Asset-Herausgeber

Veranstaltungsberichte

4. NATO – Indien Dialog

von Martin-Maurice Böhme

Konferenz von IPCS, USI und KAS

Der 4. NATO-Indien Dialog in New Delhi setzte sich im Jahr 2010 insbesondere mit Strategien zur Lösung der Krisen in Afghanistan und Pakistan auseinander. Außen- und Sicherheitsexperten aus Indien, Deutschland und von der NATO diskutierten mögliche strategische Weichenstellungen für die Zukunft. Neben Dr. Karl A. Lamers MdB und General (a.D.) Harald Kujat, nahmen unter anderem der deutsche Botschafter in Indien, Thomas Matussek und der ehemalige indische Repräsentant bei den Vereinten Nationen, Botschafter Chinmaya Gharekhan an der Veranstaltung teil.

Asset-Herausgeber

Im Rahmen der Konferenz setzten sich etwa 100 Teilnehmer aus Politik, Diplomatie, Wissenschaft und aus den Medien mit Fragestellungen wie dem regionalen strategischen Umfeld, künftigen Kooperationen zwischen ISAF-Truppen und Indien sowie mit den globalen Herausforderungen an die NATO und Indien auseinander.

/documents/264392/264444/7_file_storage_file_95_1.jpg/ea082144-2f40-a2e4-98e3-05cd993891cf
USI-Direktor Lt. Gen. (retd.) PK Singh

Botschafter Gharekhan lobte den Zeitpunkt des NATO-Indien Dialogs, nur kurz nach den Beratungen zur neuen Afghanistan-Strategie in London. Er mahnte die Verantwortlichen über ein mittelfristiges Ausstiegsszenario aus dem Land am Hindukusch nachzudenken. Bis dahin müsse es den ISAF-Truppen und den internationalen Partnern, zu denen auch Indien zählt, gelingen, die Taliban unter Kontrolle zu bringen. Gleichzeitig mit dem militärischen Einsatz in Afghanistan müsse eine verstärkte Entwicklungszusammenarbeit betrieben werden. Indien habe hierzu bereits einen Anfang gemacht. So werde man in den kommenden fünf Jahren eine weitere Milliarde Dollar in die zivile Aufbauarbeit investieren.

Botschafter Matussek verwies auf die neue Rolle der NATO, nach dem Mauerfall im Jahr 1989. Mit dem Ende des Kalten Krieges habe sich die NATO neu erfinden müssen, so verfolge das Bündnis heute einen globalen sicherheitspolitschen Ansatz. Matussek plädierte für eine stärkere Kooperation zwischen der NATO und Indien. Mit dem Einsatz in Afghanistan stünde die NATO ohnehin an der Türschwelle zu Indien, man habe mit dem internationalen Terrorismus einen gemeinsamen Feind, sei bereits Opfer asymmetrischer Kriegsführung geworden und teile fundamentale Werte.

/documents/264392/264444/7_file_storage_file_96_1.jpg/e6f69c3b-c157-5589-814d-8005a145a56c
Die Dialogveranstaltung zeichnete sich durch offene Diskussionen aus

Dr. Karl A. Lamers MdB, Vorsitzender des politischen Ausschusses in der parlamentarischen Versammlung der NATO, griff in seinem Statement insbesondere den Aspekt der gemeinsamen Wertebasis auf und betonte die Kompatibilität zwischen der NATO und Indien. Indien sei der größte, nach demokratischen Grundsätzen regierte Staat der Erde und auch alle NATO-Mitgliedsstaaten seien Demokratien. Diese Tatsache eröffne die Grundlage für eine vertiefte Kooperation. Terroristische Attacken, wie der 11.09.2001 in New York oder der 26.11.2008 in Mumbai hätten gezeigt, wie anfällig demokratische Staaten für den Terrorismus seien. Diese Schwäche lasse sich nur über eine verstärkte Integration der Sicherheitsbehörden und Kooperation der Einzelstaaten und Bündnisse ausgleichen. Im Bezug auf den Afghanistaneinsatz der NATO wandte sich Lamers gegen die Nennung eines konkreten Abzugsdatums, um den Taliban keine Perspektive zu bieten und ein Wiederaufflammen des Terrorismusexports aus Afghanistan zu verhindern.

Michael Rühle, Head, Speechwriting and Senior Policy Advisor, NATO Secretary General’s Policy Planning Unit, erläuterte den Transitionsprozess in Afghanistan. So würden sich die ISAF Truppen, nach der nun folgenden Aufstockung in den kommenden Jahren stetig aus Afghanistan zurückziehen. Das Ziel bestehe in der Festigung der demokratischen afghanischen Führung und der Ausbildung funktionierender Institutionen. Auf diese Weise sollten die Strukturen im Land langfristig gestärkt und die Handlungsfähigkeit des Staates gesichert werden. Im Bezug auf Indiens Engagement in der regionalen Sicherheitspolitik wünschte sich Rühle eine stärkere Kooperation mit der NATO. Bisher arbeite die indische Administration nur auf bilateraler Ebene mit den NATO-Mitgliedsstaaten zusammen.

