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Länderberichte

Ein Gladiator verlässt die politische Arena

von Andrea Ellen Ostheimer
Neun Monate nachdem Jean-Pierre Bemba im Rahmen seines Wahlkampfes mit einem Gladiatoren ähnlichen Aufmarsch vom Flughafen in das grösste Fussballstadium Kinshasas Einzug hielt, verliess der ehemalige Vize-Präsident und Senator in der Nacht still und leise sein Botschaftsasyl und die Demokratische Republik Kongo.

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Offiziellen Angaben zufolge begibt er sich zur medizinischen Behandlung nach Portugal. Der Oppositionsführer, der 42% der Stimmen erringen konnte und Joseph Kabila in der Präsidentschaftswahl im zweiten Wahlgang unterlag, hatte sich mit Beginn der militärischen Auseinandersetzungen zwischen seinen Leibgarden und den kongolesischen Streitkräften am 22. März in die südafrikanische Botschaft geflüchtet.

Gemäß des Abkommens von Sun-City hatte man den ehemaligen Kombattanten eigene Schutztruppen in Batallionsstärke zugestanden. Nach erfolgreicher Legitimierung einer neuen Regierung durch Wahlen sollten diese demobilisiert und in die kongolesischen Streitkräfte integriert werden. Für den ehemaligen Vize-Präsidenten Azarias Ruberwa stellte dies kein größeres Problem dar und er forderte lediglich, dass seine Truppen zunächst als Einheit zu integrieren seien, um Diskriminierungen des Individuums zu vermeiden. Jean-Pierre Bemba widersetzte sich jedoch wiederholten Ultimaten der kongolesischen Regierung zur Entwaffnung seiner Leibgarde. Insbesondere nach den Attacken auf seine Residenz am 20. August 2006 fühlte er sich durch eine Leibgarde der Police Nationale Congolaise nicht hinreichend geschützt.

Die Regierung Kabila verwies im Kontext der Demobilisierung primär auf das staatliche Gewaltmonopol und die Nicht-Akzeptanz einer schwer bewaffneten Privatarmee inmitten der Hauptstadt. Das letzte Ultimatum am 15. März verstrich ohne das Ziel erreicht zu haben. Stattdessen hatte sich die Regierung in eine Position manövriert, in der sie mehr und mehr zum Handeln gezwungen wurde, wollte sie nicht das Gesicht verlieren.

Auf der Seite der in der Hauptstadt stationierten Leibgarden Bembas provozierten die Forderungen nach Entwaffnung das absolute Gegenteil. Kampfbereit und mit den Symbolen der Bereitschaft Blut zu vergießen (rote Bandanatücher als Kopfschmuck und sonstige Kriegsfetische am Körper), zogen die Gardisten schwer bewaffnet durch das Quartier und positionierten sich an strategischen Punkten. Die Tage vor dem 22. März waren durch eine nahezu unerträgliche Spannung gekennzeichnet. Eine Eskalation der Gewalt schien trotz der Versuche der internationalen Gemeinschaft zwischen beiden Parteien zu vermitteln und eine friedliche Lösung zu finden, unausweichlich zu sein. Hunderte von Toten und Schwerverletzten, zerstörte Geschäftsgebäude und Botschaften, geplünderte Ladenzeilen und Übergriffe auf Privatresidenzen stellten die traurige Bilanz des zweitägigen Krieges in den Strassen Kinshasas dar.

Was bedeutet dieser militärische Schlag zur Entwaffnung einer Privatarmee für den weiteren Demokratisierungsprozess des Landes? Internationale Stimmen und insbesondere der ehemalige EU- Sondergesandte für die großen Seen, Aldo Ajello, und die EU-Botschafter verurteilten am 27. März nicht nur vehement die Ereignisse, sie äußerten auch ihre Besorgnis über einen vermeintlichen Versuch Kabilas, die Opposition auszuschalten.

