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Länderberichte

Die Präsenz ruandischer Truppen im Osten des Kongo

von Andrea Ellen Ostheimer
Nach der Eskalation des Konfliktes in der Provinz Nord-Kivu Ende Oktober 2008 resultierend in der größten humanitären Krise des Landes und den daran anschließenden zähen Verhandlungen unter UN-Vermittlung zwischen CNDP und der kongolesischen Regierung überschlagen sich in den ersten Wochen des Jahres 2009 die Ereignisse. Eine Spaltung der bislang als heterogen und diszipliniert geltenden Rebellengruppierung CNDP unter der Führung General Laurent Nkundas, dessen Absetzung als Präsident der CNDP durch dessen Militärkommandierenden General Bosco Ntaganda, und eine gleichzeitige Fortsetzung der Verhandlungen in Nairobi mit Nkundas Emissären komplizierten die Lage.

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Positiv entwickelten sich in diesem Zeitraum die Beziehungen zwischen Ruanda und der DR Kongo, die Ende Oktober 2008 einen Tiefpunkt erreicht hatten. Mit einem neuen Krieg im Ostkongo und der Rolle Ruandas in der Tolerierung wenn nicht gar Unterstützung der CNDP-Rebellen auf ruandischem Territorium sahen sich beide Regierungen zu einem neuen Dialog gezwungen. Die Früchte dieses Prozesses und der geheimen Verhandlungen zwischen ruandischer und kongolesischer Regierung werden dieser Tage geerntet.

Am Abend des 22. Januars wurde der umstrittene Rebellengeneral Nkunda durch ruandische Truppen verhaftet, nachdem er offensichtlich bei einem Angriff von FARDC und FAR über die Grenze geflohen war. Er wird zurzeit in der ruandischen Grenzstadt Ruengeri festgehalten und die kongolesische Regierung, die bereits vor Monaten einen Haftbefehl gegen General Nkunda ausgestellt hatte, bereitet einen Auslieferungsantrag vor.

Bereits seit dem 20. Januar befinden sich ruandische Truppen offiziell in Nord-Kivu, um dort auf der Basis des am 15. November angeregten und am 5. Dezember abgeschlossenen Abkommens zwischen ruandischer und kongolesischer Regierung die Entwaffnung der FDLR-Rebellen zu begleiten. Obgleich die kongolesische Regierung im Verhandlungsprotokoll selbst betonte, dass die Annäherung und insbesondere die gemeinsame Militäraktion weitreichend kommuniziert werden müsse, scheint sie, den Reaktionen aus der Bevölkerung und den Institutionen zufolge, ihrer eigenen Empfehlung nicht gefolgt zu sein.

Parlamentspräsident Vital Kamerhe betonte in einem BBC-Interview (22.01.), dass weder er noch das Parlament in einer so weitreichenden, die Souveränität des Landes betreffenden Angelegenheit informiert worden seien. Darüber hinaus fühle sich das Parlament düpiert, da man der Regierung auf der Basis der andauernden Verhandlungen in Nairobi, bereits einen Plan zum Ausweg aus der Krise (plan de sortie de crise) vorgelegt habe. Dieser sieht das Engagement von SADC-Truppen vor, da aufgrund der Erfahrungen der Vergangenheit die Präsenz ruandischer Militärs auf kongolesischem Boden ein äußerst sensibles Thema darstellt.

Nach Aussagen der ruandischen Regierung stehen die von Kinshasa als Militärbeobachter bezeichneten und mit schwerer Artillerie ausgerüsteten FAR-Truppen unter der Befehlsgewalt der FARDC. Wer diese Befehlsgewalt auf kongolesischer Seite jedoch ausübt, ist nicht unbedingt eindeutig. Ebenso wenig wie die Rolle des Generalinspekteurs der Polizei, General Numbi. Dieser unterzeichnete gemeinsam mit dem Oberbefehlshaber der ruandischen Truppen James Kabarebe im Januar in Goma den Operationsplan zur gewaltsamen Entwaffnung der FDLR. General Numbi hatte bereits 2006 in seiner damaligen Funktion, unabhängig von der internationalen Gemeinschaft und zur Überraschung MONUCs, einen Mixage-Prozess für die CNDP-Rebellen und deren Integration in die kongolesischen Streitkräfte ausgehandelt.

Ein Prozess, der dazu führte, dass die CNDP eigenmächtig FDLR-Gebiete ab Mitte 2007 angriff, MONUC und FARDC-Einheiten jedoch nicht einschreiten konnten, da es sich de jure um FARDC-Einheiten handelte.