/documents/264392/264444/7_file_storage_file_97_1.jpg/2dccdc55-a5c5-2754-ceaf-3c802fd5445e
(von links) Deutschlands Botschafter Thomas Matussek und der ehemalige indische Repräsentant bei den Vereinten Nationen, Botschafter Gharekhan

Im Bezug auf die künftigen Strategien für Af-Pak machte Dipankar Banerjee, Direktor des IPCS, deutlich, dass ein Scheitern beider Staaten keine Option darstellen dürfe. Zusammengenommen lebten in Afghanistan und Pakistan 210 Millionen Menschen. Das Entgleisen der Staatsgewalt würde zu einer Destabilisierung der gesamten Region führen, mit unabsehbaren Folgen, betonte Banerjee. Fakt sei jedoch, dass der internationale Terrorismus im Jahr 1973 seinen Weg aus dem Af-Pak-Raum genommen habe. Insofern sei das Eingreifen der ISAF-Truppe im Jahr 2001 nach den Anschlägen in New York verständlich gewesen. Nun fehle es allerdings am politischen Willen und der Unterstützung der Bevölkerung in den NATO-Mitgliedsstaaten den Krieg bis zu einem erfolgreichen Ende fortzuführen. Dafür spreche, dass Präsident Obama im Dezember 2009 angekündigt habe, die amerikanischen Truppen nach einer Frist von 18 Monaten mittelfristig aus Afghanistan abzuziehen – unabhängig vom Erreichen einer Konfliktlösung. Dem entgegnete Diego A. Ruiz Palmer, Head Planning Section, Operations Division, NATO Headquarters, dass der Abzug aus Afghanistan an die Lebenswirklichkeit im Land angepasst werde. Der Transitionsprozess dürfe nicht mit der Exitstrategie verwechselt werden. ISAF stelle mit 85 000 Soldaten aus 44 Nationen eine bedeutende militärische Macht in Afghanistan dar, mit der Fähigkeit das Land demokratisch zu strukturieren. Weitere 37 000 – 40 000 Soldaten würden nun, im Bezug auf die aktuellen internationalen Beschlüsse folgen. Es müsse jedoch konstatiert werden, dass es sich bei Afghanistan und Pakistan um zwei Staaten handle, die sich im Würgegriff der gleichen Bedrohung befänden. Pakistan könne dabei wesentlich von einer Stabilisierung der politischen Situation in Afghanistan profitieren. Deshalb sei es das Ziel der ISAF-Truppen die afghanischen Sicherheitsorganisationen weiterzuentwickeln, die Leistungsfähigkeit der Zivilgesellschaft zu steigern und die afghanischen Schnittstellen zu regionalen und internationalen Beteiligungsmechanismen zu steigern.

General (a.D.) Harald Kujat machte im Rahmen der Diskussionen deutlich, dass in Afghanistan noch viel Arbeit zu leisten sei und warnte deshalb vor einem vorzeitigen Abzug der ISAF-Truppen. Er sprach sich dafür aus, den Druck auf die afghanische Regierung zu erhöhen, um die Einhaltung der Versprechungen sicherzustellen. Es gelte die Umsetzung von Reformen verstärkt zu kontrollieren. Darüber hinaus müsse es der NATO und den internationalen Partnern gelingen, in Afghanistan mehr Synergieeffekte aus der zivil-militärischen Zusammenarbeit zu ziehen, um das Land zu stabilisieren und wieder aufzubauen. RK Sawhney, der ehemalige Chef des indischen Militärgeheimdienstes, sprach sich dafür aus, den Entscheidungsträgern in Afghanistan noch mehr Zeit einzuräumen, dies sei eine Grundvoraussetzung, um beispielsweise leistungsfähige Institutionen im Land zu entwickeln.

/documents/264392/264444/7_file_storage_file_98_1.jpg/a64ba69d-c23d-f6ab-8359-87fc3643267f
Dr. Karl A. Lamers MdB brachte seine Erfahrungen als Vorsitzender des Politischen Ausschusses in der parlamentarischen Versammlung der NATO in die Diskussionen ein

Prof. Dr. Carlo Masala, Universität der Bundeswehr und Comde. Uday Bhaskar sprachen über die künftigen Herausforderungen der NATO und die Kooperationspotentiale mit Indien. Dabei wurde deutlich, dass die Bedrohungsszenarien, die in Südasien aus den Konfliktherden in Afghanistan und Pakistan resultieren, zunächst nur indirekt Wirkung auf die westliche Welt entfalten, im Kontrast zu Indien, wo eine unmittelbare Bedrohung besteht. Darüber hinaus stünden NATO und Indien aber auch vor neuen globalen Bedrohungen, wie Cyber-Attacken und Piraterie, die einerseits das indische Wachstum behinderten und die Entwicklung der westlichen Staaten gefährde. Eine Kooperation mit Indien und der Dialog zu anderen wichtigen Mächten wie Russland, könne einen wichtigen Beitrag zur Bekämpfung dieser konventionellen und zusätzlicher neuer Bedrohungen und Gefahren leisten, so die beiden Sicherheitsexperten.

Der NATO-Indien Dialog, der auf Initiative der KAS und ihrer indischen Partnerorganisationen im Jahr 2005 initiiert wurde und das einzige Track II Forum dieser Art darstellt, soll im Jahr 2011 fortgesetzt werden. Ein Policy Paper mit konkreten Politikempfehlungen und der Zusammenfassung der wichtigsten Diskussionen, wird an die politischen Entscheidungsträger weitergeleitet.

Asset-Herausgeber

comment-portlet

Asset-Herausgeber

Asset-Herausgeber