Für den Demokratisierungsprozess wird letztlich entscheidend sein, welches Schicksal man Bemba zugestehen und vor allem wie man mit den MLC-Mitgliedern und der Opposition weiterhin umgehen wird. Nachdem Jean-Pierre Bemba im zweiten Wahlgang Joseph Kabila unterlag und lediglich erfolgreich in den Senat einziehen konnte, war es zunächst ungewöhnlich still um den Führer der größten Oppositionspartei geworden. Weder wurde das Regierungsprogramm von MLC-Seite konstruktiv kritisiert, noch wurden dezidierte Positionen zu den aktuellen Herausforderungen kongolesischer Politik (z.B. Grenzziehungen) formuliert. Auf politischer Ebene dürfte sich die Regierung daher nur bedingt wirklichen Herausforderungen durch die MLC gegenübersehen. Angesichts der aktuellen Ereignisse bleibt jedoch genau zu beobachten, inwieweit man versuchen wird, der Opposition den Garaus zu machen und nun zu einer Hexenjagd insbesondere auf MLC-Mitglieder ansetzen wird, oder ob es sich hier um eine personalisierte Auseinandersetzung mit Jean-Pierre Bemba und seinen Milizen gehandelt hat.

Erste Anzeichen für Übergriffe auf Oppositionsmitglieder gab es bereits vor wenigen Tagen, als im Rahmen eines Regierungsprogramms zur Konfiszierung der durch unlautere Methoden erworbenen ehemaligen Dienstwagen, die Residenz des MLC-Mitgliedes und Gouverneurs von Equateur durchsucht und nicht nur die ehemaligen Dienst-Kfz des vormaligen Planungsministers sichergestellt, sondern auch Bargeld, Mobiltelephone, Schmuck und Kleidung durch Sicherheitskräfte entwendet wurden.

Nachdem man in den ersten noch emotional aufgeladenen Stunden der militärischen Auseinandersetzungen hatte verlauten lassen, dass ein Haftbefehl gegen Jean-Pierre Bemba wegen Landesverrats und versuchten Staatsstreiches erlassen worden sei, hatte man sich in eine Lage manövriert, in die die Regierung den Betroffenen unschwer vom Felde hätte ziehen lassen können, ohne ihr Gesicht zu verlieren. Da dieser vermeintliche Haftbefehl jedoch nie vom Generalstaatsanwalt abgezeichnet worden ist und auch der Senat in den letzten Tagen einer Ausreise Bembas zustimmte, öffneten sich neue Wege. Mit der offiziellen Genehmigung zur Ausreise Jean-Pierre Bembas hat die kongolesische Regierung nun den einzig richtigen Schritt getan, um einen weiteren internationalen Gesichtsverlust zu verhindern.

Portugal beherbergte bereits einmal einen aus dem Amt geputschten Präsidenten (Nino Vieira aus Guiné-Bissau), der direkt aus dem politischen Asyl ins Präsidentenamt zurückkehrte. Aus der Sicht Kabilas wäre ein solches Szenario eines im Exil erstarkten Oppositionsführers alles andere als wünschenswert, doch hätte man Jean-Pierre Bemba nicht auf immer und ewig in der südafrikanischen Botschaft belassen und noch viel weniger wegen Hochverrats vor Gericht stellen können. In letzterem Szenario wären Manifestationen und urbane Terroraktionen seiner Anhänger insbesondere in Kinshasa bereits vorhersehbar geworden.

Bemba, der ein Haus an der Algarve besitzt und über dessen potentielle Rückkehr nach Kinshasa zur Zeit nur spekuliert werden kann, musste bereits der portugiesischen Regierung gegenüber versichern, sich jeglicher politischer Tätigkeiten zu enthalten. Mit oder ohne Bemba – entscheidend wird für die politische Opposition in den nächsten Wochen werden, dass sie sich selbst als politisches Gegengewicht zur Regierung präsentiert und insbesondere die internationale Gemeinschaft ein genaues Augenmerk darauf richtet, inwieweit die politische Sphere der Opposition und deren Handlungsfeld von der Regierung respektiert wird.

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