler Vertrag bestimmt, sich als Bürger von Elsass-Lothringen explizit für die deutsche oder französische Staatsbürgerschaft zu entscheiden. Auch wenn er sich politisch für das Deutsche Reich engagierte, war es für ihn nicht wichtig gewesen.

Als nominell französischer Staatsbürger erfolgte nach seiner Verhaftung im Juli 1940 die Überstellung in das KZ Dachau, in dem er unter der Nummer 26800 bis 1945 inhaftiert blieb. Bezeichnenderweise nannte Joseph Joos seinen Erinnerungsband über diese Jahre „Leben auf Widerruf“. Sein ehemaliger Lagergenosse Edmond Michelet, der bei Erscheinen des Buches 1946 französischer Verteidigungsminister war, schrieb in seinem Vorwort über Joos: „Er war gleichermaßen der Freund der Polen und der Tschechen, der Jugoslawen und der Holländer, der Italiener und der Belgier…. Es gibt nicht einen Franzosen des Lagers von Dachau, der Vater Joos nicht eine Erinnerung von rührender Dankbarkeit bewahrt.“

Am 24. April 1945 transportierte die SS Joseph Joos mit weiteren Gefangenen aus Dachau ab. Über die Gestapozentrale in Innsbruck gelangten sie zusammen mit weiteren sogenannten Sonder- und Sippenhäftlingen nach Südtirol, um als Geiseln in der Alpenfestung festgehalten zu werden. Im Mai von amerikanischen Truppen befreit, endete schließlich eine Odyssee, die – nach Joos eigenen Worten – „von den Urhebern vielleicht anders geplant und leicht auch hätte anders ausgehen können“.

 

Nachkriegszeit

Nach seiner Befreiung kam Joos als französischer Staatsbürger nach Frankreich. Seine Frau war bereits 1939 gestorben, seine Kinder weit verstreut. Erst nach Gründung der Bundesrepublik Deutschland zog er wieder nach Deutschland, die Staatsangehörigkeit sollte er bis zu seinem Lebensende allerdings nicht wieder erhalten.

Eine politische Tätigkeit nahm Joseph Joos im neuen deutschen Staat nicht mehr auf. Er leitete jedoch die Hauptstelle für Männerseelsorge und Männerarbeit der Gemeinschaft der Katholischen Männer Deutschlands, die ihn zu ihrem Ehrenpräsidenten ernannte. Anlässlich eines nachträglichen Festakts zu seinem 80. Geburtstag, am 13. Dezember 1958 im Kölner Gürzenich, verlieh ihm Bundeskanzler Konrad Adenauer das Große Bundesverdienstkreuz.

Nach einer schweren Erkrankung siedelte Joseph Joos von Fulda, wo er im Bonifatiushaus gelebt hatte, in die Schweiz über. Am 13. März 1965 starb er im 87. Lebensjahr in St. Gallen.

 

 

Nachlasssplitter:

Kommission für Zeitgeschichte Bonn

Lebenslauf

  • 13. November 1878 Geboren in Wintzenheim Kreis Colmar/Elsass
  • 1893–1897 Modelltischlerlehre
  • 1901–1903 Redakteurstätigkeit bei der „Oberelsässischen Landeszeitung“ in Mülhausen/Elsass
  • 1903 Hilfsredakteur des Volksvereins für das katholische Deutschland
  • 1905 Redakteur der „Westdeutschen Arbeiterzeitung“ (WAZ)
  • 1908 Heirat mit Barbara Grass (1883–1939), 7 Kinder
  • 1914 Leiter WAZ
  • 1919–1920 Mitglied der Deutschen Nationalversammlung (Zentrum)
  • 1920–1933 Mitglied des Deutschen Reichstags
  • 1926–1932 Mitglied des Bundesvorstands des Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold
  • 1928 Vorsitzender der Katholischen Arbeiterinternationalen Stellvertretender Vorsitzender des Zentrums
  • 1933 Verbot der WAZ, Umbenennung in „Ketteler-Wacht“
  • 1938 Verbot der „Ketteler-Wacht“; Ausbürgerung
  • 1940–1945 Haft im KZ Dachau
  • 1945 Nach Frankreich expatriiert
  • 1949–1960 Leiter der Hauptstelle für Männerseelsorge und Männerarbeit der Gemeinschaft der Katholischen Männer Deutschlands in Fulda
  • 13. März 1965 Gestorben in St. Gallen/Schweiz

 

Veröffentlichungen

  • Krisis in der Sozialdemokratie. Mönchen-Gladbach 1911.
  • Die sozialdemokratische Frauenbewegung in Deutschland. Mönchen-Gladbach 1912.
  • Geschichte und Wesen des Sozialismus. Düsseldorf 1919.
  • Um das neue Deutschland. Der gesammelten Aufsätze erste Folge. Frankfurt a. M. 1925.
  • Leben auf Widerruf. Begegnungen und Beobachtungen im K. Z. Dachau 1941–1945. Olten 1946.
  • Am Räderwerk der Zeit. Erinnerungen aus der kath. und sozialen Bewegung und Politik. Augsburg o. J.
  • Die KAB in der Geschichte der Christlichen Arbeiterbewegung Deutschlands. Düsseldorf 1963.

 

Literatur

  • Wachtling, Oswald: Joseph Joos (1878–1965), in: Zeitgeschichte in Lebensbildern. Aus dem deutschen Katholizismus des 20. Jahrhunderts, hg. von Rudolf Morsey. Mainz 1973, S. 236–250.
  • Ders: Joseph Joos. Journalist – Arbeiterführer – Parlamentarier. Politische Biographie 1878–1933. Mainz 1974.

 

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