Wähler fordern Veränderungen
Aus den Wahlergebnissen geht hervor, dass Parteien einige Antworten auf Fragen geben müssen, die besonders junge Wähler interessieren. Besonders die klassische Aufteilung in ein rechtes und ein linkes Lager sind einem Kampf um die politische Mitte gewichen. In allen vier Großstädten Kroatiens entschied man sich für einen Generationswechsel (Zagreb, Split, Rijeka und Osijek). Dank des eindeutigen Sieges in Zagreb des Spitzenkandidaten Tomislav Tomašević der neuen links-grünen Bewegung „MOŽEMO“ (Wir können) gegen den Kandidaten Miroslav Škoro von der nationalkonservativen Partei „Domovinski pokret“ (Heimatsbewegung) öffnet sich nun für sie und andere Parteien die Möglichkeit, die politische Landschaft Kroatiens stärker zu beeinflussen. Dafür spricht ebenso der Sieg von Ivica Puljak, der neuen liberalen Partei „Centar“ (Mitte) gegen den HDZ-Kandidaten Vice Mihanović in Split. Eine Zusammenarbeit auf staatlicher Ebene zwischen der „MOŽEMO“ und „Centar“ ist denkbar, was für die SDP eine Herausforderung darstellen könnte, sich als stärkste Opposition zu behaupten. Für Überraschung sorgte ebenfalls die Partei „FOKUS“, die sich mit einigen Siegen in Gemeinden und Städten in der wirtschaftlich und industriell am weitesten entwickelten Gespanschaft Zagrebačka als ernstzunehmende politische Option erwiesen hat. Neben der links-grünen „MOZEMO“ und dem liberalen „Centar“ handelt es sich bei FOKUS um eine „neue“ Partei der politischen Mitte, die wirtschaftsliberal ist und sich für wirtschaftliche Deregulierungen, Privatisierung, Senkung der Mehrwertsteuer und andere Abgaben sowie eine maximale Reduzierung der Beteiligung des Staates an wirtschaftlichen Aktivitäten einsetzt.
Nicht nur ist es vielen neuen Parteien gelungen, sich zumindest bis auf Weiteres in der politischen Landschaft Kroatien zu etablieren. Bei diesen Wahlen haben es auch viele unabhängige Kandidaten (Nezavisni kandidati - Nez.) sowie Kandidaten von unabhängigen Wählergruppierungen (Kandidati grupe birača) geschafft, das Vertrauen der Wähler auf allen kommunalen Ebenen zu gewinnen. Solche Listen sind meistens ein Indikator für Unzufriedenheit der Bürger gegenüber den etablierten Parteien SDP und HDZ. Inhaltlich handelt es sich bei den unabhängigen Kandidaten und den unabhängigen Wählergruppierungen um eine "bunte" Unterstützung (ohne ideologische Kohäsion) der „Opposition“, wobei dort der Schwerpunkt auf dem Kampf gegen den Klientelismus liegt. Auf nationaler Ebene spielen diese Gruppen (noch) keine Rolle. Den wichtigsten Sieg in dieser „Kategorie“ erzielte die Gruppe von Marko Jelić, der den langjährigen HDZ-Gespan, Goran Pauk, der Šibensko-kninska Gespanschaft (HDZ-Hochburg) in der zweiten Runde überzeugend besiegte. Die Besonderheit liegt daran, dass ihm dasselbe bei den letzten Kommunalwahlen gelang, in denen er sich in der für die HDZ historisch wichtigen Stadt Knin gegen die damalige HDZ-Bürgermeisterin Josipa Rimac durchsetzen konnte. Dennoch konnte sich bei diesen Wahlen die HDZ als stärkste Partei behaupten. Sie verlor zwar die Gespanschaft Šibensko-kninska als auch die zweitgrößte Stadt Kroatiens, Split, jedoch erlangte sie einen Sieg in der viertgrößten Stadt Kroatiens, Osijek, der Varaždinska Gespanschaft und Bjelovarsko-bilogorska Gespanschaft, wo bisher ein Erfolg nicht in Reichweite lag. Die stärkere Ausrichtung der HDZ hin zur politischen Mitte sicherte ihr ein besseres Ergebnis in größeren Städten, was auf eine Veränderung der Wählerschaft der HDZ schließen lässt, wohingegen bisher die Hochburgen der Partei in den ländlichen Gebieten liegen.
Gewinner und Verlierer der Wahlen
Mit Abstand ist der größte Gewinner die neue grün-linke Option „MOŽEMO“ unter der Führung von Tomislav Tomašević, die einen überzeugenden Sieg in der kroatischen Hauptstadt einfahren konnte. Ebenfalls zeigen ihre Ergebnisse in anderen Regionen, dass „MOŽEMO“ überall dort, wo man eine innerparteiliche Infrastruktur aufbauen konnte, gute Ergebnisse erzielen konnte. „MOŽEMO“ hat neben Zagreb gute Ergebnisse in Istrien zu Lasten der Regionalpartei IDS erzielt, die man als einen der größten Verlierer der Wahlen bezeichnen könnte. IDS verlor das ökonomische und wirtschaftliche Zentrum der Gespanschaft, die Stadt Pula (ihre Hochburg), gegen den unabhängigen Kandidaten Filip Zoričić. Ebenfalls verlor die IDS die Hauptstadt der Gespanschaft Istrien, Pazin, gegen Suzana Jasic von "MOŽEMO".
Die SDP erzielte insgesamt ein durchwachsenes Ergebnis, da sie sich in der Stadt Rijeka als auch der Primorsko-goranska Gespanschaft behaupten konnte und wiederholte die Ergebnisse aus 2017. Sie behielt 22 Städte und zwei Gespanschaften, verlor jedoch 7 Gemeinden und hält nun 39 Gemeinden. In die Mitte drängen sich auch parteilose Kandidaten, die 30 Städte und 121 Gemeinden gewonnen haben, bzw. 52 Sitze mehr als 2017 und somit rund 25% der Ehrenämter auf lokaler Ebene stellen. Unabhängige stellen somit ebenfalls ein mögliches Problem für die HDZ dar. Die HDZ konnte ähnliche Ergebnisse wie im Jahr 2013 und 2017 erzielen. Der Verlust von zwei Städten und acht Gemeinden gegenüber 2017 wurde durch den Sieg in 15 Gespanschaften in Vergleich zu den 13 aus dem Jahr 2017 „ausgeglichen“. Die HDZ genießt somit das politische Vertrauen in 45 % der Gemeinden und Städte als auch in 75% der Gespanschaften. Das unterschiedliche Abschneiden der HDZ im Lande erklärt sich auch dadurch, dass in einigen Regionen des Landes die Parteistruktur reformiert und neue Kandidaten aufgestellt wurden (wie beispielweise in Osijek), wohingegen die innerparteiliche Erneuerung mancherorts ausblieb, so etwa in Split.
Somit lassen sich mehrere Phänomene beobachten. Zum einen das Aufkommen neuer Parteien, besonders im linken und liberalen Spektrum. Dann die Stärkung unabhängiger Kandidaten und Wählergruppen. Und schließlich das Aufbrechen klassischer Wählerstrukturen, besonders bei SDP und HDZ. Inwieweit sich diese Phänomene verfestigen, bleibt abzuwarten.