Involviert in der aktuellen gemeinsamen Militäraktion gegen die FDLR-Rebellen scheinen auch CNDP-Einheiten zu sein. Anfang Januar sprach der CNDP-Militärbefehlshaber Ntaganda Bosco, General Nkunda die Befehlsgewalt der Bewegung ab. Dessen Sprecher sowie die Flügel im Ausland solidarisierten sich zunächst mit General Nkunda, doch ist offensichtlich, dass Bosco weitgehende Unterstützung um sich scharen konnte. Letzterer ging am 16. Januar sogar so weit, eine Erklärung zur Beendigung der Kriegshandlungen abzugeben, die Integration der CNDP-Kombattanten in die FARDC einzufordern, und sich und seine Truppen der FARDC im Kampf gegen die FDLR zur Verfügung zu stellen.

Damit ziehen nun die Gegner von gestern gemeinsam in den Kampf gegen die Hutu-Milizen der FDLR. Schätzungsweise 6000 ruandische Truppen und ebenso viele CNDP Truppen plus FARDC-Einheiten konzentrieren sich derzeit in der Provinz Nord-Kivu.

Der Zugang für humanitäre Organisationen und die UN-Mission MONUC ist zurzeit für die Territorien Rutshuru und Walikale blockiert. Aufgrund des Charakters der FDLR-Milizen ist davon auszugehen, dass diese Militäroperation hohe Kolateralschäden mit sich bringen wird. Zum einen verfügt das kongolesische Militär nicht über die notwendige Logistik (Luftransportkapazitäten), um in einem schwierigen und durch die intensive Regenzeit fast unzugänglichen Terrain die Versorgung der Truppen mit Waffen und Munition sicherzustellen. Zum anderen sind die FDLR-Milizen (ca. 6 000 Kombattanten) keine uniformierte Armee, sondern befinden sich als Zivilisten unter der kongolesischen Bevölkerung. Eine weitere humanitäre Katastrophe und weitreichende Menschenrechtsverletzungen sind zu befürchten.

Insbesondere ist zu erwarten, dass die FDLR-Milizen, wie bereits die Lord Resistance Army (LRA) in der Provinz Orientale vorexerzierte, sich an der Zivilbevölkerung rächen und eine Politik der verbrannten Erde verfolgen wird.

Da die FAR-Truppen offiziell unter kongolesischer Befehlsgewalt stehen, stellt sich auch die Frage, wer im Falle von Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit die Verantwortung tragen wird. Art. 28 des Rom-Statuts des Internationalen Strafgerichtshofes ist dabei eindeutig und überträgt, wie im Falle Jean-Pierre Bembas, die Verantwortung auf die Militärführer. Mit CNDP-General Bosco Ntaganda kämpft nun auf Seiten der kongolesischen Regierung bereits heute ein Akteur, für den ein internationaler Haftbefehl aus Den Haag vorliegt.

Für die kongolesische Bevölkerung in der Kivu-Region sind es vor allem die Erinnerungen an die ruandischen Invasionen im Osten des Landes, die mit der Verfolgung von Interahamwe-Milizen 1997 im Grenzgebiet begann und mit einer fast vierjährigen Besatzung und Ausbeutung der Provinzen im Osten 2002 endete, die diese gemeinsame Operation mit einem bitteren Nachgeschmack und mit der Frage versehen – werden die ruandischen Truppen sofort nach der Entwaffnung der FDLR abziehen oder werden sie unter Hinweis auf die Sicherheitslage zu einer neuen Ordnungsmacht auf kongolesischem Territorium?

Festzuhalten ist an diesem Punkt, dass die kongolesische Regierung, wie bereits in der Vergangenheit und erneut zu Beginn der Krise deutlich wurde, eine militärische Lösung jeglichen Verhandlungen vorzieht. Die gemeinsame Militäraktion mit Ruanda wurde an der internationalen Gemeinschaft vorbei und parallel zu den schleppenden Verhandlungen in Nairobi geplant und organisiert, und stellt deren Sinn und Zweck im Nachhinein in Frage. Weder wurde das kongolesische Parlament konsultiert oder informiert, noch wurde die UN-Mission MONUC, der aufgrund ihres Mandats der Schutz der kongolesischen Bevölkerung obliegt, in die strategischen Planungen miteinbezogen.

Dies ist sicherlich eine Art und Weise der Umsetzung des Konzeptes „African solutions for African problems“. Doch welcher Preis für diese neue Entente Ruanda-DR Kongo zu zahlen sein wird, bleibt zu diesem Zeitpunkt offen.

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