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Länderberichte

Muss Parlamentspräsident Vital Kamerhe unbedingt zurücktreten?

von Prof. Dr. Mabiala Mantuba-Ngoma

Wohin geht die demokratische Legitimität?

Der Begriff der unsicheren Demokratie scheint sich in der DR Kongo zu bewähren, obgleich mit der neuen Verfassung vom 18. Februar 2006, in der eine klare Machtverteilung zwi-schen den staatlichen Instanzen vorgesehen wurde, nämlich: dem Staatspräsident, dem Parlament, der Exekutiven und der Justiz, ein Grundstein gelegt werden konnte. Von den 229 Absätzen behandeln 57 Absätze die drei Generationen von Menschenrechten, darunter auch die Meinungsfreiheit.

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Der angebliche politische Fehler von Vital Kamerhe

Der Präsident der Nationalversammlung, Vital Kamerhe besitzt ein Diplom der Universität Kinshasa in Wirtschaftswissenschaften und beherrscht außer Französisch die vier nationalen Sprachen Kongos. Im Juni 2004 wurde er zum Generalsekretär der PPRD (Volkspartei für Wiederaufbau und Demokratie) designiert, der Partei des Staatspräsidenten Kabila. Er behielt diese Funktion bis zum 14. September 2007. Vital Kamerhe gilt als der Mann, der die Fäden in der Wahlkampagne Kabilas zog. Als Kandidat des Wahlkreises Bukavu sicherte er sich die massive Unterstützung der Wähler seiner Heimatregion und wurde im Dezember 2007 zum Präsident der Nationalversammlung gewählt. Das Präsidiumsbüro der National-versammlung, dem er vorsitzt, setzt sich aus Abgeordneten von AMP-Mitgliedern und alliierten Parteien zusammen: aus PALU (Vereinigte Lumumbistische Partei) von Antoine Gizenga und UDEMO (Union der Mobutistischen Demokraten) von Nzanga Mobutu, dem Sohn des Diktators Mobutu. Vital Kamerhe nahm bisher seine Aufgabe mit Eifer und Kompetenz wahr, auch wenn er die Interessen der politischen Mehrheit verteidigen muss. Er versucht, auch der Opposition einen politischen Spielraum zu geben und der Gesamtbevölkerung aufzuzeigen, dass das kongolesische Parlament, mehr oder weniger, über politische Autonomie verfügt. Unter seinen Kollegen genießt er hohen Respekt.

Als Präsident Kabila und der ruandische Präsident Kagame durch ein Abkommen im Dezember 2008 entschieden, die Rebellion im Ost-Kongo, d. h. Hutu-FDLR-Rebellentruppen mittels einer bilateralen Militärkooperation zwischen kongolesischen und ruandischen Tutsi-Truppen zu verjagen, zu entwaffnen und Freiwillige zur Rückkehr zu bewegen, unterblieb eine Information des Präsidiums der Nationalversammlung.

Vital Kamerhe bedauerte daraufhin in einem Interview mit Radio France International die Tatsache, dass das Büro über einen solchen die Souveränität des Landes betreffenden Akt nicht informiert worden war und befürchtete, dass eine solche militärische Operation nur noch mehr Opfer unter der kongolesischen Zivilbevölkerung verursachen würde. Diese Erklärung wurde von der AMP (Allianz der Präsidialmehrheit) und von seiner Partei, der PPRD, als Verrat bezeichnet. AMP verlangte seinen sofortigen Rücktritt, den Kamerhe zu Recht mit dem Argument ablehnte, dass er nur von den Mitgliedern der Nationalversammlung als Präsident gewählt wurde. Um Kamerhe zum Rücktritt zu zwingen, intervenierte Präsident Kabi-la auf der Ebene der restlichen Präsidiumsmitglieder und überzeugte diese, zurückzutreten, damit Kamerhe wie Robinson Crusoe auf einer Insel allein da stehe und dadurch das ganze Präsidium zu erneuern sein werde.

Am 14. März beginnt die nächste ordentliche Sitzungsperiode des kongolesischen Parlaments beginnen, und die Frage bleibt: was wird mit Vital Kamerhe geschehen?

Politische und legislative Folgen

Die kongolesische Verfassung hat nicht vorgesehen, dass eine politische Partei oder ein Sammelverband von politischen Parteien das Recht hat, das Mandat eines Angeordneten zu entziehen. Die Validierung und die Entziehung eines Mandats stehen im Kompetenzbereich des Parlamentsplenums.

Gemäß Absatz 110 der Verfassung, kann ein Abgeordneter sein Mandat nur aus folgenden Gründen verlieren, nämlich: Ende der Legislaturperiode; Todesfall; Zurücktreten aus eigener Initiative; endgültige Verhinderung; permanente Unfähigkeit; unerlaubte und ungerechtfertigte Abwesenheit während eines Viertels der Legislaturperiode; Eine im Wahlgesetz vorgesehene Inkompatibilität; Ausübung einer Funktion, die mit dem Mandat inkompatibel ist und im Falle schwerer Strafbarkeit. Absatz 85 der Geschäftsordnung des Parlaments beinhaltet die gleichen Bestimmungen. Dies bedeutet, dass auch Präsidialmitglieder nur einzeln zurücktreten dürfen.

Absatz 213 der Verfassung sieht vor, dass das Staatsoberhaupt internationale Verträge und Abkommen verhandelt und ratifiziert. Die Regierung beschließt nicht zu ratifizierende internationale Abkommen während einer Kabinettssitzung. Sie informiert die National Versammlung und den Senat darüber.

Absatz 148 der Verfassung sagt, dass im Falle einer andauernden Krise zwischen der Regierung und der Nationalversammlung der Staatspräsident, nach einer Konsultierung des Premierministers und des Präsidenten von Nationalversammlung und Senat die Nationalversammlung auflösen kann. Sechzig Tage nach der unmittelbaren Auflösung muss die nationale Wahlkommission neue legislative Wahlen organisieren, um eine neue Nationalver-sammlung zu etablieren.

Schlussbemerkung

Wenn Vital Kamerhe überhaupt zurücktreten würde, dann stellt sich die brisante Frage der demokratischen Legitimität. Der Eingriff der Exekutiven in den legislativen Bereich und in andere politische Instanzen könnte ein Zeichen der Rückkehr zur Diktatur setzen. Wenn bereits ein Präsident der Nationalversammlung keine Meinungsfreiheit hat, wie können andere Mitbürger ein solches Recht genießen? Wie kann man in einem Land von einer Konsolidierung der Demokratie und von Rechtsstaatlichkeit sprechen, wenn politische Parteien und Gruppierungen keine internen und gesellschaftlichen Debatten tolerieren?

Was auch immer in den nächsten Wochen kommen mag, Vital Kamerhe wird seinen Sitz im Parlament nicht verlieren. Aber er wird dort als ungeliebter Mann in den Kreisen seiner Partei bis zu den nächsten Wahlen ausharren müssen. Es ist durchaus möglich, dass die Abgeordneten seinen Rücktritt ablehnen werden.

Doch was auch immer geschehen wird, die institutionelle Krise ist vorprogrammiert. Neuwahlen sind kein Thema, da die Regierung weder das Geld noch die Organisationskapazität hierfür besitzt.

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Dr. Jan Cernicky

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